Prof. Dr. Klaus Peter Berger
Rn 11
Aushandeln ist das Gegenteil von Stellen. Dies ist für jede einzelne Klausel (›soweit‹, s BGHZ 97, 215; 84, 112) anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Aushandeln ist mehr als Verhandeln. Der Verwender muss den gesetzesfremden Kerngehalt seiner AGB ernsthaft zur Disposition stellen und dem anderen Teil Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumen. Zugleich muss er dem Kunden die reale Möglichkeit verschaffen, den Inhalt der Vertragsbedingungen zu beeinflussen (BGH NJW 19, 2080 Rz 14; 18, 2039 Rz 12; ZIP 17, 1654 Rz 23). Diese Voraussetzungen müssen auch im Fall einer nachträglichen Änderung von AGB gegeben sein (BGH NJW 13, 1431). Der Verwender muss also tatsächlich zu Verhandlungen bereit sein und dies dem Kunden ggü unzweifelhaft zum Ausdruck bringen (BGHZ 143, 112; Grüneberg/Grüneberg § 305 Rz 19). Allein die Tatsache, dass der Kunde über die Bedeutung bestimmter Klauseln belehrt wurde, genügt nicht (BGHZ 74, 209; NJW 05, 2543). Gleiches gilt für die formularmäßige Erklärung des Verwenders, er sei zur Abänderung bereit gewesen (BGH NJW 87, 1634 [BGH 28.01.1987 - IVa ZR 173/85]; MüKo/Fornasier § 305 Rz 41), die Bitte in einem Begleitschreiben an den Kunden, Anmerkungen oder Änderungswünsche mitzuteilen (BGH NJW 16, 1230 Rz 30), oder eine vom Kunden unterzeichnete Erklärung oder Protokollnotiz, wonach der Vertragsinhalt in allen Einzelheiten ausgehandelt worden sei bzw. es sich ›um einen Individualvertrag handelt‹ (BGH NJW 14, 1725 [BGH 20.03.2014 - VII ZR 248/13]; NJW 77, 432 [BGH 20.10.1976 - IV ZR 135/75]; krit Kaufhold NJW 14, 3488). Wenn der Verwender die Klausel bei den Verhandlungen zwar abschwächt, der gesetzesfremde Kerngehalt aber bestehen bleibt, wird die AGB nicht zu einer Individualvereinbarung (BGH NZBau 16, 213 [BGH 22.10.2015 - VII ZR 58/14] Rz 26). Wird eine Klausel vom Verwender als ›nicht verhandelbar‹ dargestellt, ist sie auch dann nicht ausgehandelt, wenn der andere Teil die Klausel kritisiert und juristisch geprüft hat (BGH NJW 13, 857 [BGH 22.11.2012 - VII ZR 222/12]). Eine Klausel, die zwischen zwei Parteien ausgehandelt wurde, kann im Verhältnis der einen Partei zu Dritten (§ 328 I) AGB sein (BGH ZIP 09, 2447).
Rn 12
Sind dagegen die genannten strengen Anforderungen erfüllt (und kann der Verwender dies, zB wegen detaillierter Protokollierung der Vertragsverhandlungen, beweisen, Löhnig/Jerger GWR 13, 241; s.a. Rn 15), wird das Aushandeln nicht dadurch ausgeschlossen, dass die betr Klausel während der Vertragsverhandlungen nicht tatsächlich abgeändert oder ergänzt wurde (BGHZ 84, 111; NJW 92, 2285). Auch eine unveränderte Klausel kann ›ausgehandelt‹ sein, vorausgesetzt, der andere Teil hat ihren Inhalt in seinen Vertragsabschlusswillen aufgenommen. Dies kann aber nur dann angenommen werden, wenn er sich nach gründlicher inhaltlicher Erörterung mit dem Text ausdrücklich einverstanden erklärt und das in der Klausel manifestierte Risiko als sachgerecht akzeptiert hat (BGHZ 143, 112; München WM 05, 931). In aller Regel schlägt sich daher das Aushandeln in einer erkennbaren Änderung des Klauseltextes nieder (BGHZ 143, 112; NJW 04, 1454). Eine Vertragsbedingung kann auch dann ausgehandelt sein, wenn sie der Verwender als eine von mehreren Alternativen anbietet, vorausgesetzt, der Vertragspartner ist in der Auswahl frei und kann auch eigene Textvorschläge durchsetzen (BGH NJW 17, 2346 [BGH 15.02.2017 - IV ZR 91/16] Rz 9). Ist die Klausel nach den §§ 307 ff wirksam, kann offenbleiben, ob sie ausgehandelt wurde (BGHZ 154, 183).
Rn 13
Im unternehmerischen Geschäftsverkehr sind an das Aushandeln geringere Anforderungen zu stellen (Grüneberg/Grüneberg § 305 Rz 22, aA BGH ZIP 17, 1654 Rz 24; BeckRS 18, 14431). Dies folgt schon daraus, dass für die Frage des Aushandelns auch die berufliche Position der Verhandlungspartner und die Frage des wirtschaftlichen Machtgefälles maßgeblich sind. Ein Aushandeln kann auch dann angenommen werden, wenn eine unternehmerische Partei, um eine von ihr vorformulierte Vertragsklausel unverändert durchzusetzen, Preiszugeständnisse oder Konzessionen bei anderen Klauseln macht (MüKo/Fornasier § 305 Rz 43; enger BGHZ 153, 322f). Auch muss der Verwender eine Klausel nicht von Grund auf zur Disposition stellen (BGH NJW 98, 3488; Köln ZIP 95, 1636), solange die Einbeziehung der Vertragsbestimmungen auf einer freien Willensentscheidung des Vertragspartners beruht (Frankf aM BeckRS 12, 12856; Cloppenburg/Mahnken NZBau 14, 743). Das Aushandeln einzelner Klauseln kann auf sachlich zusammengehörende, nicht iE ausgehandelte Klauseln ausstrahlen (BGH ZIP 12, 2508 Rz 20; Schlesw IBR 12, 673). Besteht zwischen den Parteien kein Machtgefälle (s § 307 Rn 32), muss für 3 auch das Verhandeln genügen (ICC Schiedsspruch Nr 10279 SchiedsVZ 05, 111; Berger ZIP 06, 2152; ders NJW 01, 2152 f; ders FS Graf von Westphalen [10], 13, 23 ff; Maier-Reimer NJW 17, 1, 2f; aA BGHZ 153, 322 ff; v Westphalen NJW 09, 2977; ders ZIP 07, 149; sehr str). Dies muss jedenfalls dann ge...