a) Grundrechte und andere verfassungsrechtliche Maßstäbe.
Rn 13
Das GG und insbes die Grundrechte werden nicht unmittelbar zwischen Privaten angewandt (zur Drittwirkungsdebatte Ruffert Vorrang der Verfassung 8 ff und öfter). Vielmehr wirkt die Verfassung mit ihren Wertentscheidungen über die privatrechtlichen Normen und insbes über die Generalklauseln in das Privatrecht hinein (BVerfG NJW 94, 36 [BVerfG 19.10.1993 - 1 BvR 567/89]; BGH NZG 12, 718 Rz 14; BAG NZA 86, 227). Das gilt auch für die Gewährleistungen der EMRK (s BGH NJW 06, 1062, 1064 [BGH 16.11.2005 - VIII ZR 5/05]). Die freiwillig privatrechtlich eingegangene Bindung lässt die Grundrechte des Schuldners dabei ggü der Position des Gläubigers deutlich an Gewicht verlieren (BGH NZG 12, 718 [BGH 09.03.2012 - V ZR 115/11] Rz 14 [den Vertrag vereitelndes Hausverbot pflichtwidrig]).
Rn 14
Das allg Persönlichkeitsrecht wirkt über § 242 in die Privatrechtsordnung hinein. Daraus ergibt sich etwa die Notwendigkeit einer Inhaltskontrolle von Verträgen, die einen der beiden Vertragspartner ungewöhnlich stark belasten und das Ergebnis strukturell ungleicher Verhandlungsstärke sind (BVerfG NJW 94, 36 [BVerfG 19.10.1993 - 1 BvR 567/89]). Gestützt auf § 242 kann ein psychisch Kranker einen Anspruch auf Aufklärung über seine Krankheit haben (BGH NJW 89, 764 [BGH 06.12.1988 - VI ZR 76/88]). Arbeitsrechtlich begründet das allg Persönlichkeitsrecht iVm § 242 einen Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Entfernung unrichtiger Einträge aus der Personalakte (BAG NZA 86, 227; BAG NZA 17, 183 [BAG 02.11.2016 - 10 AZR 596/15] Rz 10); in besonderen Fällen kommt auch ein Anspruch auf Entfernung zutreffender Einträge in Betracht (BAG AP § 611 Abmahnung Nr 2 m Anm Conze; BAG BeckRS 15, 73221 Rz 39). Ferner wird auf den durch Art 1, 2 GG garantierten Persönlichkeitsschutz der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers gestützt (BAG NJW 14, 2302 [BAG 09.04.2014 - 10 AZR 637/13] Rz 14; BAG [GS] AP § 611 Beschäftigungspflicht Nr 14 [Nr 2 der Gründe]). Für eine mietvertragliche Abmahnung werden – der Sache nach mangels Persönlichkeitsrechtsrelevanz – entspr Ansprüche verneint (BGH NJW 08, 1303 [BGH 20.02.2008 - VIII ZR 139/07]).
Rn 15
Die von Art 4 GG geschützte Glaubens- und Gewissensfreiheit wirkt nach allg Auffassung über § 242 (BAG NJW 86, 85 [BAG 20.12.1984 - 2 AZR 436/83]; BGH NJW 08, 216 [BGH 10.10.2007 - VIII ZR 260/06]). Grds kann echte Gewissensnot des Schuldners daher ein Leistungsverweigerungsrecht begründen (§ 275 Rn 31). Das gilt freilich nicht, soweit – wie in den Fällen der verweigerten Begleichung von Stromrechnungen durch Kernkraftgegner – lediglich politische Ziele durchgesetzt werden sollen (Hamm NJW 81, 2473, 2475 [OLG Hamm 01.07.1981 - 8 U 19/81]; LG Dortmund NJW 81, 764, 765 [LG Dortmund 10.10.1980 - 3 O 673/79]). Bei § 315 und § 106 GewO kann anderes gelten, wenn dem Arbeitgeber der Einsatz eines anderen Arbeitnehmers zuzumuten ist (vgl BAG NJW 86, 85; BAG NJW 11, 3319 [BAG 24.02.2011 - 2 AZR 636/09]). Gebetspausen während der Arbeit können nur beansprucht werden, wenn dies nicht zu einer erheblichen Störung der Arbeitsabläufe führt (LAG Hamm NJW 02, 1970, 1972). War die aufgetretene Konfliktlage für die in ihrer Glaubens- oder Gewissensfreiheit betroffene Person vorhersehbar, ist von der Übernahme des betreffenden Risikos durch sie auszugehen (BAG NJW 86, 85 [BAG 20.12.1984 - 2 AZR 436/83]).
Rn 16
Über § 242 lassen sich ferner Verstöße gegen Gleichbehandlungsgebote bekämpfen. Eine generelle Pflicht zur gleichmäßigen Behandlung – etwa als mittelbare Drittwirkung von Art 3 GG – widerspräche jedoch dem Grundsatz der Privatautonomie (BGH NJW 13, 1519 [BGH 15.01.2013 - XI ZR 22/12], Rz 27): Vertrag ist Diskriminierung. Gleichwohl lassen sich neben den speziellen Diskriminierungsverboten des AGG, (dazu die Kommentierung in diesem Band), des Vereins- und Gesellschaftsrechts (§ 38 Rn 1, 7) sowie des Wettbewerbsrechts (§ 20 GWB) vereinzelt Ungleichbehandlungen unter Hinweis auf § 242 bekämpfen: Das gilt etwa für Diskriminierungen Behinderter (Art 3 III 2 GG; Köln NJW 98, 763, 764; BayObLG NJW-RR 02, 226f [BayObLG 25.10.2001 - 2 Z BR 81/01]); sofern das AGG einschlägig ist, verdrängt es § 242 als Beurteilungsmaßstab (BAG NJW 15, 1899 [BAG 26.03.2015 - 2 AZR 237/14] Rz 32). Ein Hausverbot nach Abschluss eines Beherbergungsvertrags ist möglich, wenn gewichtige Sachgründe vorliegen (BGH NZG 12, 718 [BGH 09.03.2012 - V ZR 115/11]). Nach Erwerb übertragbarer Eintrittskarten bedarf ein Hausverbot indes keines sachlichen Grundes, sofern die Verweigerung des Zutritts nicht über die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben entscheidet (BGH NZM 20, 726 [BGH 29.05.2020 - V ZR 275/18]). Ein echter Kontrahierungszwang setzt voraus, dass im Verhältnis der betroffenen Rechtsgebiete zueinander ein soziales Machtverhältnis besteht (BGH NJW 13, 1519 [BGH 15.01.2013 - XI ZR 22/12], Rz 27 [kein Giro-Konto für jedermann]). Zum allg arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz s § 611 Rn 48, zu dessen betriebsübergreifendem Anwendungsberei...