Rn 8
Von Bedeutung sind zum einen diejenigen Fälle, in denen die Leistung nach den Naturgesetzen oder nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht erbracht werden kann (naturgesetzliche oder physische Unmöglichkeit). Paradigmatisch dafür steht der Untergang des Vertragsgegenstands, etwa der Kauf- oder Mietsache (BGHZ 2, 268, 270 [Kaufsache]; Karlsr NJW-RR 95, 849 [Mietsache]), oder die fehlende technische Realisierbarkeit der Leistung (BGH NJW 14, 3365 [BGH 08.05.2014 - VII ZR 203/11] Rz 23). Das Versiegen der einzig möglichen Bezugsquelle für die geschuldete Ware begründet ebenfalls Unmöglichkeit und schließt also den Erfüllungsanspruch aus (RGZ 57, 116, 119). Dasselbe gilt für den Ausfall des Schuldners bei höchstpersönlich zu erbringenden Leistungen (RGZ 5, 278, 279; LG Berlin, NJW 63, 513), jedoch ohne Höchstpersönlichkeit nicht schon bei Erfüllungsübernahme durch einen Dritten (s BVerwG BeckRS 11, 49318 Rz 19 ff). § 275 I ist daher einschlägig, wenn der AN aufgrund einer Erkrankung tatsächlich nicht arbeiten kann. Ist der AN krankgeschrieben, obwohl er (auf Kosten seiner Gesundheit) arbeiten könnte, ist umstritten, ob § 275 I oder § 275 III greift (s NK-BGB/Dauner-Lieb § 275 Rz 36). Jedenfalls während der Wiedereingliederung nimmt das BAG (NZA 19, 1348 [BAG 16.05.2019 - 8 AZR 530/17] Rz 21) eine Befreiung von der arbeitsvertraglichen Leistungspflicht nach § 275 I an. Hingegen gehören die früher hier vielfach diskutierten Fälle der Pflichtenkollisionen, soweit diese nicht schon die dem Anspruch zu Grunde liegende Pflicht selbst ausschließen, und Gewissenskonflikte (vulgo ›sittliche‹ oder ›moralische Unmöglichkeit‹) in den Anwendungsbereich von § 275 III (s Rn 30). Der Beschäftigungsanspruch eines Arbeitnehmers kann wegen fehlender Möglichkeit einer leidensgerechten Beschäftigung ausgeschlossen sein (LAG Hamm BeckRS 06, 40900 Rz 60 ff, nv (juris) [Markumar-Patient; iE verneint]). Der Anspruch auf Arbeitsleistung ist bei Annahmeverzug des ArbG nach unwirksamer Kündigung unmöglich (BAG NZA 18, 646). Die Erfüllung eines Versprechens zum Einsatz magischer Fähigkeiten ist aus Sicht des Rechts tatsächlich unmöglich (BGH NJW 11, 756 Rz 10 [aber Risikoübernahme iSv § 326 II]; krit Anm Schermaier, JZ 11, 633 [BGH 13.01.2011 - III ZR 87/10]). Hingegen begründet die Vergabe einer Domain an einen Dritten keine tatsächliche Unmöglichkeit (BGH NJW 13, 152 [BGH 25.10.2012 - VII ZR 146/11] Rz 32). Bei Pflichten zum Unterlassen begründet die Zuwiderhandlung Unmöglichkeit jedenfalls für den Zeitraum der Zuwiderhandlung (BAG NZA 15, 1253 [BAG 07.07.2015 - 10 AZR 260/14] Rz 29: für ein vertragliches Wettbewerbsverbot). Schließlich zählt hierher auch das Verstreichen des maßgeblichen Zeitpunkts oder Zeitraums bei nicht nachholbaren Leistungen, insbes beim absoluten Fixgeschäft (BGHZ 60, 14, 16 [Urlaubsreise]; 99, 182, 189 [Stadthallenvermietung für Veranstaltung]; BAG AP BGB § 611 Sachbezüge Nr 21 Rz 41; BAG NZA 12, 616 [BAG 21.03.2012 - 5 AZR 651/10] Rz 24 [jeweils Überlassung des Dienstwagens für die Vergangenheit]; BAG NJW 08, 872 [BAG 12.12.2007 - 10 AZR 97/07] Rz 47 [Festlegung von Zielen einer Zielvereinbarung für die Vergangenheit]; BAG NZA 11, 377 Rz 37 [Erwerbschance ›Liquidationsrecht‹ eines Chefarztes]; Kobl MDR 06, 1351 [OLG Koblenz 29.03.2006 - 1 U 983/05] [Änderung des Abflugflughafens wg Schnee; offen gelassen]; MüKo/Ernst § 275 Rz 49 ff; s aber BGH NJW 09, 2743 [BGH 28.05.2009 - Xa ZR 113/08]; BGH NJW 10, 1958 [BGH 29.04.2010 - Xa ZR 5/09] Rz 26; BGH VuR 10, 311 [BGH 29.04.2010 - Xa ZR 101/09] Rz 17 [jeweils Flugbeförderung idR kein absolutes Fixgeschäft]). § 376 I 2 HGB stellt in seinem Anwendungsbereich den fehlenden rechtzeitigen Widerspruch des Käufers der Unmöglichkeit gleich (s Rn 34). Ein zeitweiliges Hindernis soll einem dauernden ferner dann gleichzustellen sein, wenn die Erreichung des Leistungswecks durch die vorübergehende Unmöglichkeit in Frage gestellt wird und deshalb dem Gläubiger ein Zuwarten nicht zugemutet werden kann (so BGHZ 201, 148 Rz 23; BAG AP BGB § 626 Unkündbarkeit Nr 12 Rz 15); richtigerweise sind das aber Wertungen iSv §§ 281 II, 323 II. Für die früher bei der Unmöglichkeit eingeordneten Fälle der durch Verschlechterung wirtschaftlich völlig veränderten Sachen s.u. Rn 27.
Rn 9
Zum anderen spielt die sog rechtliche Unmöglichkeit eine erhebliche Rolle, also die Konstellation, in welcher die Leistung aus rechtlichen Gründen nicht erbracht werden kann oder darf (BGH NZG 10, 310 Rz 23; BGHZ 195, 195 Rz 33; BAG AP BGB § 626 Unkündbarkeit Nr 12 Rz 15; BAG AP TzBfG § 9 Nr. 6). Hierzu zählt zunächst die Nichtexistenz eines zu übertragenden Rechts (BGHZ 96, 385, 388 [noch zu bestellendes Erbbaurecht an einem Grundstück, dessen planungsrechtliche Bebaubarkeit entfällt]). Keine rechtliche Unmöglichkeit ergibt sich hingegen schon daraus, dass der Schuldner nicht Inhaber der zu übertragenden Rechtsposition ist; grds ist dann Beschaffung geschuldet (BGH NJW-RR 11, 1476 [BGH 01.07.2011 - V ZR...