Rn 2
§ 249 I enthält die beiden Grundprinzipien des deutschen Schadensersatzrechts.
I. Herstellung.
Rn 3
In I und II 1 (ebenso in den §§ 250, 251) spricht das Gesetz von der Herstellung eines bestimmten (schadensfreien) Zustands. Das ist die sog Naturalrestitution: Regelmäßig wird nicht Geldersatz als Ausgleich für die Wertminderung geschuldet, die das Vermögen des Geschädigten durch den zum Ersatz verpflichtenden Umstand erlitten hat. Vielmehr soll auch die konkrete Zusammensetzung des Vermögens erhalten bleiben: Die beschädigte Sache ist zu reparieren, der verletzte Mensch ist zu heilen. Das kann durch den Ersatzpflichtigen selbst geschehen. Viel häufiger wird aber der Geschädigte diese Herstellung besorgen; dann sind ihm nach § 249 II 1 die dazu erforderlichen Kosten zu ersetzen. Auch dieser Kostenersatz ist also eine Form der Herstellung (zB BGHZ 92, 85, 87). Bis zur Höhe der Wiederbeschaffungskosten (s.u. Rn 9) sind die entstandenen Reparaturkosten ohne Rücksicht auf ein besonderes Integritätsinteresse zu ersetzen (BGH NJW 07, 588 [BGH 05.12.2006 - VI ZR 77/06] Tz 9 f; vgl speziell zum Kfz-Schaden Rn 28 ff).
Rn 4
Dagegen bildet der Schadensersatz in Geld, der nur den geminderten Geldwert des Vermögens ausgleicht, nach § 251 die Ausnahme bei Unmöglichkeit, Ungenügen oder unverhältnismäßig hohen Kosten der Herstellung. Bei Nichtvermögensschäden passt § 251 naturgemäß überhaupt nicht; hier kommt aber nach § 253 II eine (anders zu ermittelnde) ›billige Entschädigung in Geld‹ in Betracht. Ihr steht die bei Verletzung des allg Persönlichkeitsrechts nach Richterrecht geschuldete ›Genugtuung‹ nahe (s § 253 Rn 25 ff).
II. Totalersatz.
Rn 5
Nach dem zweiten in § 249 I verkörperten Grundprinzip umfasst der zu leistende Natural- oder Geldersatz allen Schaden, der auf den zum Ersatz verpflichtenden Umstand zurückgeht. Daher gehören zum Schaden bei dem Entfernen eines unbefugt auf einem Privatgrundstück abgestellten Fahrzeugs auch nicht nur die reinen Abschleppkosten, sondern auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs entstanden sind, etwa durch die Überprüfung des unberechtigt abgestellten Fahrzeugs, um den Halter ausfindig zu machen, die Zuordnung des Fahrzeugs in eine bestimmte Fahrzeugkategorie und das Anfordern eines geeigneten Abschleppfahrzeugs (BGH MDR 14, 1077). Ebenso zählt das Reinigen der Straße nach einem Unfall zum ersatzfähigen Aufwand (BGH VersR 08, 230: Orangen; BGH VersR 13, 1544: Ölspur). Der einer Schadensabwicklung innewohnende Aufwand kann, wenn materielle Nachteile entstehen, uU ebenfalls erstattungsfähig sein, wird aber grds nicht pauschal ersetzt; lediglich im Verkehrsunfallbereich billigt die Rspr aus Praktikabilitätsgesichtspunkten dieses ›Massengeschäfts‹ eine Kosten- bzw Aufwandspauschale zu (BGH NJW 12, 2267 [BGH 08.05.2012 - VI ZR 37/11], oft im Bereich von 20–30 EUR). Gesetzliche Ausnahmen von § 249 I bilden beim Geldersatz von Nichtvermögensschäden § 253 I und für alle Schäden die verhältnismäßige Minderung des Ersatzes nach § 254. Daneben gibt es aber noch einige richterrechtlich anerkannte Korrekturen. Diese setzen teils beim Kausalzusammenhang an (s.u. Rn 52), teils beim Normzweck (s.u. Rn 67) oder bei weiteren Gesichtspunkten (s.u. Rn 76). Dadurch wird die sog Differenzhypothese (Schaden als Differenz zwischen zwei Vermögenszuständen) durch Wertungen (normativ) verändert. Man gelangt so zu einem normativen Schadensbegriff (Medicus FS Nobbe [09], 995). Dagegen wird eine Proportionalhaftung (entsprechend der Wahrscheinlichkeit der Verursachung) überwiegend abgelehnt (vgl Taupitz FS Canaris [07] I 1231 ff); auch in der Arzthaftung, in welcher eine Proportionalhaftung verschiedentlich de lege ferenda befürwortet wird, ist sie gerade nicht Gesetz geworden (vgl §§ 630a ff – Patientenrechtegesetz, welches weitgehend den Stand richterrechtlicher Präzisierung der Arzthaftung kodifiziert hat).
Rn 6
Nicht Teil des Totalersatzes ist eine Abschöpfung des Verletzergewinns. Diese wird zwar bei der Genugtuung wegen Persönlichkeitsverletzung unter dem Gesichtspunkt der Prävention ansatzweise befürwortet (s § 253 Rn 27) und mag auch darüber hinaus rechtspolitisch wünschenswert sein (s Medicus JZ 06, 805, 809). Aber nach geltendem Recht bedarf sie einer eigenen Anspruchsgrundlage (allg §§ 687 II, 681 2, 667 und im Wettbewerbsrecht sowie im Recht der gewerblichen Schutzrechte, wo der Schaden alternativ durch Gewinnabschöpfung oder über Lizenzanalogie berechnet werden kann, zB §§ 97 II UrhG; 139 II PatG; 14 VI MarkenG ua. Eine Gewinnabschöpfung zugunsten des Staatshaushalts regeln § 34a GWB und § 10 UWG, s dazu BGH NJW 07, 1524 [BGH 21.09.2006 - I ZR 6/04] mit M. Loschelder ebda 1503). IÜ ist die Gewinnabschöpfung Sache des Strafrechts (s §§ 73 ff StGB, auch dort zugunsten des Fiskus).