Gesetzestext
Das Nachlassgericht hat dem Erben auf Antrag ein Zeugnis über sein Erbrecht und, wenn er nur zu einem Teil der Erbschaft berufen ist, über die Größe des Erbteils zu erteilen (Erbschein).
A. Funktion.
Rn 1
Der Erbschein ist ein auf Antrag vom Nachlassgericht erteiltes amtliches Zeugnis über das Erbrecht nach deutschem Recht und, bei mehreren Erben, über die Größe des Erbteils. Er dient dazu, den Übergang der Erbschaft mit dem Erbfall auf die Erben (vgl § 1922 I) diesem selbst, öffentlichen Stellen sowie Dritten, die im Rechtsverkehr auf die Rechtsstellung des Erben vertrauen, zu bezeugen. Der Inhalt des Erbscheins gilt für gutgläubige Dritte als richtig (§§ 2366, 2367). Er begründet, auch im Steuerrecht (BFH FamRZ 08, 1621), die gesetzliche Vermutung, dass dem in ihm bezeichneten Erben das angegebene Erbrecht zustehe und dieser nicht durch andere als die angegebenen Anordnungen beschränkt sei. Wegen der beschränkten Wirkung des Erbscheins (Rn 4) liegt die Einleitung eines streitigen Zivilprozesses (zB auf Feststellung der Erbfolge) nahe, wenn abzusehen ist, dass das Erbscheinverfahren den Streit nicht abschließen wird und eine rasche Entscheidung mit materieller Rechtskraft erstrebt wird. Das Erbscheinverfahren unterfällt als Nachlasssache iSd § 342 I Nr 6 FamFG und Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit seit dem 1.9.09 (Art 112 I FGG-RG) dem FamFG (s §§ 352f famFG; AT: §§ 1–110 FamFG). Dieses Verfahren bietet Vorteile bzgl der Kosten und ggf durch die Amtsermittlungspflicht des Nachlassgerichts (§ 26 FamFG). Übergangsrecht: Nach Art 111 I FGG-RG gilt für jeden bis einschließlich den 31.8.09 gestellten Antrag (München FamRZ 10, 2024) bzw jedes bis dahin vAw (§ 24 FamFG) mit dem Tod des Erblassers eingeleitetes Verfahren (Stuttg FGPrax 10, 60, 61 [OLG Stuttgart 12.11.2009 - 8 W 427/09]; Köln NJW 11, 320 [OLG Köln 12.07.2010 - 2 Wx 99/10]) altes Recht. Dieses gilt auch im Instanzenzug fort (Köln NJW 10, 1009); ›Verfahren‹ bezeichnet die gesamte, ggf auch mehrere Instanzen umgreifende gerichtliche Zuständigkeit in einer Sache (BGH FamRZ 10, 192; 189; NJW 11, 386, 387). Ob bei mehreren Anträgen nur ein Verfahren vorliegt, richtet sich grds danach, ob sie mit einer Endentscheidung (§ 38 I 1 FamFG) abgeschlossen werden (Art § 111 II FGG-RG; Stuttg FGPrax 09, 292 [OLG Stuttgart 16.10.2009 - 8 W 409/09]). Unterschiedliche nach dem gleichen Erblasser eingehende Erbscheinsanträge bzgl des Erbrechts bilden, solange nicht über sie entschieden ist, ein Verfahren mit verschiedenen Gegenständen (Stuttg 14.12.10 – 8 W 353/10); so wird eine unangemessene Verfahrenszersplitterung vermieden. Zu DDR-Erbscheinen s FA-ErbR/Deppenkemper Art 235 § 1 EGBGB Rz 46, 19; zum Europäischen Nachlasszeugnis Rn 7.
B. Inhalt.
Rn 2
Der Erbschein muss von sich heraus und ohne Bezugnahme auf andere Urkunden verständlich sein. Er soll den Erben durch die Richtigkeitsvermutung (§ 2365) legitimieren und den guten Glauben an seine Rechtsstellung zu schützen (§ 2366). Der Inhalt des Erbscheins ist daher dahin begrenzt, dass er das Erbrecht des berufenen Erben und etwaige Einschränkungen desselben zu bezeugen hat (BGH NJW 21, 3727 [BGH 08.09.2021 - IV ZB 17/20] Rz 12). Der Erbschein enthält die Person des Erblassers und die des Erben mit vollem Namen, wobei zur Individualisierung der jeweilige Geburtstag und Wohnsitz sowie der Todeszeitpunkt des Erblassers angegeben werden sollte, ferner zwingend die Feststellung, dass der Erbe Erbe geworden ist, grds die Erbquote und ggf Beschränkungen des Erben durch angeordnete Testamentsvollstreckung (§ 2364), Nacherbfolge (§ 2363; praxisrelevant sind insb Wiederverheiratungsklauseln beim Berliner Testament, vgl Staud/Herzog § 2359 Rz 427, 444), Hoferbfolge oder sonstige Anerbenrechte (MüKo/Grziwotz Rz 161 ff). Die Erbeinsetzung unter auflösender Bedingung ist anzugeben. Fallen anzugebende Verfügungsbeschränkungen weg, ist ein unrichtig gewordener Erbschein einzuziehen und sind sie in einem neuen Erbschein nicht mehr aufzunehmen (KGJ 48, 143, 148). Änderungen der Rechtszuständigkeit, die auf den ursprünglichen Anfall zurückwirken (Erbverzicht, Erbschaftsausschlagung, Erbunwürdigkeitserklärung, wirksame Testamentsanfechtung), sind zu berücksichtigen; ebenso sind die durch Abschichtung aus der Erbengemeinschaft ausgeschiedenen Miterben aufzunehmen (Brandbg 14.5.13 – 3 W 20/13). Ergeht ein Fremdrechtserbschein, dh ein Erbschein nach materiell ausländischem Recht (vgl §§ 105, 343, 352c FamFG), ist die Erbfolge nach ausländischem Recht (Erbstatut; vgl BayObLGZ 61, 4, 7) und der Berufungsgrund anzugeben sowie die Stellung als Erbe iSd deutschen Rechts zu bezeichnen. Verfügungsbeschränkungen des ausländischen Rechts (dazu FA-ErbR/Deppenkemper § 2369 Rz 36 ff), soweit sie den inländischen entspr, sind zu vermerken (zur Testamentsvollstreckung vgl BGH NJW 63, 46 ff; BayObLGZ 90, 51, 53 f; LG München I FamRZ 98, 1067, 1068). Abw erbrechtliche Verhältnisse, Begriffe oder Institutionen des ausländischen Rechts, die im deutschen Recht kein Gegenst...