Prof. Dr. Brigitta Zöchling-Jud
Gesetzestext
1Ist eine der Leistungen von Anfang an unmöglich oder wird sie später unmöglich, so beschränkt sich das Schuldverhältnis auf die übrigen Leistungen. 2Die Beschränkung tritt nicht ein, wenn die Leistung infolge eines Umstands unmöglich wird, den der nicht wahlberechtigte Teil zu vertreten hat.
A. Normzweck.
Rn 1
§ 265 regelt den Fall, dass eine der geschuldeten Leistungen aus der Wahlschuld unmöglich ist. Umfasst werden die anfängliche und die nachträgliche Unmöglichkeit, die zufällige und die zu vertretende Unmöglichkeit. Der Grundgedanke ist, dem Gläubiger bei Unmöglichkeit einer Leistung die noch mögliche Leistung zu sichern (Soergel/Forster § 265 Rz 1). Die Unmöglichkeit der einen Leistung bewirkt also abw von § 263 II die Konzentration auf die noch mögliche Leistung (MüKoBGB/Krüger § 265 Rz 1). Gerade dies entspricht aber häufig nicht den Interessen der Parteien (Ziegler AcP 71, 193, 211). Die Wahlschuld wird ja gerade deshalb vereinbart, weil zumindest eine der Parteien ein besonderes Interesse an der späteren Bestimmung des Leistungsgegenstandes hat (§ 262 Rn 5). Die Beschränkung des Schuldverhältnisses auf die noch mögliche Leistung trägt diesem Interesse nicht Rechnung, wenn der Wahlberechtigte die unmögliche Leistung gewählt hätte (Bsp bei Staud/Bittner/Kolbe § 265 Rz 4). Daher bestimmt zB § 907 öABGB, dass der Wahlberechtigte bei (zufälliger) Unmöglichkeit einer Leistung an den Vertrag nicht gebunden ist. § 265 ist dispositiv; eine stillschweigende Abbedingung ist anzunehmen, wenn § 265 den Interessen der Parteien widerstreitet (RGZ 90, 395; Grüneberg/Grüneberg § 265 Rz 1).
B. Anwendungsbereich.
Rn 2
§ 265 setzt voraus, dass eine der geschuldeten Leistungen vor Ausübung des Wahlrechts unmöglich wird. Er findet daher keine Anwendung, wenn alle Leistungen unmöglich sind oder wenn das Wahlrecht bereits ausgeübt wurde. Wird in diesem Fall die gewählte Leistung unmöglich, gelten nach § 263 II (Rückwirkung der Konzentration) die allg Regeln (§§ 275, 283 iVm 280 III, 326); wird das nicht gewählte Stück unmöglich, hat dies auf das Schuldverhältnis keinen Einfluss (Grüneberg/Grüneberg § 265 Rz 4). § 265 findet entspr Anwendung, wenn eine der Leistungen gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, sittenwidrig ist oder an einem Formmangel leidet, sofern dasselbe nicht auch für die andere Leistung gilt oder die verbleibende Leistung nicht auch ohne die unmögliche vereinbart worden wäre (Köln VersR 93, 323; RG JW 1904, 405; Grüneberg/Grüneberg § 265 Rz 1; MüKoBGB/Krüger § 265 Rz 14). § 265 findet ferner entspr Anwendung, wenn die Leistung nicht unmöglich, sondern unzumutbar iSd § 275 II, III ist (HP/Lorenz § 265 Rz 2; aA Staud/Bittner/Kolbe § 265 Rz 16). § 265 findet auf die Ersetzungsbefugnis keine Anwendung (MüKoBGB/Krüger § 265 Rz 15).
C. Inhalt der Norm.
Rn 3
Nach § 265 S 1 bewirkt die Unmöglichkeit der einen Leistung die Konzentration des Schuldverhältnisses auf die andere Leistung. Fraglich ist, ob die Konzentration auf die noch mögliche Leistung nach S 1 auch dann eintritt, wenn an die Stelle der unmöglichen Leistung ein Anspruch auf das stellvertretende Commodum (§ 285) oder ein Schadensersatzanspruch tritt. Dies ist wegen des ohnehin fragwürdigen Regelungsinhalts zu verneinen (so im Ergebnis auch MüKoBGB/Krüger § 265 Rz 2; Staud/Bittner/Kolbe § 265 Rz 7 f; aA AnwK/Arnold § 265 Rz 3 für den Schadensersatzanspruch). Tritt ein Sekundäranspruch an die Stelle der unmöglichen Leistung, kann der Wahlberechtigte zwischen diesem und der noch möglichen Leistung wählen.
Rn 4
Nach S 2 tritt die Konzentration nicht ein, wenn der nicht wahlberechtigte Teil die Unmöglichkeit zu vertreten hat. Hat der wahlberechtigte Teil die Unmöglichkeit zu vertreten, bleibt es bei der Rechtsfolge des S 1. Dass die Konzentration nach S 2 nicht eintritt, wenn der nicht wahlberechtigte Teil die Unmöglichkeit zu vertreten hat, bedeutet, dass dem anderen Teil das Wahlrecht weiterhin zusteht. Steht dem Schuldner das Wahlrecht zu, kann er die noch mögliche Leistung wählen und zusätzlich für die Vereitelung der Wahl Schadensersatz nach § 280 I verlangen, sofern ihm ein Schaden entstanden ist (MüKoBGB/Krüger § 265 Rz 10). Wählt er die unmöglich gewordene Leistung, wird er nach § 275 I frei und behält unter den Voraussetzungen des § 326 II 1 den Anspruch auf die Gegenleistung. Steht das Wahlrecht aber dem Gläubiger zu und hat der Schuldner die Unmöglichkeit der einen Leistung zu vertreten, kann der Gläubiger wie nach § 265 S 1 zwischen der noch möglichen Leistung und dem Sekundäranspruch (§§ 280 III, 281 oder § 285) wählen (MüKoBGB/Krüger § 265 Rz 11).