Gesetzestext
Verletzt der Schuldner eine Pflicht nach § 241 Abs. 2, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn ihm die Leistung durch den Schuldner nicht mehr zuzumuten ist.
A. Allgemeines.
Rn 1
§ 282 regelt – abw vom irreführenden Wortlaut – einen Sonderfall des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung. Bei Verletzung einer Schutzpflicht soll das Erfüllungsinteresse hinsichtlich einer selbst nicht verletzten Pflicht (nur) ausnahmsweise beansprucht werden können, nämlich wenn die ganze Leistung dem Gläubiger wegen der Pflichtverletzung nicht mehr zuzumuten ist. Damit ist das allgemeine Prinzip der §§ 281–283 angesprochen, wonach die aus jedweder Pflichtverletzung folgende Unzumutbarkeit der weiteren schuldrechtlichen Bindung den Gläubiger dazu berechtigt, zum Schadensersatz überzugehen. Der Tatbestand der Vorschrift ist mit der Bezugnahme auf § 241 II folglich zu eng geraten (s Rn 2). Der Anwendungsbereich entspricht § 281 (s § 281 Rn 1).
Rn 2
Entgegen dem Wortlaut geht es damit nicht um einen Schadensersatz statt der Leistung, also um den Ersatz des Erfüllungsinteresses bzgl der verletzten Pflicht selbst. Vielmehr greift der Schadensersatz nach § 282 über das Maß der Pflichtverletzung hinaus auf die übrigen Teile des Vertrags aus und ist damit als Schadensersatz statt der ganzen Leistung zu qualifizieren (s.a. Schwab ZGS 03, 73, 75). Die Verfasser des Gesetzes haben sich dennoch – dh trotz der aufgezeigten Äquivalenz – gescheut, auch in § 282 von Schadensersatz statt der ganzen Leistung zu sprechen; dies dürfte seine Ursache darin finden, dass sich bei den – nach der insoweit zweifelhaften Vorstellung der Verfasser in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallenden – Nebenpflichten ohne Leistungsbezug (vgl Huber/Faust 16) der hinreichende Zusammenhang mit der Leistung erst daraus ergibt, dass die Verletzung dieser Pflicht die Unzumutbarkeit begründet. Die Schwelle der Unzumutbarkeit der Annahme der schuldnerischen Leistung weicht im Kern nicht von der Grundregel des § 281 I 2 ab. Die Abgrenzung von § 281 richtet sich daher abw von einer verbreiteten Auffassung (etwa Jauernig/Stadler § 282 Rz 3) nur insoweit nach dem Typus der verletzten Pflicht, als § 282 für Schutzpflichten lex specialis zu § 281 ist (iE ebenso Grüneberg/Grüneberg § 282 Rz 1); für die Anwendung hilfreich ist es, § 282 lediglich als Konkretisierung von § 281 I 2, II Alt 2 aufzufassen.
B. Voraussetzungen.
Rn 3
Erforderlich ist die Verwirklichung des Tatbestands von § 280 I. Der Schuldner muss dabei eine Pflicht iSv § 241 II verletzt haben. Die Abgrenzung solcher Schutzpflichten von Pflichten, welche den Kern des Schuldverhältnisses bilden, ist vielfach schwierig (s § 241 Rn 14, 15), kann aber für den Zivilprozess im Regelfalle offenbleiben (vgl Grüneberg/Grüneberg § 282 Rz 2). Bsp sind etwa der Versuch, Arbeitnehmer des anderen Teils zu illoyalem Verhalten zu bewegen (RGZ 149, 187, 189) oder die Beleidigung oder schwere Kränkung der anderen Partei (RGZ 140, 378, 385; BGH LM § 276 (Hd) Nr 1). Verstöße gegen Pflichten zur Leistungstreue fallen hingegen idR nicht unter § 282 (Jauernig/Stadler § 282 Rz 4; aA Lorenz/Riehm Rz 361 und offenbar BAG NZBau 07, 775, 778 ff [BAG 14.08.2007 - 9 AZR 167/07] Rz 43 ff), weil sie typischerweise keine sonstigen Rechtsgüter betreffen. Auch die Verletzung leistungsbezogener Nebenpflichten soll nicht in den Anwendungsbereich fallen (vgl BGH NJW 10, 2503 [BGH 10.03.2010 - VIII ZR 182/08] Rz 18 zu § 324).
Rn 4
Nach dem Wortlaut von § 282 ist der Anwendungsbereich auf Schutzpflichtverletzungen vor Erfüllung der sonstigen Pflichten aus dem Schuldverhältnis beschränkt (Jauernig/Stadler § 282 Rz 4). Seinem Zweck nach ist er freilich auch auf nachträgliche Pflichtverletzungen anzuwenden (iE ebenso Knocke/Höller ZGS 03, 26 ff [Analogie]). Allerdings steigen dann die Anforderungen an die Unzumutbarkeit, weil die mit dem Schadensersatz ggf verbundene Rückabwicklung ein gesteigertes Maß an Störung voraussetzt. Bei Dauerschuldverhältnissen führt § 282 in aller Regel nur zur Beendigung ex nunc iRd Schadensersatzes statt der ganzen Leistung und wirkt damit wie eine Kündigung zuzüglich Schadensersatz (s § 281 Rn 31).
Rn 5
Vorausgesetzt ist ferner die Unzumutbarkeit der weiteren Bindung für den Gläubiger. Das Merkmal hat die Doppelfunktion, sowohl den Übergang zum Schadensersatz als auch das Ausgreifen auf die nicht von der Pflichtverletzung betroffenen Teile des Schuldverhältnisses zu steuern. Sein Vorliegen ist dementspr gesondert festzustellen (Jauernig/Stadler § 282 Rz 5). Unzumutbarkeit ist nicht schon dadurch gegeben, dass eine Kaufsache im Zuge von Nacherfüllungsbemühungen beschädigt wird (Saarbr NJW 07, 3503, 3505 [OLG Saarbrücken 25.07.2007 - 1 U 467/06]). Grds ist wegen dieses Kriteriums eine Abmahnung nicht erforderlich. Bei Pflichtverletzungen von geringerem Gewicht kann sich deren Notwendigkeit freilich entspr § 281 III (ein Rückgriff auf eine Analogie zu § 314 II ist entbehrlich) ergeben (vgl BGH...