Gesetzestext
1Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. 2Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.
A. Allgemeines.
Rn 1
Nach § 278 hat der Schuldner für seine gesetzlichen Vertreter und sog Erfüllungsgehilfen einzustehen, ohne dass es auf Fahrlässigkeit hinsichtlich deren Auswahl oder Überwachung ankommt. Als Gründe für diese Zurechnung gelten Arbeitsteilung und Risikozurechnung (BGH NJW 96, 451 [BGH 24.11.1995 - V ZR 40/94]; MüKo/Grundmann § 278 Rz 3), Sicherung der Gefahren- und Beweislage, Übernahme einer Garantie (s Lüderitz NJW 75, 1 ff; Kronke Transportrecht 88, 90; Staud/Löwisch/Caspers [2009] § 278 Rz 1; zur Entstehung des § 278 K. Schmidt FS Raisch 189, 199f). Tatsächlich geht es aber darum, den Schuldner an einer Haftungsentlastung durch Delegation zu hindern (Schmidt-Kessel Standards vertraglicher Haftung 410). § 278 ist der Preis dafür, dass sich der Schuldner der Hilfsperson überhaupt bedienen darf. Einer Mitteilung durch den Schuldner bedarf es jedoch grds nicht (BGH ZIP 08, 2208). Wo es – unabhängig von der Berechtigung zur Delegation – allein auf das persönliche Fehlverhalten des Schuldners selbst ankommt, scheidet die Anwendung von § 278 aus (im Ausgangspunkt zutr BGHZ 29, 275; BGH NJW 07, 3068); allerdings zählt § 89b III Nr 2 HGB nicht zu diesen Vorschriften, weil Art 18 lit a Richtlinie 86/653/EWG als Kriterium zur Konkretisierung von ›schuldhaft‹ allein die fristlose Beendbarkeit des Vertrags benennt (aA BGH NJW 07, 3068 [BGH 18.07.2007 - VIII ZR 267/05]; BGH r + s 08, 44). Auch bei § 573 II Nr 1 ist die Anwendung von § 278 nicht ausgeschlossen (BGH NJW 07, 428, 429). Der Gehilfe wird – anders als im Regelfall des § 164 – durch die Zurechnung nicht von einer eigenen Haftung befreit, soweit dafür ein eigener Haftungsgrund vorliegt (BAG NZA 06, 729, 731 [BAG 13.12.2005 - 9 AZR 436/04]); ob ihn eigene Pflichten treffen ist für § 278 jedoch unerheblich (BGH NJW 13, 2015 [BGH 19.03.2013 - XI ZR 46/11] Rz 17). Ggf kann aber das Einrücken in die Gehilfenstellung die Pflichten aus einem eigenen Vertrag enden lassen (s BGH NJW 06, 2321, 2322 [BGH 25.04.2006 - X ZR 198/04] Rz 9 ff [Reisebüro bei Abschluss des Vertrags mit dem Veranstalter]). Darf sich der Schuldner dritter Personen überhaupt nicht bedienen, kommt es auf eine Anwendung des § 278 nicht an. Die Haftung richtet sich dann danach, ob er die pflichtwidrige Übertragung zu vertreten hat (vgl RGZ 152, 125, 128; Staud/Löwisch/Caspers [2009] § 278 Rz 31); das gilt insbes für § 603 S 2, während § 540 II mit demselben Standard wie § 278 arbeitet. Ein Vertretenmüssen kann sich außerdem aus anderen Gründen ergeben, etwa wegen Mängeln in der Organisation des eigenen Betriebs, zu der die Auswahl zuverlässiger Energielieferanten und das Offenhalten von Ersatzlieferquellen gehört hätte, oder die Übernahme eines Beschaffungsrisikos.
Rn 2
Zum Anwendungsbereich der Vorschrift gehören va Verträge sowie gesetzliche Schuldverhältnisse. Darüber hinaus kommt § 278 nur zur Anwendung, wenn ein den Genannten vergleichbares Sonderrechtsverhältnis besteht (BGHZ 1, 248, 249; BGHZ 58, 207, 212; BGH NJW-RR 07, 457). Das gilt auch für die Zurechnung des Verhaltens gesetzlicher Vertreter (MüKo/Grundmann § 278 Rz 15). Eine Zurechnung nach § 278 bei der Verübung unerlaubter Handlungen ist ausgeschlossen (RGZ 160, 310, 314; BGH NJW 80, 2080 entspr BGH VersR 06, 985, 986 [für § 906]), anders hingegen bei Schuldverhältnissen aus bereits begangenem Delikt (BGH NJW-RR 87, 225, 226; BGH ZIP 17, 273 [Anrechnung von Mitverschulden gem § 254 II 2]). Vorvertragliche (BGHZ 15, 204, 205; BGH NJW-RR 90, 229, 230) und nachwirkende (vgl BGH NJW 52, 867) Schuldverhältnisse genügen, ebenso das auf einem Kontrahierungszwang beruhende Rechtsverhältnis (BGH NJW 74, 1903, 1904). Weitergehend kann sogar eine ständige Geschäftsbeziehung ausreichen (BGHZ 21, 102, 107). Im Prozessrechtsverhältnis ergeben sich Einschränkungen: Eine Partei haftet zwar nach § 85 II ZPO für das Verschulden des Prozessbevollmächtigten, nicht jedoch für dessen Mitarbeiter (BGH VersR 06, 860, 862); auch bei der Duldungs- und Unterlassungsvollstreckung nach § 890 ZPO scheidet § 278 (wie § 85 II ZPO) aus (BGH GRUR 14, 909 [BGH 03.04.2014 - I ZB 3/12] Rz 11; der Sache nach schon BVerfGE 20, 323, 335f [BVerfG 25.10.1966 - 2 BvR 506/63]). Hingegen haftet der Vollstreckungsgläubiger bei Verletzungen von Pflichten aus der durch den Vollstreckungseingriff entstehenden Sonderbeziehung dem Vollstreckungsschuldner für ein Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen (BGHZ 58, 207, 214 f; BGH NJW-RR 15, 850 Rz 7).
Rn 3
Aus sachenrechtlichen Positionen kann sich die Anwendbarkeit von § 278 ergeben, sofern das entstandene Rechtsverhältnis eng genug erscheint (MüKo/Grundmann § 278 Rz 18). Das gilt etwa für das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (Staud/Gursky § 989 Rz 16; MüKo/Grundmann § 278 Rz 18), das ...