Prof. Dr. Gottfried Schiemann
Gesetzestext
Das Nachlassgericht kann den Testamentsvollstrecker auf Antrag eines der Beteiligten entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung.
Rn 1
Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes (nur beispielhaft grobe Pflichtverletzung und Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung) können die Beteiligten (außer den Erben und Erbteilserwerbern auch Vermächtnisnehmer, Pflichtteilsberechtigte, die Berechtigten aus dem Vollzug einer Auflage und ein Mitvollstrecker, Staud/Dutta § 2198 Rz 21 ff mwN und § 2227 Rz 26, nach Hamm FamRZ 09, 2120 auch der Miterbe, dessen Anteil nicht der Testamentsvollstreckung unterliegt) nicht dem Testamentsvollstrecker kündigen, sondern nur einen Entlassungsantrag (nicht den Antrag auf Aufhebung der Testamentsvollstreckung überhaupt) beim Nachlassgericht stellen. Das Verfahren vor dem Nachlassgericht kann durch Vereinbarung zwischen Testamentsvollstrecker und Erben (nicht: durch Anordnung des Erblassers, BGH NJW 17, 2112 [BGH 17.05.2017 - IV ZB 25/16]) einem Schiedsgericht übertragen werden.
Rn 2
Eine Pflichtverletzung kommt nur bei Verschulden des Testamentsvollstreckers in Betracht. Schon leichtes Verschulden genügt, wenn die Pflichtverletzung sehr erheblich ist. Allerdings hat der Testamentsvollstrecker für seine Maßnahmen ein weitreichendes Ermessen, insb bei unternehmerischen Entscheidungen (vgl § 2216 Rn 2). Eine erhebliche Pflichtverletzung liegt aber zB vor bei völliger Untätigkeit (BayObLG ZEV 99, 226), Nichterfüllung eines Vermächtnisses (BayObLG FamRZ 01, 124), unterlassener Mitteilung oder zu später Aufstellung eines Nachlassverzeichnisses mit Gefährdung der Interessen der Beteiligten (BayObLG FamRZ 02, 989; München FamRZ 09, 814), Nichteinhaltung von Zusagen an die Erben (BayObLG FamRZ 00, 193), Bevorzugung eigener Interessen vor denjenigen der Erben (BayObLG ZEV 00, 315; Ddorf NJW-RR 13, 331) oder grober Ungleichbehandlung der Erben (BGHZ 25, 275, 284), unterlassener Trennung des Nachlasses vom eigenen Vermögen (München NJW 23, 2949).
Rn 3
Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung ist auch ohne Verschulden ein Entlassungsgrund. Sie ist nicht nur im Sinne mangelnder Qualifikation für die Vollstreckertätigkeiten zu verstehen, sondern kann auch bei Krankheit oder längerer Abwesenheit vorliegen (BayObLG FamRZ 91, 615). Insolvenz des Testamentsvollstreckers ist ein weiteres Bsp dieser Unfähigkeit (Staud/Dutta Rz 11 mwN).
Rn 4
Als weitere Fallgruppen eines wichtigen Grundes werden genannt: Umstände, die den Erblasser mutmaßlich dazu veranlasst hätten, den Testamentsvollstrecker nicht zu benennen oder seine Einsetzung zu widerrufen (Hamm ZEV 01, 278; NK/Kroiß Rz 11 mwN); Zerwürfnisse bis hin zu offener Feindschaft zwischen Testamentsvollstrecker und Erben oder anders begründetes tiefgreifendes Misstrauen in die unparteiliche Amtsführung (BayObLG FamRZ 04, 740), obwohl das Amt des Testamentsvollstreckers grds nicht auf einem Vertrauensverhältnis zwischen Testamentsvollstrecker und Erben beruht (NK/Kroiß Rz 12 mwN); ein Interessengegensatz solchen Ausmaßes zwischen Erben und Testamentsvollstrecker, dass ein erfolgreiches Wirken des Testamentsvollstreckers überhaupt ausgeschlossen scheint oder eine dringende Gefahr droht, dass er die Interessen des Erben grob missachtet (vgl BayObLG ZEV 02, 155 [BayObLG 11.07.2001 - 1 Z BR 131/00]). Gerade im letzten Fall ist eine besonders sorgfältige Abwägung angebracht, um nicht den natürlichen Interessengegensatz zwischen Testamentsvollstrecker und Erben in die Nähe des Entlassungsgrundes zu rücken (NK/Kroiß Rz 14 mwN).
Rn 5
Die Entscheidung, die vom Richter nach pflichtgemäßem Ermessen gefällt wird (§ 16 I Nr 5 RpflG), kann nur entweder die Entlassung des Testamentsvollstreckers oder die Ablehnung des Antrages zum Inhalt haben. ›Zwischenlösungen‹ sind nicht vorgesehen (NK/Kroiß Rz 16 mwN). Die Anhörung des Testamentsvollstreckers nach II ist wegen Art 103 I GG zwingend. Rechtsmittel ist für den Testamentsvollstrecker, der nach § 345 IV Nr 2 FamFG Beteiligter ist, nach §§ 58, 59 I FamFG, für den Antragsteller nach §§ 58, 59 II FamFG die Beschwerde. Die Entscheidung des Nachlassgerichts ist dem Testamentsvollstrecker und dem Antragsteller nach §§ 69 III, 41 I 1 FamFG bekannt zu geben. Eine Wiedereinsetzung des Testamentsvollstreckers nach rechtskräftiger Entlassung ist nicht möglich, aber eine neue Ernennung nach §§ 2198–2000.