Prof. Dr. Michael Stürner
Rn 3
Nach I gelten die §§ 312–312h nur für Verbraucherverträge, bei denen sich der Verbraucher zu der Zahlung eines Preises verpflichtet. Dies umfasst nach dem neuen Ia auch die Bereitstellung personenbezogener Daten oder die Verpflichtung hierzu. Das bis 31.12.21 in I maßgebliche Kriterium der Entgeltlichkeit von Verbraucherverträgen fand schon bisher keine Entsprechung in der VRRL und wurde daher im Zuge der Umsetzung der RL über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (Rn 1) aufgehoben. Daraus ergibt sich, dass die §§ 312i, 312j auch auf Verbraucherverträge Anwendung finden, die nicht unter I und Ia fallen. § 312i ist zudem schon keine Verbrauchervorschrift im strengen Sinne, da ihr Regelungsadressat neben dem Unternehmer der Kunde ist. In VII 1 findet sich – systemfremd – eine Vorschrift, die nicht Verbraucher, sondern Reisende als Schutzadressaten hat (Rn 34).
I. Begriff.
Rn 4
§ 312 enthält keine eigene Definition des Verbrauchervertrags. Der bis 31.12.21 ausdrücklich in I enthaltene Verweis auf die Legaldefinition in § 310 III ist entfallen, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung beabsichtigt worden wäre (BRDrs 60/21, 34). Erforderlich ist danach die Beteiligung eines Unternehmers (§ 14) und eines Verbrauchers (§ 13). Verträge mit gemischter Zwecksetzung fallen ebenfalls unter I, sofern der gewerbliche Zweck im Gesamtzusammenhang nicht überwiegt (ErwGr 17 VRRL, s.a. Vor §§ 312 ff Rn 6). ErwGr 13 VRRL eröffnet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, einen weiteren Verbraucherbegriff zu verwenden als die VRRL, insbesondere etwa bestimmte juristische Personen einzubeziehen (s zu Einzelheiten § 13 Rn 8 ff). Daher erscheint es auch möglich, Arbeitsverträge unter I zu subsumieren (BeckOGK/Busch Rz 31 mN; aA Grüneberg/Grüneberg Rz 2), obwohl sie mangels Verbrauchereigenschaft des Arbeitnehmers vom Anwendungsbereich der VRRL ausgenommen sind (Janal WM 12, 2314, 2315). Bislang setzte I eine entgeltliche Leistung des Unternehmers voraus; im Arbeitsverhältnis geht es hingegen regelmäßig gerade um Leistungen des Arbeitnehmers. Doch auch nach der Neufassung von I passen die §§ 312 ff strukturell nicht (MüKo/Wendehorst Rz 33; Bauer/Arnold/Zeh NZA 16, 449; Kamanabrou NZA 16, 919; differenzierend Fischinger/Werthmüller NZA 16, 193). Im Regelfall bieten arbeitsrechtliche Normen hinreichenden Schutz; ggf kann eine teleologische Reduktion der §§ 312b ff in Betracht kommen. So hat das BAG (ZIP 19, 983 Rz 15 ff) iE für einen arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrag entschieden (allerdings zw).
II. Die Zahlung eines Preises, I.
Rn 5
Bis zum 31.12.21 erfasste I nur Verträge, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben. Diese Einschränkung war mit den in Art 2 Nr 5 und 6 VRRL enthaltenen Definitionen von Kauf- und Dienstleistungsverträgen begründet worden, auf die der Anwendungsbereich von I beschränkt sein sollte (BTDrs 17/12637, 45). Nach Art 3 I VRRL galt die Richtlinie jedoch für ›jegliche Verträge, die zwischen einem Unternehmer und Verbraucher geschlossen werden‹. Deren Bestimmungen sind allerdings auf den Verkauf von Waren und die Erbringung von Dienstleistungen zugeschnitten, die sich nach den genannten Definitionen durch ihre Entgeltlichkeit auszeichnen. Erforderlich ist eine Leistung durch den Unternehmer, für die der Verbraucher eine irgendwie geartete Gegenleistung erbringt. Der durch die ModernisierungsRL (Vor §§ 312 ff Rn 4a) geänderte Art 3 I VRRL enthält nunmehr das Tatbestandsmerkmal des vom Verbraucher zu zahlenden Preises. Dies bringt die Neufassung von I nun durch das Erfordernis der Zahlung eines Preises durch den Verbraucher zum Ausdruck, dem ein weites Begriffsverständnis zugrunde liegt (BRDrs 60/21, 34).
Rn 5a
Dabei muss es sich nicht um eine monetäre Gegenleistung handeln, so dass insbesondere auch personenbezogene Daten ein Entgelt darstellen können (s Schmidt-Kessel/Grimm ZfPW 17, 84; Metzger AcP 216, 817, 845 f; Czajkowski/Müller-ter Jung CR 18, 157, 160 f; Klink-Straub NJW 21, 3217; Schmitz/Buschuew MMR 22, 171; allg auch Sattler JZ 17, 1036; Stürner, Europäisches Vertragsrecht 21, § 23 Rz 9 ff). Dies stellt der neu eingefügte Ia 1 (Rn 8a) nun klar (BTDrs 19/27653, 34). Eine Ausnahme hiervon gilt nach Ia 2 nur dann, wenn diese Daten vom Unternehmer ausschließlich zur Erfüllung seiner Leistungspflicht oder bestehender rechtlicher Verpflichtungen verarbeitet werden.
Rn 5b
Die umgekehrte Konstellation – Leistung durch den Verbraucher, Gegenleistung durch den Unternehmer – wird nicht erfasst (Grüneberg/Grüneberg Rz 2; Schinkels WM 17, 113; ebenso BGH NJW 15, 1009 für Fernabsatzverträge; aA für Außergeschäftsraumverträge Maume NJW 16, 1041).
Rn 6
Unter I fallen alle gegenseitigen Verträge (vgl Vor § 320 Rn 7), insb Kauf (auch von Grundstücken, BGH NJW 07, 1947, 1948), Reisevertrag, Werkvertrag (auch Bauvertrag, BGHZ 171, 364; näher Glöckner BauR 14, 411; s.a. II Nr 3), idR auch Maklervertrag (BGH NJW 17, 1024 und NJW-RR 17, 368; zum Immobilienmaklervertrag § 312c Rn 15...