Prof. Dr. Maximilian Zimmer
Gesetzestext
(1) Der Erbschaftsbesitzer ist verpflichtet, dem Erben über den Bestand der Erbschaft und über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände Auskunft zu erteilen.
(2) Die gleiche Verpflichtung hat, wer, ohne Erbschaftsbesitzer zu sein, eine Sache aus dem Nachlass in Besitz nimmt, bevor der Erbe den Besitz tatsächlich ergriffen hat.
A. Allgemeines.
Rn 1
Da es im Erbrecht einen allgemeinen Auskunftsanspruch nicht gibt, soll es dem Erben ermöglichen, sich über den Umfang des Nachlasses zu informieren und den Erbschaftsanspruch durchzusetzen. Der Anspruch ist dabei nicht übertragbar (Karlsr FamRZ 67, 692). Die Vorschrift kann auch nicht auf andere Fallgestaltungen übertragen werden, so besteht etwa kein Auskunftsanspruch gegen den Miterben, der nicht Erbschaftsbesitzer ist (Hamm FamRZ 15, 789; Köln FamRZ 18, 61). Der Miterbe gehört nur dann zum Kreis der Auskunftsverpflichteten, wenn er sich einer Alleinsterbenstellung berühmt (Köln FamRZ 18, 61; vgl § 2018 Rn 8) oder aber die alleinge Abwicklung des Nachlasses übernommen hat (Saarbr FamRZ 22, 1141).
B. Auskunftspflicht.
Rn 2
Die Auskunftspflicht erstreckt sich nicht auf den Wert des Nachlasses oder einzelner Gegenstände, die Schulden (RGZ 71, 360) oder die lebzeitigen Schenkungen des Erblassers (BGHZ 61, 182), auch wenn sie nach §§ 2287, 2325 von Bedeutung sein mögen.
Rn 3
Die Auskunft erstreckt sich auf den Bestand der Erbschaft einschl aller Surrogate iSv § 2019, der Nutzungen nach § 2020, nicht jedoch auf den Verbleib der nicht mehr vorhandenen oder nicht auffindbaren Gegenstände (LG Arnsberg ErbR 14, 606). Der Erbe kann eine schriftliche Aufstellung in Form eines übersichtlichen Bestandsverzeichnisses verlangen, die im Ergebnis zur Rechenschaftslegung über die Verwaltung nach § 259 führt und die den Auskunftspflichtigen zur Vorlage von Belegen verpflichtet (MüKo/Helms § 2027 Rz 7; aA Staud/Raff § 2027 Rz 8). Eine Auskunft nach § 260 I erfordert eine eigene, schriftlich verkörperte Erklärung des Schuldners, (BGH NJW 08, 917 [BGH 28.11.2007 - XII ZB 225/05]; § 260 Rn 4). Die Anforderungen für die Auskunft nach § 2027 bleiben aber hinter denen des Inventars zurück (Grüneberg/Weidlich § 2027 Rz 1).
C. Auskunftspflicht nach Abs 2.
Rn 4
Hat ein Dritter, ohne Erbschaftsbesitzer zu sein, Sachen aus dem Nachlass in Besitz genommen, bevor sie der Erbe in Besitz nehmen konnte, ist auch er auskunftspflichtig. Entspr gilt für denjenigen, der aufgrund eines Rechts zum Besitz die Sache eigenmächtig an sich genommen hat oder nur die Möglichkeit einer tatsächlichen Verfügung über den Nachlass erlangt hat, wie zB der Vermieter, der die Wohnungsschlüssel an sich genommen hat. Dabei kommt es auf die Kenntnis des Besitzers von seinem Eingriff in den Nachlass nicht an. Hat der Besitzer in der Meinung, es handele sich um sein eigenes Erbrecht, die Sache in Besitz genommen, ist er als Erbschaftsbesitzer nur nach I auskunftspflichtig.
Rn 5
Wer den Besitz schon vor dem Erbfall vom Erblasser erlangt hat, ist ebenso wenig auskunftspflichtig (Kiel OLGE 40, 108), wie derjenige, der nach dem Tod des Erblassers eine Sache in Besitz nimmt, die der Erblasser schon zu seinen Lebzeiten einem Dritten übergeben hatte (BGH LM Nr 1 zu § 1412).
Rn 6
Keine Pflicht zur Auskunft nach II besteht nicht für den verwaltenden Testamentsvollstrecker, den Nachlassverwalter, den Nachlasspfleger und den Nachlassinsolvenzverwalter, da sie bereits aufgrund von Sondervorschriften Rechenschaft ablegen müssen (RGZ 81, 30).
D. Auskunftsberechtigte.
Rn 7
Zu ihnen zählen der Erbe, der Vorerbe, der Nacherbe erst nach Eintritt des Nacherbfalls, der Nachlasspfleger, Nachlassverwalter, der verwaltende Testamentsvollstrecker und der Gläubiger, der den Erbschaftsanspruch gepfändet hat (MüKo/Helms § 2027 Rz 3). Nach §§ 2039 1, 2027 kann jeder Miterbe verlangen, dass allen Miterben gemeinschaftlich Auskunft erteilt wird.
E. Prozessuales.
Rn 8
Die örtliche Zuständigkeit für die Auskunftsklage für Ansprüche nach I und II ergibt sich aus § 27 ZPO (Brandbg ZEV 23, 171). Sie macht den Erbschaftsanspruch nicht rechtshängig (RGZ 115, 29), die Rechtshängigkeit des Erbschaftsanpruchs tritt nur ein, wenn Stufenklage (§ 254 ZPO) erhoben wird.
Rn 9
Die Vollstreckung des Auskunftsurteils richtet sich nach § 888 ZPO. Ob eine nach Verurteilung des Erbschaftsbesitzers erteilte Auskunft den Anforderungen entspricht, ist im Zwangsvollstreckungsverfahren zu klären (MüKo/Helms § 2027 Rz 8). Der Einwand des Erbschaftsbesitzers, er habe die Auskunft bereits vollständig erteilt, ist im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend zu machen. Eine Fristsetzung ist beim Antrag auf Festsetzung eines Zwangsmittels gem § 888 ZPO nicht erforderlich (Brandbg ZErb 04, 104).
Rn 10
Besteht der Verdacht, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt wurde, hat der Erbschaftsbesitzer eidesstattlich zu versichern, dass er die Auskunft nach bestem Wissen so vollständig wie möglich erteilt hat. Maßgeblich ist das Gesamtverhalten des Auskunftspflichtigen. Kann die mangelhafte Auskunft auch auf unverschuldeter Unkenntnis oder entschuldbarem Irrtum beruhen...