Gesetzestext
Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.
A. Normzweck.
Rn 1
Die frühere Rspr verstand § 181 als eine rein formale Ordnungsvorschrift, die daran anknüpft, dass an einem Rechtsgeschäft der äußeren Form nach grds zwei Personen beteiligt sein müssen und die daher ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer Interessenverletzung im Einzelfall Insichgeschäfte verbietet. Ein Interessengegensatz zwischen den mehreren von dem Vertreter repräsentierten Personen sei zwar gesetzgeberisches Motiv, aber zur Tatbestandserfüllung weder erforderlich noch ausreichend (BGHZ 50, 8, 11). Diese Auffassung gilt heute als überholt. Nach heutigem Verständnis hat die Vorschrift einen materiellen Gerechtigkeitsgehalt mit bestimmten Schutzzwecken (Larenz/Wolf AT, 9. Aufl, § 46 Rz 119). Eine vom Zweck der Vorschrift völlig losgelöste, ausschließlich formale Betrachtungsweise lehnt mittlerweile auch der BGH ab (BGHZ 59, 236, 239f). Aus heutiger Sicht soll § 181 in erster Linie der Gefahr begegnen, dass sich bei Personenidentität typischerweise auftretende Interessenkollisionen zum Nachteil des Vertretenen auswirken. Daneben soll sie den Rechtsverkehr im Interesse des Gläubigerschutzes sowie der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit vor verborgenen Vermögensverschiebungen bewahren (BGHZ 75, 358, 361; MüKo/Schubert Rz 3 ff). Die hM hält jedoch daran fest, dass § 181 ggü diesem Normzweck tatbestandlich verselbstständigt ist. § 181 regelt nach dieser Ansicht nicht den materiellen Interessenkonflikt, sondern die unzulässige formale Beteiligung derselben Person auf beiden Seiten bei einem Vertragsschluss. Dh die Feststellung eines konkreten Interessenkonflikts im Einzelfall ist nach wie vor weder erforderlich noch ausreichend (BGH NJW 91, 982, 983 [BGH 24.01.1991 - IX ZR 250/89]; aA Brox/Walker AT Rz 592). In Fällen, in denen aufgrund abstrakt-genereller Kriterien eine Interessenkollision typischerweise ausgeschlossen oder trotz des Fehlens eines Insichgeschäfts einwandfrei festgestellt werden kann, sind aber dennoch Einschränkungen oder Erweiterungen des Anwendungsbereichs der Norm nach den Regeln der juristischen Methodenlehre vorzunehmen (MüKo/Schubert Rz 5).
B. Anwendungsbereich und tatbestandliche Voraussetzungen.
I. Persönlicher Anwendungsbereich.
Rn 2
Dem Verbot des § 181 unterliegen neben dem rechtsgeschäftlichen auch der gesetzliche (BGHZ 50, 8, 10f) und der organschaftliche (BGHZ 56, 97, 101) Vertreter. Auf die Verwalter fremden Vermögens (s § 164 Rn 14) und den WEG-Verwalter (vor der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft KG NJW-RR 04, 1161, 1162 [KG Berlin 03.02.2004 - 1 W 244/03]; str) ist § 181 zumindest entspr anzuwenden.
II. Gegenständlicher Anwendungsbereich.
Rn 3
Das Verbot des § 181 gilt für das gesamte Privatrecht unter Einschluss des Gesellschaftsrechts, soweit nicht abschließende Sondervorschriften wie die Stimmrechtsverbote in den §§ 34, 450, 451; 47 IV GmbHG; 136 I AktG; 43 III GenG; 25 IV WEG eingreifen. § 181 findet zwar auf Prozesshandlungen keine unmittelbare Anwendung (BGHZ 41, 104, 107). Im Prozessrecht gilt aber der aus dem Parteiengegensatz folgende allg Grundsatz, dass niemand Partei in einem Prozess gegen sich selbst sein kann oder beide Prozessparteien zugleich vertreten kann (BGH NZM 21, 303 [BGH 27.11.2020 - V ZR 67/20] Rz 10; NJW 08, 69 [BGH 02.07.2007 - II ZR 111/05] Rz 57; 96, 658). Dieser Grundsatz findet auch in FGG-Streitsachen, nicht aber bei nicht streitigen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wie Registersachen Anwendung (BayObLG Rpfleger 70, 288; Staud/Schilken Rz 28).
III. Der Tatbestand eines Insichgeschäfts.
1. Rechtsgeschäft.
Rn 4
Das Verbot des § 181 erfasst sämtliche Verträge und ist auch auf einseitige empfangsbedürftige Rechtsgeschäfte wie die Kündigung, den Rücktritt, den Widerruf, die Bevollmächtigung und die Gestattung zum Selbstkontrahieren (BGH WM 91, 1753, 1754 [BGH 17.06.1991 - II ZR 261/89]) sowie auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen wie die Mahnung, die Androhung oder die Fristsetzung (BeckOKBGB/Schäfer Rz 6), nicht aber auf streng einseitige (nicht empfangsbedürftige) Rechtsgeschäfte (BeckOKBGB/Schäfer Rz 9) und reine Realakte (BGH NJW 76, 49 [BGH 18.09.1975 - II ZB 6/74]) anwendbar. Auch auf eine grundbuchrechtliche Messungsanerkennung (Identitätsfeststellung) findet § 181 keine Anwendung (MDR 15, 1413 [BGH 01.10.2015 - V ZB 181/14] Rz 9).
2. Vertreterhandeln auf beiden Seiten des Rechtsgeschäfts.
Rn 5
Der Tatbestand eines Insichgeschäfts setzt voraus, dass der Vertreter auf beiden Seiten des Rechtsgeschäfts aufgetreten ist (Bork Rz 1587). § 181 findet auch auf den vollmachtlosen Vertreter Anwendung (ByObLG Rpfleger 88, 61; Schmitt WM 09, 1784, 1788).
a) Verträge.
Rn 6
Bei Verträgen liegt die erforderliche Personenidentität vor, wenn der Vertreter mit sich selbst in eigenem Namen (Selbstkontrahieren) oder mit sich in fremdem Namen eines Dritten (Mehrvertretung) kontrahiert. Ein Fall des Selbstkontrahierens ist auch dann gegeben, wenn der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH, de...