Prof. Dr. Martin Avenarius
Rn 4
Das Erfordernis der eigenhändig geschriebenen Erklärung soll dazu dienen, dass die Echtheit des Testaments mit Hilfe der jeweils charakteristischen Handschrift geprüft werden kann. Der Erblasser muss deshalb den gesamten (Stuttg ZEV 15, 220 [OLG Stuttgart 21.10.2014 - 8 W 387/14]) Testamentswortlaut selbst mit der Hand niedergeschrieben haben, und sei es mit der ›schreibungewohnten‹ Hand (Köln 3.8.17 – Wx 149/17). Behinderte können entspr mittels Prothese, Mund, Fuß oä schreiben. Ein Erblasser, der die Schriftzüge nicht mehr aktiv herstellen kann, ist nicht mehr schreibfähig (BGH NJW 81, 1901 [BGH 12.03.1981 - IVa ZR 111/80]). Ein Pfeildiagramm ist nicht Schrift (Frankf ZEV 13, 334), mechanische Schrift (etwa Schreibmaschine) nicht eigenhändig (BGHZ 47, 70). Gleiches gilt für eine Fotokopie (Karlsr NJW-RR 03, 654), mit deren Hilfe lediglich ggf bei Verlust der Urkunde Errichtung und Inhalt des Testaments bewiesen werden können (Rostock FamRZ 22, 139; Ddorf NJW-RR 21, 734; Gehrlein ZEV 23, 651; vgl § 2356). Ein Testament in Blindenschrift ist kein eigenhändiges, weil auch bei manuell gefertigter Punktschrift die Individualisierung nicht möglich ist (Schulze DNotZ 55, 629; Werner DNotZ 72, 8); ein Blinder muss daher notariell testieren (s.o. § 2233 Rn 2). Ein teils eigenhändig, teils maschinenschriftlich errichtetes Testament ist grds hinsichtlich des eigenhändigen Teils gültig, wenn er als selbstständige Verfügung einen abgeschlossenen Sinn ergibt (§ 2085; Zweibr NJW-RR 03, 872 [OLG Zweibrücken 17.04.2003 - 3 W 48/03]; BayObLG NJW-RR 05, 1025 [BayObLG 09.03.2005 - 1 Z BR 112/04]). Zu den Voraussetzungen für die Anerkennung eines digitalen eigenhändigen Testaments Hergenröder ZEV 18, 7.
Rn 5
Eine mittels Kohlepapiers gefertigte Durchschrift eines eigenhändigen Testaments ist formgerecht und kann gültiges Testament sein, wenn sie auf ernstlichem Testierwillen beruht und nicht nur Entwurf oder bloße Abschrift ist (BGHZ 47, 68; KG FamRZ 95, 897), sondern Testamentsurschrift. Es genügt nicht, dass der Erblasser die von einem Dritten vorgegebenen Schriftzüge lediglich durchpaust (BGHZ 47, 71). Die Feststellungslast dafür, dass der Erblasser eine Urschrift herstellen wollte, trägt ggf derjenige, der sich auf das Schriftstück beruft (BayObLG Rpfleger 81, 282).
Rn 6
Wirkt ein Dritter bei der Niederschrift des (körperlich geschwächten) Erblassers mit, so ist Eigenhändigkeit nur dann gegeben, wenn der Erblasser die Schriftzüge selbstständig formt. Unter dieser Voraussetzung ist es unschädlich, wenn der Dritte etwa Arm oder Hand des Erblassers stützt (vgl BGHZ 47, 68; Hamm NJW-RR 02, 222). Bildet der Dritte die Schriftzüge dagegen selbst, indem er dem Erblasser die Hand führt, so erfolgt die Niederschrift nicht eigenhändig (BGH NJW 81, 1900). Es ändert nichts, wenn der Text vom Willen des Erblassers getragen ist (Hamm ZEV 13, 42). Ebenso gelten Abschnitte des Textes, die von der Hand des Dritten herrühren, oder Ergänzungen desselben als nicht geschrieben. Sie führen nicht etwa zur Ungültigkeit des gesamten Testaments, wenn sich nicht ergibt, dass der Erblasser die übrigen Verfügungen nicht ohne die unwirksamen Abschnitte getroffen hätte (BayObLG FamRZ 86, 727). Durch Dritte hergestellte Niederschriften sind auch dann unwirksam, wenn sie nach Weisung des Erblassers angefertigt sind und dessen Unterschrift tragen (Hamm NJW-RR 02, 222; vgl BayObLG FamRZ 90, 442).
Rn 7
Unwirksam sind Verfügungen, die nicht zumindest für einen Sachverständigen lesbar sind (BayObLG Rpfleger 01, 181; Schlesw FamRZ 16, 583). Dies gilt auch dann, wenn das Gewollte durch außerhalb der Urkunde liegende Umstände ermittelt werden kann (Hamm FamRZ 92, 356; KG FGPrax 98, 111). Hat der Erblasser eine Geheimschrift benutzt, zu deren Entzifferung auf einen außerhalb der Urkunde dokumentierten Schlüssel zurückgegriffen werden muss, ist sein Wille objektiv erkennbar schriftlich niedergelegt und damit formwirksam erklärt (Musielak FamRZ 92, 358). Späteres Unlesbarwerden eines anfänglich lesbaren Textes führt nicht zur Nichtigkeit der Verfügungen; hier muss das Erklärte ggf ermittelt und bewiesen werden.