Prof. Dr. Gottfried Schiemann
Gesetzestext
(1) 1Der Testamentsvollstrecker hat Nachlassgegenstände, deren er zur Erfüllung seiner Obliegenheiten offenbar nicht bedarf, dem Erben auf Verlangen zur freien Verfügung zu überlassen. 2Mit der Überlassung erlischt sein Recht zur Verwaltung der Gegenstände.
(2) Wegen Nachlassverbindlichkeiten, die nicht auf einem Vermächtnis oder einer Auflage beruhen, sowie wegen bedingter und betagter Vermächtnisse oder Auflagen kann der Testamentsvollstrecker die Überlassung der Gegenstände nicht verweigern, wenn der Erbe für die Berichtigung der Verbindlichkeiten oder für die Vollziehung der Vermächtnisse oder Auflagen Sicherheit leistet.
Rn 1
Mit der Anordnung der Testamentsvollstreckung wird der Erblasser vielfach die Erben nicht gänzlich vom Nachlass ausschließen wollen. Eine Verpflichtung zur Ausschüttung von Erträgen ergibt sich im allg schon aus § 2216 I. IÜ kann nach § 2217 I der Erbe die Herausgabe von Nachlassgegenständen unter den dort genannten Voraussetzungen verlangen, wenn der Erblasser nichts Gegenteiliges angeordnet hat (vgl § 2220). Weitergehend sieht die hM (BGHZ 56, 275, 284; Staud/Dutta Rz 10 mwN) die Freigabe an die Erben grds als ausgeschlossen an, wenn Dauervollstreckung angeordnet ist. Auch insofern kommt es jedoch auf den Zweck an, den der Erblasser mit der Vollstreckung verfolgt: Wenn sich die Anordnung auf den ganzen Nachlass bezieht (der Erblasser also von § 2208 keinen Gebrauch gemacht hat), der Zweck aber zB die Erhaltung des Grundbesitzes ist, kann den Erben nach Begleichung aller Nachlassverbindlichkeiten einschließlich der ErbSt sehr wohl der Anspruch aus § 2217 I hinsichtlich des Mobiliar- und Wertpapiervermögens zustehen.
Rn 2
Das Verlangen gem § 2217 I muss von allen Erben geltend gemacht werden. Erbe und Testamentsvollstrecker gemeinsam können sich, soweit § 2216 I nicht entgegen steht, auch über § 2217 hinaus auf eine Teil-Auseinandersetzung einigen. Besteht der Freigabeanspruch, können die Erben gegen den Testamentsvollstrecker klagen. Dabei ist str, ob es sich um eine Amtsklage oder eine persönliche Klage (so OGHZ 2, 45, 48) handelt. Da der Anspruch aus dem Nachlass zu erfüllen ist, dürfte die Amtsklage der richtige Weg sein (NK/Kroiß § 2213 Rz 18 mwN). Ein Zurückbehaltungsrecht wegen des Anspruchs aus § 2221 will die überwiegende Meinung (vgl nur NK/Kroiß Rz 8 mwN) dem Testamentsvollstrecker nicht erlauben, jedoch zu Unrecht, soweit die Verwirklichung dieses Anspruchs aus dem Nachlass sonst gefährdet wäre. Freilich kann der Erbe das Zurückbehaltungsrecht durch Sicherheitsleistung nach II abwenden.
Rn 3
Die Erfüllung des Freigabeverlangens erfolgt durch einseitiges Rechtsgeschäft des Testamentsvollstreckers ggü dem Erben (München FamRZ 12, 65, str). Dies kann zB konkludent durch Überlassung eines Handelsgeschäfts an die Erben zur Führung im eigenen Namen geschehen (BGHZ 12, 100, 104). Lagen die Freigabevoraussetzungen nicht vor, tritt die Wirkung des I 2 (Erlöschen der Verwaltungs-, Verfügungs- und Prozessführungsbefugnis) dennoch ein. Der Testamentsvollstrecker hat jedoch für den Nachlass einen Herausgabeanspruch nach § 812 I 1 Alt 1 (BGH ErbR 17, 552). Will der Erblasser sicher gehen, dass sich Erben und Testamentsvollstrecker nicht durch freiwillige Überlassung von Nachlassgegenständen über seinen Willen hinwegsetzen, muss er Straf- und Verwirkungsklauseln ggü Testamentsvollstrecker und Erben verwenden. Ein für diesen Fall eingesetzter neuer Testamentsvollstrecker braucht sich bei seinem Herausgabeverlangen nicht das Wissen seines Vorgängers nach § 814 zurechnen zu lassen (NK/Kroiß Rz 19 mwN).
Rn 4
Die nach II mögliche Freigabe gegen Sicherheitsleistung an den Testamentsvollstrecker oder den betroffenen Nachlassgläubiger ist ausdrücklich ausgeschlossen ua bei Vermächtnissen, weil der Testamentsvollstrecker dieser Gegenstände zur Erfüllung des Vermächtnisanspruchs bedarf. Dies gilt aber ua nicht bei bedingten Vermächtnissen, weil sie bis zum Eintritt der Bedingung oder von diesem Zeitpunkt an dem Testamentsvollstrecker zu seiner Verwaltung überlassen sind. Nach diesem Sinn der Vorschrift ist eine Unterausnahme zu machen, wenn nach Eintritt der auflösenden Bedingung der Gegenstand an einen Dritten (Nachvermächtnisnehmer) fallen soll: Dann auch gegen Sicherheitsleistung keine Freigabe (Staud/Dutta Rz 23).