Prof. Dr. Martin Avenarius
Gesetzestext
(1) Die Anfechtung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.
(2) 1Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt. 2Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210, 211 entsprechende Anwendung.
(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit dem Erbfall 30 Jahre verstrichen sind.
A. Fristen des § 2082 I und III.
Rn 1
Die Ausschlussfrist für die Anfechtung letztwilliger Verfügungen beträgt ein Jahr, § 2082 I. Sie beginnt mit Kenntnis vom Anfechtungsgrund (§§ 2078, 2079) seitens des Anfechtungsberechtigten (Ereignisfrist, § 187 I), nicht jedoch vor dem Tod des Erblassers (vgl Brandbg FamRZ 98, 59, 60). Nach Fristablauf kann die Einrede des § 2083 erhoben werden. § 2082 III sieht eine dreißigjährige Höchstfrist vor, die mit dem Erbfall beginnt (Ereignisfrist, § 187 I). Zur Anfechtung durch den Erblasser selbst iRv Erbverträgen und Ehegattentestamenten s § 2283.
B. Auslösendes Ereignis.
I. Kenntnis.
Rn 2
Kenntnis des Anfechtungsgrundes setzt die Kenntnis des Erbfalls, des Vorliegens einer letztwilligen Verfügung, des Willensmangels nach §§ 2078, 2079 und der infolgedessen eintretenden Benachteiligung, die zur Anfechtungsberechtigung führt, § 2080 I, voraus. Diese Kenntnis muss so sicher sein, dass ein vernünftiger Mensch in der Lage ist, daraus einen Entschluss zumindest zur Einholung von Rechtsrat abzuleiten, sie muss also nicht völlig zweifelsfrei sein (BayObLG NJW-RR 98, 797 [BayObLG 22.12.1997 - 1Z BR 138/97]; München ZEV 05, 482 [OLG München 11.05.2005 - 31 Wx 19/05]; vgl Naumbg ErbR 22, 224 [OLG Naumburg 13.05.2020 - 12 U 15/19]); ein Kennenmüssen reicht jedoch nicht aus. Der Fristbeginn verliert seine Wirkung, wenn der Anfechtungsgrund nach Kenntniserlangung wieder wegfällt (BayObLG FamRZ 83, 1275).
II. Irrtum.
Rn 3
Ein Irrtum über die rechtlichen Schlussfolgerungen aus diesen Tatsachen beeinflusst den Fristbeginn grds nicht (unbeachtlicher Rechtsirrtum, BGH NJW 70, 279; BayObLG NJW-RR 90, 846 [BayObLG 30.03.1990 - BReg. 1a Z 14/90]; differenzierend zum Rechtsirrtum nun Köln ZEV 11, 83 [OLG Köln 21.07.2010 - 2 Wx 81/10]). Etwas anderes soll jedoch bei einem Irrtum gelten, der verhindert, dass der Berechtigte bestimmte Tatsachen zur Kenntnis nimmt, weil er etwa glaubt, die anfechtbare Verfügung sei bereits angefochten oder widerrufen (Hamm OLGZ 71, 312) oder aus Rechtsgründen unwirksam (Hamm NJW 94, 522 [BGH 15.11.1993 - II ZR 235/92]; Rosenmeier ZEV 95, 129). Bereits eine erstinstanzliche Gerichtsentscheidung, die bestimmte Rechtswertungen vornimmt, schließt einen beachtlichen Irrtum aus (BayObLG NJW-RR 98, 797; Frankf FamRZ 02, 352).
C. Hemmung.
Rn 4
Unter den Voraussetzungen der §§ 206, 210, 211 wird der Lauf der Frist nach I gehemmt, nicht jedoch der der Frist nach III. Die Darlegungs- bzw Feststellungslast für den Ablauf der vAw zu beachtenden Ausschlussfrist trägt der Anfechtungsgegner (BayObLG FamRZ 95, 1024).