Gesetzestext
(1) 1Die Verjährung von Ansprüchen zwischen Ehegatten ist gehemmt, solange die Ehe besteht. 2Das Gleiche gilt für Ansprüche zwischen
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Lebenspartnern, solange die Lebenspartnerschaft besteht, |
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dem Kind und
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seinen Eltern oder |
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dem Ehegatten oder Lebenspartner eines Elternteils bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes, |
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dem Vormund und dem Mündel während der Dauer des Vormundschaftsverhältnisses, |
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dem Betreuten und dem Betreuer während der Dauer des Betreuungsverhältnisses und |
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dem Pflegling und dem Pfleger während der Dauer der Pflegschaft. |
3Die Verjährung von Ansprüchen des Kindes gegen den Beistand ist während der Dauer der Beistandschaft gehemmt.
(2) § 208 bleibt unberührt.
A. Allgemeines.
Rn 1
§ 207 berücksichtigt die besonderen Beziehungen innerhalb von Familienstrukturen und ähnlichen Verhältnissen. Die Verhältnisse sind grds formal bestimmt. Es ist unerheblich, ob tatsächlich eine persönliche Nähe besteht. Erfasst sind nicht nur familienrechtliche Ansprüche, sondern grds alle Ansprüche, auch solche aus Verkehrsunfällen einschl des Direktanspruchs gegen Haftpflichtversicherer (Celle OLGR 01, 185; NJW-RR 23, 149 [OLG Celle 20.12.2022 - 17 UF 184/22] Rz 26; LAG Hamm 25.1.23 – 9 Sa 738/22, BeckRS 23, 11213 Rz 27). Da die vAw zu beachtende Hemmung nur an das persönliche Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner anknüpft, führt ein Personenwechsel zur Beendigung der Hemmung (BGH NJW-RR 12, 579 [BGH 25.01.2012 - XII ZB 461/11] Rz 20: zum Fall des Forderungsübergangs auf die Staatskasse). Eine Rückabtretung führt dann nicht zu einem Wiederaufleben der Hemmung der Verjährung (Oldbg 29.11.12 – 13 UF 77/12; aA hM, Grüneberg/Ellenberger Rz 1). Anderes gilt, wenn auch in der Person des neuen Anspruchsgegners Hemmungsgründe vorliegen. Wird die Beziehung erst nach Entstehung oder Fälligkeit des Anspruchs begründet, tritt die Hemmung mit dem Zeitpunkt der Herstellung des persönlichen Verhältnisses ein. Die Hemmung schließt nicht Verwirkung (§ 194 Rn 10) aus (zu Unterhaltsansprüchen BGH NJW 18, 1013 [BGH 31.01.2018 - XII ZB 133/17] Rz 16; Hamm 7.5.13 – II-2 WF 82/13; Naumbg 28.2.13 – 8 UF 181/12; aA MüKo/Grothe Rz 7), doch sind an das Umstandsmoment hohe Anforderungen zu stellen (vgl Nürnbg NJW-RR 22, 726 [OLG Nürnberg 25.01.2022 - 11 UF 801/21] Rz 30: zum Schmerzensgeldanspruch). Ggf kann auch § 208 greifen (II).
B. Personenkreis.
Rn 2
Die Hemmung zwischen Ehegatten (I 1 und entspr Lebenspartner iSv § 1 LPartG), I 2 Nr 1) gilt, solange die Ehe (bzw Partnerschaft) besteht, auch soweit sie aufhebbar (vgl §§ 1313 ff), jedoch noch nicht aufgehoben ist (vgl Brandbg 11.9.13 – 4 U 130/11) oder nach erfolgreichem Antrag auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft (BGH NJW 18, 2871 [BGH 20.06.2018 - XII ZB 84/17] Rz 34); ein ausländisches Scheidungsurteil steht dem inländischen (§ 1564) gleich (str). Für Nichtehen und nichteheliche Lebensgemeinschaften gilt § 207 unabhängig vom nachweislichen Bestehen eines mit Ehe und Familie vergleichbaren Näheverhältnisses nicht (Nürnbg 22.11.13 – 14 W 1107/13; aA MüKo/Grothe Rz 10).
Rn 3
Ansprüche, gleich ob diese den Eltern bzw dessen Gatten oder Partner oder den Kindern bzw Stiefkindern zustehen, sind nach I 2 Nr 2 bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes gehemmt; damit sollen länger andauernde Ablösungsprozesse berücksichtigt werden. Die Ehelichkeit des Kindes spielt keine Rolle (BGHZ 76, 295), ebenso wenig die elterliche Sorge. Adoptivkinder sind Kinder iSd Norm; Adoption durch Dritte lässt wegen § 1755 I 1 Hemmung entfallen (str).
Rn 4
Auch iRv Vormundschaften (§§ 1773 ff), Betreuungen (§§ 1814 ff) und Pflegschaften (§§ 1809 ff) sind Ansprüche beidseitig gehemmt, solange das Verhältnis besteht. § 207 gilt auch für den Ergänzungsbetreuer und den Ergänzungspfleger. Im Verhältnis zwischen Kind und Beistand (§§ 1712 ff) tritt Hemmung nur für Ansprüche des Kindes gegen den Beistand ein (I 3), da Ziel der Regelung die Berücksichtigung der Unterlegenheit des Kindes und nicht etwa einer Nähebeziehung ist (Saarbr FamRZ 12, 801, 804).