Rn 4
Das AG (und als Beschwerdeinstanz das OLG) entscheidet im Erbscheinsverfahren als Vorfrage über das Erbrecht durch Feststellungsbeschluss (Rn 26 f). Dieser erwächst, wenn keine Rechtsmittel mehr möglich ist, insb weil die Beschwerdefrist (§ 63 FamFG) abgelaufen ist, in formelle Rechtskraft (§ 45 FamFG), vgl § 352e II 2 FamFG. Bei unveränderter Sachlage steht nach vorheriger Abweisung einem nochmaligen identischen Antrag auf Erbscheinserteilung die Rechtskraft entgegen (MüKo/Grziwotz Rz 77; str), nicht aber, da der Feststellungsbeschluss das materielle Erbrecht unberührt lässt, einer Klage auf Feststellung des Erbrechts (BGH ZEV 10, 468, 469 [BGH 14.04.2010 - IV ZR 135/08]). Der Erbschein selbst ist kein Beschl iSd § 38 FamFG. Als Vollziehung der zu Grunde liegenden Erbscheinserteilungsanordnung bezeugt er lediglich die Erbenstellung zur Zeit des Erbfalls. Er hat keine Gestaltungswirkung (BGHZ 47, 58, 66), erwächst nicht in materielle Rechtskraft (BayObLG FamRZ 86, 1151) und ändert an der Erbfolge materiell nichts (BayObLG FamRZ 04, 313, 314; KG Rpfleger 04, 101, 102; zum Notarhaftungsprozess Schlesw 21.2.13 – 11 U 4/12). Es kann jederzeit die Erteilung eines vom bereits erteilten Erbschein abweichenden Erbscheins beantragt werden. Für den Streit um das Erbrecht zwischen den Erbprätendenten entfaltet der Ausgang des Erbscheinsverfahrens keine präjudizielle Wirkung (BVerfG ZEV 06, 74 [BVerfG 29.08.2005 - 1 BvR 219/05]; BGH NJW 83, 277, 278 [BGH 22.09.1982 - IVa ZR 26/81]; 93, 2171, 2172). Er bezeugt nur die Zuordnung der Erbschaft als solche, nicht ihre einzelnen Bestandteile. Die Aufnahme einzelner Gegenstände ist vielmehr grds unzulässig (BayObLG FamRZ 98, 1262). Ausnahmen gelten für den Erbschein iSv § 352c FamFG (§ 2369 aF), das Höferecht und bei Heimstättenfolge. Der Erbschein bzw dessen Ausfertigung ist eine öffentliche Urkunde iSd §§ 271f StGB (BGH NJW 64, 558 [BGH 27.08.1963 - 5 StR 260/63]) und iSd § 417 ZPO (MüKo/Grziwotz Rz 6). Er hat im Rechtsstreit die Vermutung der Echtheit gem § 437 ZPO für sich, bezeugt aber keine Tatsachen iSd § 418 ZPO (NK/Kroiß Rz 4), sondern bescheinigt nur die Erbfolge. Er ist auch keine für die Restitutionsklage beachtliche Urkunde iSd § 580 Nr 7b ZPO (BVerwG NJW 65, 1292f [BVerwG 16.03.1965 - BVerwG III C 122.64]). Ist ein Erbrechtsstreit anhängig, kommt Aussetzung (§ 148 ZPO) in Betracht (BeckOKBGB/Siegmann/Höger Rz 37; Staud/Herzog Rz 473). Denn das Nachlassgericht ist im Erbscheinerteilungsverfahren an ein rk Urt (s § 256 ZPO; § 2342 II) des Prozessgerichts (auch: Versäumnis- [BGH 26.4.23 – IV ZB 11/22 Rz 7 ff., 15; Köln 27.4.22 – 2 Wx 72/22; Frankf 7.5.15 – 20 W 371/13] oder Anerkenntnisurteil; s.a. Zimmermann ZEV 10, 457, 461) über das Erbrecht gebunden, soweit sich zwischen den Parteien (Frankf FGPrax 19, 223) nach §§ 325 ff ZPO die Rechtskraft erstreckt (München NJW 16, 2512 Rz 17; BayObLG FamRZ 99, 334, 335; aA KG FamRZ 96, 1575). Dagegen kommt eine Aussetzung des Zivilprozesses wegen des laufenden Erbscheinsverfahrens nicht in Betracht (Rostock 30.3.23 – 3 W 30/23 Rz 14f). Keine Bindung besteht an einen Feststellungsbeschluss iSd § 352e I FamFG (Rn 25 f), so dass bei veränderter Sachlage ein abweichender Erbschein erteilt werden kann (und der ältere eingezogen werden muss), und bei einer auf § 2018 gestützten Klage. Ggü dritten Erbrechtsprätendenten besteht generell keine Bindung (München aaO Rz 16). Das Prozessgericht kann nicht durch einstweilige Verfügung dem Nachlassgericht die Aushändigung des Erbscheins verbieten, aber dem Besitzer aufgeben, vom Erbschein keinen Gebrauch zu machen oder ihn an sicherer Stelle abzuliefern (§ 49 II FamFG; BGHZ 30, 317; 40, 54, 59; Köln OLGZ 90, 303). Die Vermutung des § 2365 und der öffentliche Glaube (§§ 2366f) berührt das allerdings nicht.