Gesetzestext
(1) Der Betreuer hat die Vermögensangelegenheiten des Betreuten nach Maßgabe des § 1821 wahrzunehmen. Es wird vermutet, dass eine Wahrnehmung der Vermögensangelegenheiten nach den §§ 1839 bis 1843 dem mutmaßlichen Willen des Betreuten nach § 1821 Absatz 4 entspricht, wenn keine hinreichenden konkreten Anhaltspunkte für einen hiervon abweichenden mutmaßlichen Willen bestehen.
(2) Soweit die nach Absatz 1 Satz 1 gebotene Wahrnehmung der Vermögensangelegenheiten von den in den §§ 1839 bis 1843 festgelegten Grundsätzen abweicht, hat der Betreuer dies dem Betreuungsgericht unverzüglich unter Darlegung der Wünsche des Betreuten anzuzeigen. Das Betreuungsgericht kann die Anwendung der §§ 1839 bis 1843 oder einzelner Vorschriften ausdrücklich anordnen, wenn anderenfalls eine Gefährdung im Sinne des § 1821 Absatz 3 Nummer 1 zu besorgen wäre.
A. Normzweck.
Rn 1
Mit der neuen Vorschrift soll sichergestellt werden, dass der Vorrang der Selbstbestimmung des Betreuten, wie er sich aus § 1821 II ergibt, nicht nur für Angelegenheiten der Personensorge gilt, sondern auch für Vermögensangelegenheiten Anwendung findet. Abweichend von der früheren Rspr des BGH (BGH FamRZ 09, 1656) gilt der grundsätzliche Vorrang der Selbstbestimmung, soweit die Wünsche des Betreuten Ausdruck dieser Selbstbestimmung sind. Der Betreute hat also auch das Recht, ggf sein Vermögen zu gefährden oder sich zu schädigen, wenn er in der Lage ist, die Folgen seines Handelns abzuschätzen. Die Wünsche des Betreuten sind insoweit gegenüber seinen objektiven wirtschaftlichen Interessen immer dann vorrangig, wenn sie auf einem frei gebildeten Willen beruhen (BTDrs 19/24445, 270 ff).
B. Grundsatz des Betreuerhandelns.
Rn 2
Nach I 1 gelten für den Betreuer auch für die Wahrnehmung von Vermögensangelegenheiten die Grundsätze des § 1821. Dies bedeutet, dass das dort normierte Prinzip ›Unterstützen vor Vertreten‹ auch iRd § 1838 Anwendung findet. Wünschen des Betreuten hinsichtlich der Wahrnehmung der Vermögensangelegenheiten hat der Betreuer, sofern sie auf dem freien Willen des Betreuten beruhen, auch dann zu folgen, wenn sie wirtschaftlich unvernünftig sind. Ist dem Betreuer die Wunschbefolgung im Einzelfall nach § 1821 III Nr 2 nicht zumutbar, so kann der geschäftsfähige Betreute ggf selbst rechtswirksam tätig werden. Der Betreuer hat den Betreuten also zunächst nur zu beraten und ggf auf etwaige Risiken hinzuweisen. Bestehen Zweifel an der Fähigkeit des Betreuten zur freien Willensbildung, hat der Betreuer ggf die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gem § 1825 anzuregen. Beruhen die Wünsche des Betreuten nicht auf seinem freien Willen und würde deren Befolgung zu einer erheblichen Vermögensgefährdung führen (§ 1821 III Nr 1), so hat der Betreuer nach § 1821 IV den mutmaßlichen Willen festzustellen und danach zu handeln. Um Fremdbestimmung zu vermeiden, sind an die Ermittlung des mutmaßlichen Willens hohe Anforderungen zu stellen, dh, dass ggf auch veränderte Rahmenbedingungen zu berücksichtigen sind. Der Betreuer hat in diesem Fall konkret zu fragen, wie der Betreute bei der Wahrnehmung seiner Vermögensangelegenheiten entscheiden würde, wenn er die ggf aus einer veränderten Lebenssituation resultierende Gefährdung, in seine Entscheidungsfindung mit einbeziehen könnte (BTDrs 19/24445, 273). Fehlen auch für die Feststellung des mutmaßlichen Willens konkrete Anhaltspunkte, so hat der Betreuer gem I 2 die Vermögensangelegenheiten des Betreuten hilfsweise nach §§ 1839–1843 wahrzunehmen.
C. Abweichung (II).
Rn 3
Die Vorschrift dient zunächst dem Schutz des Betreuten vor der Behauptung des Betreuers, ein Vermögensschaden sei allein Resultat der Wunschbefolgung. Aber auch der Betreuer soll bei Entscheidungen oder Verfügungen, die von den §§ 1839–1843 abweichen, durch die Aufsicht des Gerichts vor ungerechtfertigten Vorwürfen geschützt werden (BTDrs 19/24445, 273). Beabsichtigt der Betreuer, bei der Vermögensverwaltung von den §§ 1838–1843 abzuweichen, so hat er dies dem BtG zuvor unverzüglich unter Darlegung der Wünsche des Betreuten anzuzeigen (II 1). Das BtG hat dann iRd Aufsicht zu prüfen, ob die Art der abweichenden Vermögensverwaltung den Grundsätzen des § 1821 entspricht. Ist eine Gefährdung des Betreuten iSd § 1821 III Nr 1 zu besorgen, kann das BtG nach II 2 anordnen, dass die §§ 1839–1843 oder einzelne von ihnen anzuwenden sind. Der Prüfungsmaßstab ist § 1821, dh, das Gericht hat zu prüfen, ob der Wunsch des Betreuten, bei der Vermögensverwaltung von den §§ 1839–1843 abzuweichen tatsächlich besteht, ohne unangemessenen Einflussnahme zustande gekommen ist und der Betreute das damit ggf verbundene Risiko erkennen kann. Ist dies nicht der Fall, ist der mutmaßliche Wille des Betreuten zu ermitteln. Ergeben sich dabei keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser ein Abweichen von der Vermögensverwaltung nach § §§ 1839–1843 wünscht, so ist deren Anwendung anzuordnen (BTDrs 19/24445, 273).