Prof. Dr. Martin Avenarius
Gesetzestext
(1) Der Erblasser kann ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten.
(2) Der Erblasser soll in der Erklärung angeben, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) und an welchem Ort er sie niedergeschrieben hat.
(3) 1Die Unterschrift soll den Vornamen und den Familiennamen des Erblassers enthalten. 2Unterschreibt der Erblasser in anderer Weise und reicht diese Unterzeichnung zur Feststellung der Urheberschaft des Erblassers und der Ernstlichkeit seiner Erklärung aus, so steht eine solche Unterzeichnung der Gültigkeit des Testaments nicht entgegen.
(4) Wer minderjährig ist oder Geschriebenes nicht zu lesen vermag, kann ein Testament nicht nach obigen Vorschriften errichten.
(5) 1Enthält ein nach Absatz 1 errichtetes Testament keine Angabe über die Zeit der Errichtung und ergeben sich hieraus Zweifel über seine Gültigkeit, so ist das Testament nur dann als gültig anzusehen, wenn sich die notwendigen Feststellungen über die Zeit der Errichtung anderweit treffen lassen. 2Dasselbe gilt entsprechend für ein Testament, das keine Angabe über den Ort der Errichtung enthält.
A. Allgemeines.
Rn 1
Das eigenhändige Testament (Lange MDR 23, 78) setzt voraus, dass der Erblasser den Text mit eigener Hand niederschreibt und unterschreibt (I). Die Formvorschriften bestehen zwingend und können durch den favor testamenti (§ 2084) nicht gemildert werden; bei einem Verstoß liegt kein wirksames eigenhändiges Testament vor (§ 125). Die Form ist gewahrt, wenn zum Todeszeitpunkt eine eigenhändig geschriebene Erklärung des Erblassers existiert, wobei sich die Unterschrift auf die gesamten Verfügungen beziehen muss. Der Ausdruck ›Testament‹ oä muss nicht verwendet werden. Ebenso wenig ist eine Einheitlichkeit des Errichtungsakts (unitas actus) erforderlich (BayObLG FamRZ 99, 1392; vgl BGH NJW 74, 1083). Der Gültigkeit steht also nicht entgegen, dass der Erblasser die einzelnen Verfügungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgefasst hat, sofern er sie nur am Ende in ihrer Gesamtheit als seine letztwillige Verfügung wollte (hM, vgl Karlsr NJW-RR 03, 653). Auch kann die Unterschrift deutlich später als die Niederschrift erfolgen (BayObLGZ 84, 194; FamRZ 99, 1392). IÜ ist die Sprache, wenn der Erblasser sie beherrscht, ebenso gleichgültig (Zweibr FamRZ 92, 609) wie die Schriftart (etwa Kurzschrift), sofern die Individualisierung nicht objektiv ausgeschlossen ist. Die äußere Form des Textes ist gleichgültig; es genügt insoweit, dass die Erklärung mit Filzstift auf eine Tischplatte geschrieben wird (Köln ZEV 21, 101 [OLG Köln 23.09.2020 - 2 Wx 189/20]) oder mit Bleistift an die Wand (AG München bei Staud/Firsching [12. Aufl 1983], Rz 33). Vgl Muscheler ErbR 23, 418. Wegen des Testierwillens vgl u Rn 20. Nur digital gespeicherte, etwa mit dem Stylus auf einem Tablet geschriebene Worte genügen dagegen nicht (vgl Scholz AcP 219, 100; Grziwotz MDR 23, 397).
Rn 2
Von der Errichtung eines eigenhändigen Testaments ausgeschlossen (IV) sind Minderjährige (§ 2) und Leseunfähige (§ 2233 I, II).
Rn 3
Das eigenhändige Testament wird auf Verlangen des Erblassers von jedem Amtsgericht amtlich verwahrt (§ 2248u § 344 I 2 FamFG). Aus der Verwahrung kann es der Erblasser jederzeit wieder zurücknehmen; dies hat auf die Gültigkeit des Testaments keinen Einfluss (§ 2256 II, III).
B. Eigenhändig geschriebene Erklärung.
I. Eigenhändige Niederschrift.
Rn 4
Das Erfordernis der eigenhändig geschriebenen Erklärung soll dazu dienen, dass die Echtheit des Testaments mit Hilfe der jeweils charakteristischen Handschrift geprüft werden kann. Der Erblasser muss deshalb den gesamten (Stuttg ZEV 15, 220 [OLG Stuttgart 21.10.2014 - 8 W 387/14]) Testamentswortlaut selbst mit der Hand niedergeschrieben haben, und sei es mit der ›schreibungewohnten‹ Hand (Köln 3.8.17 – Wx 149/17). Behinderte können entspr mittels Prothese, Mund, Fuß oä schreiben. Ein Erblasser, der die Schriftzüge nicht mehr aktiv herstellen kann, ist nicht mehr schreibfähig (BGH NJW 81, 1901 [BGH 12.03.1981 - IVa ZR 111/80]). Ein Pfeildiagramm ist nicht Schrift (Frankf ZEV 13, 334), mechanische Schrift (etwa Schreibmaschine) nicht eigenhändig (BGHZ 47, 70). Gleiches gilt für eine Fotokopie (Karlsr NJW-RR 03, 654), mit deren Hilfe lediglich ggf bei Verlust der Urkunde Errichtung und Inhalt des Testaments bewiesen werden können (Rostock FamRZ 22, 139; Ddorf NJW-RR 21, 734; Gehrlein ZEV 23, 651; vgl § 2356). Ein Testament in Blindenschrift ist kein eigenhändiges, weil auch bei manuell gefertigter Punktschrift die Individualisierung nicht möglich ist (Schulze DNotZ 55, 629; Werner DNotZ 72, 8); ein Blinder muss daher notariell testieren (s.o. § 2233 Rn 2). Ein teils eigenhändig, teils maschinenschriftlich errichtetes Testament ist grds hinsichtlich des eigenhändigen Teils gültig, wenn er als selbstständige Verfügung einen abgeschlossenen Sinn ergibt (§ 2085; Zweibr NJW-RR 03, 872 [OLG Zweibrücken 17.04.2003 - 3 W 48/03]; BayObLG NJW-RR 05, 1025 [BayObLG 09.03.2005 - 1 Z BR 112/04]). Zu den Voraussetzungen für die Anerkennung eines digitalen eigenhändigen Testaments Hergenr...