Prof. Dr. Klaus Peter Berger
Rn 16
Das gem § 305 II Hs 1 Nr 1 und 2 besonders ausgestaltete Einbeziehungsangebot des Verwenders und die, auch stillschweigend mögliche, Einverständniserklärung des Kunden (§ 305 II Hs 2) bilden zusammen die rechtsgeschäftliche Einigung der Parteien über die Einbeziehung der AGB. Diese Voraussetzungen müssen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erfüllt sein. Besteht der Vertrag ausschl aus AGB (Formularvertrag), bedarf es keiner gesonderten Einbeziehung nach II, weil die Unterschrift des Vertragspartners unter dem gesamten Vertrag bereits dessen vollen Inhalt deckt (BGH NJW 95, 190; 88, 2465 [BGH 27.04.1988 - VIII ZR 84/87]). II gilt nicht in den Fällen des § 305a und § 310 I 1, s § 310 Rn 2 ff.
Rn 17
II ist in den Fällen unanwendbar, in denen es einer Einbeziehungsvereinbarung nicht bedarf, etwa weil der Vertrag unmittelbar durch Rechtsnormen (Gesetz, VO, Satzung) bestimmt wird (MüKo/Fornasier § 305 Rz 62). In diesen Fällen liegen aber zumeist schon keine AGB vor (Stoffels Rz 112). II gilt zwar nicht für Anleihebedingungen von Inhaberschuldverschreibungen (BGH WM 05, 1567), aber für Anlagebedingungen im Investmentvertrag (BGH NJW-RR 23, 749 Rz 16).
Rn 18
Unterliegt der Vertrag dem CISG, richtet sich die Einbeziehung von AGB nach den Vertragsabschlussvorschriften des Üb (Art 14, 18 CISG) sowie der Auslegungsregel des Art 8 CISG (BGH NJW 02, 370 [BGH 31.10.2001 - VIII ZR 60/01]). S.a. Rn 32.
I. Einbeziehungsangebot des Verwenders (Hs 1 Nr 1, 2).
1. Ausdrücklicher Hinweis oder Aushang (Nr 1).
Rn 19
Nr 1 verlangt einen ausdrücklichen, schriftlichen, mündlichen oder fernmündlichen Hinweis des Verwenders auf die hinreichend individualisierten AGB im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BGH NJW 88, 1212 [BGH 03.12.1987 - VII ZR 374/86]). Dies gilt auch für die Änderung von AGB (Hamm BB 79, 1789). Ist der Vertrag schriftform- oder beurkundungsbedürftig, erstreckt sich dieses Formerfordernis auch auf den Hinweis (Staud/Mäsch § 305 Rz 130; HP/Becker § 305 Rz 47). Der Hinweis muss so klar, übersichtlich und lesbar sein, dass er von einem Durchschnittskunden auch bei flüchtiger Betrachtung nicht übersehen werden kann (BGH NJW-RR 87, 113 [BGH 18.06.1986 - VIII ZR 137/85]; zu den drucktechnischen Anforderungen vgl BGH BB 83, 2074). Der bloße Abdruck auf der Rückseite des Vertragstextes reicht nicht aus. Es muss auf der Vorderseite ein Hinweis auf die AGB auf der Rückseite erfolgen (Ddorf VersR 82, 872; LG Münster VersR 80, 100). Der Hinweis auf ›umseitige AGB‹ erfasst aber nur denjenigen Teil des auf der Rückseite abgedruckten Textes, der die Überschrift ›AGB‹ trägt (BGH NJW 87, 2432 [BGH 14.01.1987 - IVa ZR 130/85]). Sollen Anlagen zu AGB Vertragsbestandteil werden, reicht der Hinweis, diese seien ›zu beachten‹, uU nicht aus (BGH NJW 20, 3306 [BGH 28.05.2020 - I ZR 40/19] Rz 53). Der ausdrückliche Hinweis muss bei Vertragsschluss erfolgen. Ein nachträglicher Hinweis, zB auf der Rechnung, dem Lieferschein oder der Eintrittskarte, erfüllt die Einbeziehungsvoraussetzungen des II nicht (HP/Becker § 305 Rz 46).
Rn 20
Der ausdrückliche Hinweis kann durch einen entspr deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsabschlusses (nicht der Erfüllungshandlung!) ersetzt werden, vorausgesetzt, ein Hinweis ist wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich. Der Kunde muss den Aushang ohne weiteres erkennen können (HP/Becker § 305 Rz 52; U/B/H/Ulmer/Habersack § 305 Rz 144). Dieser muss nur den Hinweis, nicht aber die AGB selbst enthalten (Grüneberg/Grüneberg § 305 Rz 29; str). Gemeint sind damit va die typischen, zumeist konkludent abgeschlossenen Massengeschäfte des täglichen Lebens, bei denen entweder ein Hinweis mangels persönlichen Kontakts ausgeschlossen ist (Parkplatz, Parkhaus, Schließfächer usw, BGH NJW 20, 755 Rz 16; LG Frankfurt/M NJW-RR 88, 955; LG Essen VersR 95, 1198), oder jedenfalls eine unverhältnismäßige und im Grunde überflüssige Erschwerung darstellen würde, wie etwa im Theater, bei Sportveranstaltungen, in Kinos oder Kfz-Waschanlagen (BGH NJW 05, 424 [BGH 30.11.2004 - X ZR 133/03]), oder es sich um ein Routinegeschäft mit schnell wechselndem Publikum handelt (Auktion Celle NJW-RR 11, 132 [BGH 11.11.2010 - VII ZR 44/10]).
2. Möglichkeit der Kenntnisnahme (Nr 2).
a) Distanzgeschäfte.
Rn 21
Nach Nr 2 muss der Verwender in Abweichung von den §§ 145 ff (s aber § 305a) seinem Vertragspartner in zumutbarer Weise die Möglichkeit der Kenntnisnahme der AGB geben. Diese Möglichkeit (auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es nicht an, BGH NJW 02, 372 [BGH 01.03.2001 - I ZR 211/98]) ist immer gegeben, wenn der Vertragspartei die AGB ausgehändigt werden (BGH NJW 06, 1587 [BGH 11.01.2006 - VIII ZR 364/04]). Muss der Vertragspartner dagegen selbst tätig werden, um sich die AGB erst zu verschaffen, ist ihm die Kenntnisnahme in aller Regel nicht zumutbar (BGH MDR 99, 1061 [BGH 10.06.1999 - VII ZR 170/98]; HP/Becker § 305 Rz 59). Zu Lotto und Toto BGH NJW 91, 1745 [BGH 21.03.1991 - III ZR 94/89]. Zur Einbeziehung im mobilen Geschäftsverkehr Janal NJW 16, 3201.
Rn 22
Das Angebot, die AGB kostenlos zu übersenden, genügt nicht (BGH NJW-RR 99, 1246; MDR 99, 1061 ...