Gesetzestext
(1) 1Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so tritt eine für oder gegen sie laufende Verjährung nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig oder der Mangel der Vertretung behoben wird. 2Ist die Verjährungsfrist kürzer als sechs Monate, so tritt der für die Verjährung bestimmte Zeitraum an die Stelle der sechs Monate.
(2) Absatz 1 findet keine Anwendung, soweit eine in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person prozessfähig ist.
A. Allgemeines.
Rn 1
§ 210 schützt den Gläubiger davor, dass er, allein weil er selbst oder der Schuldner geschäfts- und idR damit prozessunfähig (§ 52 ZPO) ist, objektiv seine Forderung nicht durchsetzen kann und diese dann verjährt. § 210 macht ein Vorgehen nach § 57 I ZPO entbehrlich, wenn es auch ggf sinnvoll bleibt. Denn die Beweislast für die Voraussetzungen (Mangel der Geschäftsfähigkeit, keine gesetzliche Vertretung) trägt der Gläubiger, der sich auf die Ablaufhemmung als ihm günstig beruft. Nach § 1825 I 2 ist die Norm entspr auf dem Betreuten mit Einwilligungsvorbehalt anzuwenden. Analoge Anwendung auf Ausschlussfristen (§ 194 Rn 9) ist denkbar (zB § 12 StrEG; § 99 I SGB VI), wenn die Frist der Zweckmäßigkeit dient (MüKo/Grothe Rz 7). § 210 gilt nicht für juristische Personen (BGH NJW 68, 692, 694 [BGH 17.01.1968 - VIII ZR 207/65]); hier kann § 29 helfen. Beachte § 213.
B. Fehlende Geschäftsfähigkeit und fehlender gesetzlicher Vertreter.
Rn 2
Geschäftsunfähigkeit und beschränkte Geschäftsfähigkeit richten sich nach §§ 104 und 106. Nach § 106 ist der Minderjährige geschäftsfähig, soweit er gem §§ 107–113 in der Geschäftsfähigkeit nicht beschränkt ist; iÜ (das kann auch in Fällen der §§ 112f sein) bleibt es bei § 210 (II; BGH VersR 69, 906, 907; NJW 00, 289 f [BGH 04.11.1999 - III ZR 306/98]: zur ›partiellen Geschäftsunfähigkeit‹). Nach §§ 125, 167 III FamFG ist die Prozessfähigkeit erweitert.
Rn 3
Gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen können sein die Eltern (§§ 1626 ff), der Vormund (§§ 1773 ff), der Pfleger (§§ 1809, 1813, 1882) und der Beistand (§§ 1712 ff), eines Volljährigen der Betreuer (§ 1823) und Pfleger (§§ 1884, 1882); in der Insolvenz steht der Insolvenzverwalter gleich. § 210 greift, wenn es beim konkreten Geschäft an der erforderlichen Vertretung fehlt, was auch aus rechtlichen Gründen (bspw §§ 181, 1629, 1795) sein kann (BGHZ 55, 267, 271). Ist ein gesetzlicher Vertreter vorhanden und dieser nur aus tatsächlichen Gründen an der Ausübung gehindert, bspw im Fall der Krankheit oder Abwesenheit, oder nimmt er die Interessen nicht ausreichend war (BGH NJW 75, 260, 261 [BGH 19.11.1974 - VI ZR 205/73]), gilt § 210 nicht (ggf hilft § 206); dann muss der Vertretene ggf Rückgriff beim Vertreter nehmen.
C. Wirkung.
Rn 4
Das Fehlen des gesetzlichen Vertreters ist nur innerhalb der letzten sechs Monate der Frist von Bedeutung. Ist das Vertretungsdefizit vorher beseitigt, kommt § 210 nicht zur Anwendung. Umgekehrt reicht es, wenn innerhalb dieses Zeitraums eine Vertretung auch nur kurzfristig nicht gegeben war. Nach Beendigung der vertretungslosen Zeit endet die Verjährung nicht vor Ablauf von weiteren sechs Monaten, es sei denn, die Verjährungsfrist wäre kürzer. In diesem Fall läuft dann diese kürzere Frist (I 2).