Rn 8
§ 242 enthält keine subsumtionsfähigen Tatbestandsmerkmale und auch keine konkreten Rechtsfolgen; es handelt sich um eine doppelte Generalklausel, welche in Tatbestand und Rechtsfolgen offen ist. Dem Wortlaut der Vorschrift lassen sich nur sehr grobe Leitlinien entnehmen:
Rn 9
Nach hA gilt § 242 nur innerhalb von Sonderverbindungen; das ergibt sich aus dem Wortlaut und der systematischen Stellung der Vorschrift (RGZ 160, 349, 357; BGHZ 95, 279, 288; BFH NJW 90, 1251. Krit Erman/Böttcher/Hohloch § 242 Rz 15; offen BGHZ 102, 95, 102). Mit der Annahme derartiger Sonderverbindungen ist die Rspr allerdings großzügig; schon nach Auffassung des Reichsgerichts genügen ›irgendwelche Rechtsbeziehungen‹ (RGZ 160, 349, 357). Die Vorabunterrichtung des Markeninhabers durch den Parallelimporteur genügt dafür jedenfalls ebenso wie eine Abmahnung (BGH GRUR 08, 156 [BGH 12.07.2007 - I ZR 147/04]; 08, 614 [BGH 18.10.2007 - I ZR 24/05]) oder Gefälligkeitsverhältnisse (BGH MDR 16, 1018 [BGH 26.04.2016 - VI ZR 467/15] Rz 10). Hingegen stehen Inhaber von Rechten an urheberrechtlich geschützten Werken zu Betreibern von Plattformen, über die geschützte Werke verbreitet wurden, nicht in einer Sonderbeziehung, sofern diese nicht als Störer haften (BGH NJW 21, 779 [BGH 10.12.2020 - I ZR 153/17], Rz 31). Gleiches gilt im Verhältnis zum Inhaber eines Internetanschlusses, den eine andere Person für Urheberrechtsverletzungen genutzt hat (BGH NJW 21, 2023 [BVerfG 17.03.2021 - 2 BvR 194/20]). In beiden Fällen besteht mithin kein Auskunftsanspruch aus § 102a UrhG iVm § 242. Soweit die Anwendung von § 242 am Fehlen einer Sonderverbindung scheitert, ließe sich dasselbe Ergebnis regelmäßig auch durch eine entspr Konkretisierung der Generalklausel erreichen (s BFH NJW 90, 1251, 1252 [BFH 09.08.1989 - I R 181/85] [Verneinung von Vertrauensschutz]).
Rn 10
Die beiden sachlichen Elemente des Tatbestands, Treu und Glauben sowie die Verkehrssitte, sind heute (zur historischen Entwicklung grundlegend Strätz Treu und Glauben) inhaltlich kaum konturiert. Im Element der ›Treue‹ schwingen die Gebote der Verlässlichkeit, des Wohlverhaltens und der Loyalität mit, auf deren Einhaltung sich der andere Teil verlässt – ›Glauben‹. Das Element der Verkehrssitte verweist – bereits deutlich konkreter – auf die tatsächliche und sozial verbindliche Übung der am Rechtsverkehr beteiligten Kreise (NK/Krebs § 242 Rz 14). Auch unterhalb der Schwelle von § 346 HGB ist daher auf Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen.
Rn 11
§ 242 spricht zwar eine Verpflichtung des Schuldners aus, jedoch wird nicht festgelegt, welche Rechtsfolgen im Falle ihrer Verletzung eintreten. Eine eigenständige Anspruchsgrundlage ist § 242 deshalb nicht (etwa NK/Krebs § 242 Rz 17). Allerdings kann der § 242 zu entnehmende Grundsatz von Treu und Glauben auch zur Begründung von – überwiegend ergänzenden – Ansprüchen dienen (zur Ermächtigungsfunktion s.u. Rn 24).
Rn 12
Der Grundsatz von Treu und Glauben gilt als zwingend und der Parteidisposition entzogen (Jauernig/Mansel § 242 Rz 2). Daran ist richtig, dass die Parteien eines Rechtsverhältnisses sich den Wirkungen dieses Grundsatzes nicht gänzlich entziehen können. Das hindert sie freilich nicht generell daran, einzelne auf § 242 gestützte Ergänzungen oder Beschränkungen ihrer Rechte auszuschließen (NK/Krebs § 242 Rz 36). Die Mehrzahl von diesen ist nämlich dispositiv.