Gesetzestext
1Eine Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter erfolgt, ist im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. 2Die Verfügung ist unbeschränkt wirksam, wenn der Anspruch eines Nachlassgläubigers oder ein an einem Erbschaftsgegenstand bestehendes Recht geltend gemacht wird, das im Falle des Eintritts der Nacherbfolge dem Nacherben gegenüber wirksam ist.
A. Geltungsbereich.
Rn 1
Die Vorschrift betrifft Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung, des Arrestvollzugs und des Vollzugs der seltenen einstweiligen Verfügungen auf Geldleistung, ferner Verfügungen durch den Insolvenz- oder den Nachlassverwalter.
Rn 2
Die Vorschrift betrifft nicht die Zwangsvollstreckung zur Abgabe einer Willenserklärung (§§ 894 ff ZPO; MüKo/Lieder § 2115 Rz 6); diese stellt vielmehr in der Sache eine rechtsgeschäftliche Verfügung des Vorerben dar und unterfällt den §§ 2112, 2113 (sog Urteilsverfügung, s § 2112 Rn 10). Sie betrifft auch nicht die Zwangsvollstreckung zur Herausgabe von Sachen (§§ 883 ff ZPO) und nicht die Teilungsversteigerung (MüKo/Lieder § 2115 Rz 8).
Rn 3
Dagegen ist sie anwendbar auf die Zwangsvollstreckung aus Vermieterpfandrechten (Staud/Avenarius § 2115 Rz 7, bestritten). Unzulässig ist analog § 394 auch die Aufrechnung durch Nachlassschuldner mit Forderungen gegen den Vorerben persönlich (RGZ 80, 1, 7; Staud/Avenarius § 2115 Rz 4).
B. Rechtswirkungen.
Rn 4
Die Vollstreckungsmaßnahmen sind im Nacherbfall grds unwirksam, soweit sie das Nacherbenrecht vereiteln oder beeinträchtigen würden. Sie sind auch unwirksam, soweit der Vorerbe befreit ist; eine Befreiung von § 2115 ist nicht möglich. Sie sind auch unwirksam, soweit der Vorerbe ohne Zustimmung des Nacherben verfügen könnte (MüKo/Lieder § 2115 Rz 2), da sonst die Rechte wirkungslos wären, die dem Nacherben in den §§ 2130f eingeräumt sind.
Rn 5
Die Zwangsvollstreckung als solche ist jedoch zunächst zulässig, soweit sie zur Sicherung des Gläubigers führt, also zur Begründung des Pfändungspfandrechts, zur Eintragung der Sicherungshypothek aus § 866 ZPO, zu bloßer Beschlagnahme des Grundstücks gem § 20 ZVG und zur Zwangsverwaltung als solcher; auch die Beschlagnahmewirkung in der Insolvenz gem § 80 InsO tritt ein (Staud/Avenarius § 2115 Rz 2). Überhaupt bleiben bloße Sicherungsmaßnahmen zulässig. Unwirksam ist nur die Verwertung, insb die Überweisung oder Veräußerung.
C. Schutz des Nacherben.
Rn 6
Der Nacherbe ist in der Einzelzwangsvollstreckung vor dem Nacherbfall durch § 773 ZPO geschützt. Zudem kommt die Einstellung des Zwangsvollstreckungsverfahrens in Betracht, bis Klarheit über die Zulässigkeit des Gläubigerzugriffs herrscht, insb also darüber, ob der Nacherbfall überhaupt eintritt (Staud/Avenarius § 2115 Rz 16, 18).
Rn 7
In der Insolvenz des Vorerben, in der der Nachlass zur Masse gehört, hat der Nacherbe vor dem Nacherbfall noch kein Aussonderungsrecht. Indessen muss sich die Verwaltungstätigkeit des Insolvenzverwalters auf die Nutzungen beschränken, die dem Vorerben gebühren und mithin seinen Eigengläubigern zugute kommen (Staud/Avenarius § 2115 Rz 21). Nach Eintritt des Nacherbfalls kann der Nacherbe die Aufhebung der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen verlangen (arg § 47 InsO; MüKo/Lieder § 2115 Rz 15).
D. Zulässige Vollstreckungsmaßnahmen.
Rn 8
Nicht beschränkt ist die Zwangsvollstreckung wegen der dem Vorerben gebührenden Nutzungen.
Rn 9
Nicht beschränkt sind ferner die Zwangsvollstreckung und der Insolvenzbeschlag zur Durchsetzung von Rechten, die auch der Nacherbe gegen sich gelten lassen muss. Dies sind zum einen die Ansprüche der Nachlassgläubiger. Deshalb sind auch Verfügungen des Insolvenzverwalters zur Befriedigung von Nachlassgläubigern wirksam; ein Duldungstitel gegen den Nacherben ist nicht erforderlich. Dies betrifft zum anderen die Geltendmachung von Rechten an Nachlassgegenständen, die im Nacherbfall auch dem Nacherben ggü wirken, die also entweder der Erblasser oder der Vorerbe nach § 2113 wirksam begründet hat (RGZ 133, 263).