Rn 6
Statt durch Erbschein oder zusätzlich können Erbprätendenten ihr Erbrecht im Wege des Zivilprozesses durch Urt feststellen lassen (vgl § 256 ZPO; BVerfG ZEV 20, 489 [BVerfG 25.05.2020 - 1 BvR 1060/20] Rz 4 f; München 9.6.21 – 7 U 4638/15). Der Erbe ist grds nicht verpflichtet, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen. Er kann diesen Nachweis in anderer Form erbringen (BGH FamRZ 05, 515, 516; NJW 05, 2779, 2780; 8.10.13 – XI ZR 401/12 Rz 24). Ein Schuldner darf seine Zahlung nicht generell, ohne konkrete berechtigte Zweifel an der Erbfolge (dazu Muscheler Jura 09, 567, 574), von der Vorlage eines Erbscheins abhängig machen, um der Gefahr doppelter Inanspruchnahme (vgl § 2367) zu begegnen (BGH aaO; NJW 16, 2409 [BGH 05.04.2016 - XI ZR 440/15] Rz 19); abweichende AGB, die eine Vorlagepflicht nicht auf Zweifelsfälle beschränken, sind gem § 307 I 1, II Nr 1 unwirksam (BGH 8.10.13 –XI ZR 401/12 Rz 30, 40; Günther NJW 13, 3681 ff); pflichtwidriges Verlangen (s Rn 10) kann Schadensersatzansprüche begründen (§ 280 I bzw §§ 280 I, II, 286 – BGH NJW 16, 2409 Rz 15 ff; zu den Kosten s.a. §§ 93, 94 ZPO und dazu KG FamRZ 09, 1701). Konkrete Zweifelsfälle (vgl Rn 8) dürften am ehesten bei älteren privatschriftlichen Verfügungen vTw (vgl § 2253) oder der Anwendung ausländischen Heimatrechts (Rn 22) in Frage kommen; ggf hilft hier Hinterlegung (§§ 372 ff). Ein eröffnetes (§ 2260 III) öffentliches Testament (in beglaubigter Abschrift) stellt idR einen ausreichenden Nachweis für das Erbrecht des Erben dar (BGH NJW 05, 2779, 2780 [BGH 07.06.2005 - XI ZR 311/04]).
Rn 7
Neben (Art 62 III 1 EuErbVO) die nationalen Zeugnisse tritt für ab dem 17.8.15 eingetretene Erbfälle (Art 84 II EuErbVO) das in der ab dem 17.8.15 geltenden EuErbVO (s IPR-Anh 9) geregelte Europäische Nachlasszeugnis (Döbereiner NJW 15, 2449 [BGH 27.11.2014 - I ZR 124/11]), das zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wird (Art 62 I EuErbVO), aber auch in dem Mitgliedstaat gilt, dessen Behörden es ausgestellt hat (Art 62 III 2, 69 I EuErbVO). Das Verfahren regeln Art 62 ff EuErbVO mit §§ 34 ff IntErbRVG; das IntErbRVG v 29.6.15 (BGBl I 2015, 1042) gibt die Durchführungsbestimmungen (dazu Dutta ZEV 15, 493). Gem § 35 I IntErbRVG gelten subsidiär die Vorschriften des FamFG. Voraussetzung ist ein Antrag. Antragsberechtigt sind Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass und Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter (Art 65 I, 63 I EuErbVO). Für den Antrag muss ein Formblatt genutzt werden (§ 39 II IntErbRVG); die erforderlichen Angaben richten sich nach Art 65 III EuErbVO. Aus Art 62 I EuErbVO folgert die hM, dass der Antragsteller substantiiert dargelegt müsse, dass er eine Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat beabsichtigt (zw; zu eng München NJW-RR 16, 1233 [OLG München 04.08.2016 - 34 Wx 139/16] Rz 18). Der Antragsteller muss nach Art 66 III EuErbVO iVm § 36 II IntErbRVG seine Angaben an Eides statt versichern, wenn ihm das nicht erlassen wird. Nach Art 66 IV 2 EuErbVO informiert gem § 34 IntErbRVG das Nachlassgericht bisher unbekannte Berechtigte durch öffentliche Bekanntmachung (vgl § 35 III IntErbRVG). Zuständig ist nach Art 4 EuErbVO das Gericht des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (und dessen Erbrecht daher gem Art 21 EuErbVO grds zur Anwendung kommt), iÜ gelten Art 7, 10 oder 11 EuErbVO (Art 64 EuErbVO; s zur Zuständigkeit des Nachlassgerichts § 34 Abs 1–3 IntErbRVG). Die Angaben des Antragstellers werden vAw überprüft (Art 66 I EuErbVO). Die Behörde stellt das Zeugnis (Inhalt: Art 68 EuErbVO) – Person mit berechtigtem Interesse erhalten beglaubigte Abschriften (Art 70 I EuErbVO) – aus, wenn der zu bescheinigende Sachverhalt feststeht und wenn keine Einwände gegen den zu bescheinigenden Sachverhalt anhängig sind und das Zeugnis nicht mit einer Entscheidung zum selben Sachverhalt unvereinbar ist (Art 67 I EuErbVO). Ein Feststellungsbeschluss (§ 352e FamFG) ist nicht vorgesehen. Die Ausstellung der Urschrift (§ 39 I 1 IntErbRVG) verbleibt bei Ausstellungsbehörde; erteilt wird auf Antrag eine beglaubigte (Art 70 I EuErbVO iVm § 33 Nr. 2 Alt 1 IntErbRVG). Wie beim Erbscheinsverfahren ist dagegen statthaft die Beschwerde zum OLG (§ 43 IntErbRVG) und nach § 44 IntErbRVG die Rechtsbeschwerde (Art 72 EuErbVO). Auch kann nach Art 73 EuErbVO die Wirkungen des Zeugnisses ausgesetzt werden. Die Wirkung (vgl MüKo/Grziwotz Rz 195) des Zeugnisses ist, dass es in allen Mitgliedstaaten als Nachweis anerkannt wird, es als inhaltlich richtig gilt (Art 69 I, II EuErbVO) und Gutglaubensschutz bei Leistungen Dritter an den oder von dem im Zeugnis Benannten entfaltet (Art 69 III, IV EuErbVO: grobe Fahrlässigkeit schadet), und es einen gültigen Titel für die Umschreibung oder für die Eintragung des Erwerbs vTw in die öffentlichen Register des Mitgliedstaats (zB Grundbuch) darstellt, in dem die Nachlassgegenstände belegen sind (Art 69 V EuErb...