Gesetzestext
(1) Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch), unterliegt der Verjährung.
(2) Der Verjährung unterliegen nicht
1. |
Ansprüche, die aus einem nicht verjährbaren Verbrechen erwachsen sind, |
2. |
Ansprüche aus einem familienrechtlichen Verhältnis, soweit sie auf die Herstellung des dem Verhältnis entsprechenden Zustands für die Zukunft oder auf die Einwilligung in die genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung gerichtet sind. |
A. Konzeption des Verjährungsrechts.
Rn 1
Die Bedeutung des Verjährungsrechts ergibt sich aus § 214 I: Die Verjährung als Ablauf einer bestimmten Frist wirkt sich nicht darauf aus, dass der anspruchsbegründende Tatbestand erfüllt ist. Auch bewirkt sie außer im Fall des § 901 keinen Untergang des entstandenen Anspruchs (vgl § 214 II als Ausnahme von § 813). Selbst seine Durchsetzbarkeit bleibt durch den Eintritt der Verjährung für sich unberührt. Im Rechtsstreit hat deshalb, selbst wenn die verjährungsbegründenden Umstände als solche vom Kläger vorgetragen werden (§ 331 I ZPO), auf Antrag Versäumnisurteil gegen den ausgebliebenen Beklagten zu ergehen (BGH 27.1.10 – VIII ZR 58/09 Rz 27). Die Verjährung wird nicht vAw berücksichtigt, sondern es kann sie der Schuldner inner- oder außerhalb eines Prozesses als Einrede im materiellen Sinne geltend machen und damit dauerhaft die Leistung verweigern, dh dem Anspruch die Durchsetzbarkeit nehmen (§ 214 Rn 2; s.a. hier Rn 3); Vortrag auch der Einrede durch den Kläger macht also seine Klage unschlüssig und es ergeht sog unechtes Versäumnisurteil (vgl § 331 II ZPO). Ob der Schuldner von der Einrede der Verjährung Gebrauch macht, steht in seinem freien Belieben. Er kann auf sie durch einseitige Erklärung noch in der Revisionsinstanz verzichten (vgl § 202; BGH NJW 13, 525 Rz 13). Erhebt er sie, ändert sich die materielle Rechtslage. Erhebt er sie erstmals während des Prozesses, so liegt darin eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 214 Rn 2), obgleich die Verjährungseinrede materiell-rechtlich – etwa hinsichtlich des Verzuges – auch auf den Zeitpunkt des Verjährungseintritts zurückwirkt (BGH aaO Rz 28f). Voraussetzung des Leistungsverweigerungsrechts ist neben der Erhebung der Einrede, dass der Anspruch (Rn 4 f) verjährt ist, dh die begonnene (§§ 199–201) Verjährungsfrist abgelaufen ist (§§ 195–197, 202–213).
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre (§ 195). Sie beginnt nach § 199 I mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch fällig ist und der Gläubiger sowohl von den den Anspruch begründenden Umständen wie auch von der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Liegen diese Voraussetzungen vor, kann vom Gläubiger erwartet werden, innerhalb der kurzen Frist des § 195 den Schwebezustand des drohenden Anspruchs für den Schuldner zu beseitigen. Eine alleinige Anknüpfung an subjektive Elemente wird aber den Interessen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens nicht gerecht. Deshalb wird die kurze ›subjektive Frist‹ mit langen objektiven absoluten Ausschlussfristen von 10 bzw 30 Jahren (§ 199 II–IV) kenntnisunabhängig ›gedeckelt‹. Daneben sieht das Gesetz für bestimmte Ansprüche besondere Verjährungsfristen vor, die ausschl objektive Anknüpfungspunkte kennen und zT sehr kurz sind (vgl § 195 Rn 6). Fälle möglicher Verjährungsunterbrechung kennt nur noch § 212 I. Die §§ 203–208 enthalten zahlreiche Hemmungsgründe (Wirkung: § 209). Verjährungsverlängernde Vereinbarungen sind bis zu einer Höchstfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn, die Verkürzung der Fristen ist außer im Fall der Haftung wegen Vorsatzes auch im vorhinein (§ 202) möglich.
B. Allgemeines.
I. Begriff der Verjährung.
Rn 2
Das BGB versteht unter ›Verjährung‹ die Voraussetzung eines Leistungsverweigerungsrechts iSd § 214 I (Rn 1; Staud/Peters/Jacoby Vorb § 194 Rz 4). In vom EGBGB den Landesrechten vorbehaltenen Rechtsgebieten gibt es zudem die unvordenkliche Verjährung (BayOLGZ 82, 406). Diese begründet eine widerlegliche Vermutung, wonach dann, wenn ein Recht für einen Zeitraum von mindestens 40 Jahren besessen wurde und in den vorangegangenen weiteren 40 Jahren keine Erinnerungen an einen abweichenden Zustand seit Menschengedenken bestanden haben, der gegenwärtige Zustand rechtmäßig begründet wurde (BGHZ 16, 234, 238; VGH München NJW 04, 1125: je zum Wasserbenutzungsrecht; BVerfG NJW 09, 2946: zum Straßenrecht; Hamm NJW-RR 16, 1112 [OLG Hamm 03.03.2016 - 5 U 125/15] Rz 36 ff: zum Wegerecht).
II. Zweck der Verjährung.
Rn 3
In der Praxis ist im Streitfall das Bestehen eines Anspruchs ganz überwiegend eine Frage der Beweisbarkeit. Obwohl nur ein bestehender Anspruch verjähren kann, schützen die §§ 194 ff zunächst den scheinbaren Schuldner (BGHZ 122, 241, 244; ZIP 03, 524, 526). Je länger das angebliche Entstehen eines Anspruchs zurückliegt, umso schwieriger wird es für den vermeintlichen Schuldner, der insb bei zunehmendem Zeitablauf nicht mit einer Inanspruchnahme zu rechnen braucht, Nachweise für streitige anspruchshemmende oder -vernichtende Tatsachen beizubringen...