Gesetzestext
Die Verjährung ist gehemmt, solange der Gläubiger innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist.
A. Allgemeines.
Rn 1
Grds beeinflussen die konkreten tatsächlichen Umstände den Lauf der Verjährung nicht (Mot I, 316). § 206 macht bei höherer Gewalt eine Ausnahme. Liegt sie während des Fristlaufs vor, ist die Verjährung für (maximal) die Dauer der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist gehemmt (vgl BGH 6.12.18 – V ZR 79/18 Rz 7). Bestand das Durchsetzungshindernis schon früher, beginnt die Hemmung mit dem Beginn des Sechs-Monats-Zeitraums (BGH NJW-RR 91, 573, 574 [BGH 09.01.1991 - XII ZR 85/90]). Die Hemmung endet zwar mit dem ohne Berücksichtigung des § 206 bestehenden Fristendes, doch wird in diese Frist nach § 209 der Zeitraum der Hemmung nicht eingerechnet. Daher verschiebt sich das Ende der Frist entspr um die Dauer der Hemmung wegen höherer Gewalt. § 202 findet kraft Verweisung entspr Anwendung auf eine Vielzahl gesetzlicher Ausschlussfristen (§ 194 Rn 9). Eine weiter gehende analoge Anwendung ist grds abzulehnen (MüKo/Grothe Rz 2a; BGH 8.1.04 – IX ZB 87/03; MDR 20, 42 [BGH 13.11.2019 - IV ZR 317/17] Rz 30); anderes gilt bei tariflichen Ausschlussfristen (BAG MDR 12, 532 [BAG 09.08.2011 - 9 AZR 365/10] Rz 34).
B. Vorliegen höherer Gewalt.
Rn 2
Die Behinderung der Rechtsverfolgung wegen höherer Gewalt ist dann gegeben, wenn Ereignisse vorliegen, die auch durch äußerste billigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnten (BGH NJW 97, 3164 [BGH 07.05.1997 - VIII ZR 253/96]). Schon geringes Verschulden des Gläubigers steht damit höherer Gewalt entgegen (BAG NZA 15, 35 [BAG 24.09.2014 - 5 AZR 593/12] Rz 42). Das Verschulden von Prozessbevollmächtigten (BGH aaO) oder eines gesetzlichen Vertreters (BGH LM § 254 (E) Nr 2 zu § 203 aF) wird dem Gläubiger zugerechnet, nicht jedoch das von Amtspersonen. Fälle höherer Gewalt sind bspw Stillstand der Rechtspflege, wie er bspw bei Einstellung gerichtlicher Tätigkeit durch Krieg, Überschwemmungen uä eintritt, verzögerte oder falsche Sachbehandlung durch Gerichte oder Ämter (BGH NJW 17, 1735 Rz 14; 95, 1419, 1420), Erteilung eines unrichtigen Erbscheins (BayObLG NJW-RR 89, 1090, 1091), nicht vorhersehbare Krankheit (zur Traumatisierung aufgrund sexuellen Missbrauchs vgl Schlesw 20.12.12 – 16 U 108/11; hier kann sogar Kenntnis iSv § 199 I Nr 2 fehlen, so BGH NJW 13, 939 [BGH 04.12.2012 - VI ZR 217/11] Rz 6), nicht jedoch Beweisschwierigkeiten (BGH NJW 75, 1466 [BGH 07.05.1975 - IV ZR 60/74]), Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Gläubigers (BGH NJW 63, 2019 [BGH 02.07.1963 - VI ZR 299/62]) oder Anzeige der Masseunzulänglichkeit (BGH 14.12.17 – IX ZR 118/17 Rz 20), Unkenntnis von der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes (Hamm NJW 80, 244 [OLG Hamm 12.11.1979 - 15 W 223/79]), Vertrauen auf den Fortbestand einer Rspr (BAG NJW 02, 1066, 1067; aA BGH NJW 88, 197 [BGH 08.10.1987 - VII ZR 358/86]; s.a. BGH NJW 11, 1453 [BGH 10.03.2011 - VII ZR 54/10] Rz 19). Bloße Erschwerungen der Rechtsverfolgungen reichen nicht, ebenso wenig, wenn nur der Berechtigte persönlich an der gerichtlichen Verfolgung gehindert ist (RGZ 128, 47) oder seine Rechtsunkenntnis, es sei denn, wenn sie auf einen Fehler von Gerichten oder Behörden zurückzuführen ist.