Rn 16
Der Anspruch auf Wertermittlung bezweckt nicht, verbindlich den Wert des Nachlassgegenstands im Zeitpunkt des Erbfalls festzulegen, sondern soll dem Pflichtteilsberechtigten die Beurteilung des Risikos eines Rechtsstreits über den Pflichtteil erleichtern (BGH NJW 22, 192 [BGH 29.09.2021 - IV ZR 328/20] Rz 8). Er ist vom Auskunftsanspruch streng zu unterscheiden (BGH NJW 84, 487, 488 [BGH 09.11.1983 - IVa ZR 151/82]) und ggü diesem selbstständig (Frankf NJW-RR 94, 8, 9 [OLG Düsseldorf 23.03.1993 - 6 UF 4/92]). Vom Wissen und den Vorstellungen des Verpflichteten über den Wert ist er unabhängig (Rn 1; BGH NJW 90, 180 [BGH 04.10.1989 - IVa ZR 198/88]). Er zielt idR gerade darauf, dass der Verpflichtete die Wertermittlung veranlasst und duldet. Auch schließt ein im nahen zeitlichen Zusammenhang erzielter Kaufpreis (s BGH NJW 11, 1004 [BGH 25.11.2010 - IV ZR 124/09]) den Anspruch nicht aus, da alle Angaben zur Wertermittlung geschuldet werden (Frankf ZEV 11, 379 [OLG Schleswig 25.01.2011 - 3 U 36/10]) und der Nachweis möglich bleiben muss, dass der Veräußerungserlös nicht dem Verkehrswert (§ 2311) entspricht (BGH NJW 22, 192 Rz 9, 11). Bei wertlosem Nachlass kann der Erbe die Einholung des Gutachtens auf eigene Kosten verweigern (§ 1990 I 1; BGH NJW 89, 2887). Ansonsten wird der Nachlasswert auf Kosten des Nachlasses (II) idR durch Gutachten eines unparteiischen, nicht notwendig öffentlich vereidigten (BGH NJW 22, 192 [BGH 29.09.2021 - IV ZR 328/20] Rz 12) Sachverständigen ermittelt (BGH NJW 75, 258 f [BGH 30.10.1974 - IV ZR 41/73]; 89, 2887 [BGH 19.04.1989 - IVa ZR 85/88]). Sein Gutachten hilft, die Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits einzuschätzen (BGH NJW 61, 602, 604 [BGH 02.11.1960 - V ZR 124/59]; Karlsr ZEV 04, 468 [OLG Karlsruhe 09.07.2004 - 1 U 206/03]). In einem späteren Pflichtteilsprozess stellt es substantiiertes Parteivorbringen dar (BGH NJW 89, 2787, 2888; s.a. Karlsr aaO). Da der Wert idR (zu Kunstgegenständen aber Köln NJW 06, 625, 626 [OLG Köln 05.10.2005 - 2 U 153/04]) methodenabhängig (§ 2311 Rn 12) ist, hat ihn der Sachverständige unter Beachtung aller sinnvollen Bewertungsmethoden unter Berücksichtigung des Verkehrswerts und des Stichtagsprinzips zu ermitteln (München NJW-RR 88, 390 [OLG München 15.01.1988 - 14 U 572/87]) und dabei die von ihm für vorzugswürdig erachtete Methode zu benennen (vgl KG-Rp 99, 90, 91). Der Wertermittlungsanspruch setzt voraus, dass der Gegenstand, dessen Wert ermittelt werden soll, zum realen oder fiktiven Nachlass gehört (Schlesw ZEV 07, 277 [OLG Schleswig 15.08.2006 - 3 U 63/05]). Fällt nur ein Anteil in den Nachlass, erstreckt sich der Wertermittlungsanspruch nur hierauf (BGH NJW 22, 192 [BGH 29.09.2021 - IV ZR 328/20] Rz 12). Dafür trägt der Pflichtteilsberechtigte die Darlegungs- und Beweislast (BGH 31.10.18 – IV ZR 313/17 Rz 24; NJW 84, 487, 488; 86, 1755, 1756 [BGH 26.02.1986 - IVa ZR 87/84]). Problematisch ist dieser Nachweis bei gemischten Schenkungen, wenn dem Berechtigten genaue Kenntnis des Werts der Zuwendung und Gegenleistung fehlt (Baumgärtel JR 84, 199, 202). Denn nach der Rspr reicht der Wertermittlungsanspruch des pflichtteilsberechtigten Nichterben nicht so weit, dass der begründete Verdacht einer unter § 2325 fallenden Schenkung genügen würde, um eine Wertermittlung durch einen Sachverständigen auf Kosten des Nachlasses zu erreichen. Es müsse der Pflichtteilsberechtigte darlegen und beweisen, dass unter Berücksichtigung von Leistung und Gegenleistung eine zumindest gemischte Schenkung vorliegt (BGH NJW 84, 487 [BGH 09.11.1983 - IVa ZR 151/82]; 86, 127; 02, 2469, 2470; Köln ZEV 08, 383, 385; Frankf 24.7.12 – 11 U 117/10; Schlesw NZG 12, 1423 [OLG Schleswig 27.03.2012 - 3 U 39/11]). Wenn der Pflichtteilsberechtigte die Kosten selbst übernehme, genügten für den Anspruch auf Wertermittlung greifbare Anhaltspunkte für eine unentgeltliche Verfügung (BGH NJW 93, 2737 [BGH 02.06.1993 - IV ZR 259/92]; 02, 2469, 2470 [BGH 17.04.2002 - IV ZR 259/01]). Eine Beweiserleichterung besteht bei einem groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (§ 2325 Rn 10). Nach aA solle der Nachweis der Schenkung durch eine grobe Überschlagsrechnung möglich sein (BeckOKBGB/Müller Rz 28; MüKo/Lange Rz 21; Dieckmann FamRZ 84, 880).
I. Anspruchsberechtigter.
Rn 17
Anspruchsberechtigt ist grds der pflichtteilsberechtigte Nichterbe (BGH NJW 90, 180 [BGH 04.10.1989 - IVa ZR 198/88]; 93, 2737 [BGH 02.06.1993 - IV ZR 259/92]) und, wie beim Auskunftsanspruch, ausnahmsweise nach § 242 der pflichtteilsberechtigte Erbe gegen den Beschenkten (Rn 2; Staud/Herzog Rz 137), wobei hier bzgl des Pflichtteilsergänzungsanspruchs anders als nach § 2314 I 2 genügt, dass für ihn greifbare Anhaltspunkte vorliegen (Rn 16; BGH NJW 86, 127, 128; 93, 2737). Der Beschenkte ist aber erst dann zur Wertermittlung verpflichtet, wenn die vorrangige Pflicht des Erben nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat (Dieckmann NJW 88, 1809, 1816, 1819). Die Kosten der Wertermittlung (I 2) dürfen dem Beschenkten nicht auferlegt...