Prof. Dr. Michael Stürner
Rn 10
Die Informationspflichten aus § 312d iVm Art 246a und b EGBGB sowie die darüber hinaus zu beachtenden allg Informationspflichten des § 312a II iVm Art 246 EGBGB (vgl § 312a Rn 3) sind überaus umfangreich (Wendehorst NJW 14, 577, 581). Zudem ist die Regelung ungewohnt (sie erfasst nach § 312c II sogar gewöhnliche Briefe!) und bisweilen unklar (zB Art 246b § 2 II 1 EGBGB). Daher ist mit massenhafter Nichtbeachtung zu rechnen. Umso wichtiger sind die Rechtsfolgen von Verstößen. Bei begrenzter Darstellungsmöglichkeit bestehen erleichterte Informationspflichten (Art 246a § 3 EGBGB). Deren Vorliegen ist unter Berücksichtigung sämtlicher technischer Eigenschaften der Werbebotschaft des Unternehmers zu beurteilen. Faktoren sind der Raum und die Zeit, die von der Botschaft eingenommen werden und die Mindestgröße des Schrifttyps, der für einen durchschnittlichen Adressaten angemessen ist (EuGH 23.1.19, C-430/17 – Walbusch, ECLI:EU:C:2019:47 Rz 39 ff).
I. Fristbeginn.
Rn 11
Die wichtigste Sanktion steht in § 356 III 1: Bei Verträgen über Finanzdienstleistungen, die im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurden, beginnt die Frist nicht vor Erfüllung der Informationspflicht des Art 246b § 2 I EGBGB. Danach hat der Unternehmer den Verbraucher die Vertragsbestimmungen (einschl der AGB) sowie die in Art 246b § 2 I EGBGB genannten Informationen auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen. Bei sonstigen Fernabsatz- oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen beginnt die Frist erst, wenn der Unternehmer den Verbraucher gem Art 246a § 1 II 1 Nr 1 EGBGB über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts gem § 355 I sowie das Muster-Widerrufsformular informiert hat; von der Erfüllung weiterer Informationspflichten ist der Beginn der Widerrufsfrist nicht abhängig (vgl BTDrs 17/12637, 61). Zu den Einzelheiten des Fristbeginns s § 356 Rn 8 ff).
Rn 12
Geschützt ist der Unternehmer durch die Sechsmonatsfrist des § 356 III 2. Da es dabei, im Unterschied zur bisherigen Rechtslage, nicht darauf ankommt, dass der Unternehmer den Verbraucher tatsächlich ordnungsgemäß belehrt hat (vgl BTDrs 17/13951, 101), ist damit ein echter Schutz des Unternehmers verbunden. Bei Verträgen über Finanzdienstleistungen gilt diese Beschränkung nach § 356 III 3 jedoch nicht, so dass insoweit kein entsprechender Schutz des Unternehmers besteht und das Widerrufsrecht des Verbrauchers unbegrenzt besteht, wenn die Informationspflichten des II nicht eingehalten werden. Mit Blick auf den Umfang der sich aus II ergebenden Pflicht (allein Art 246b § 1 I EGBGB hat 19 Ziffern!) ist dies im Vergleich zur Rechtslage, die bei sonstigen Fernabsatz- sowie außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen besteht, ein großer Nachteil. Wenn die fehlende Information für den Abschlusswillen offenbar keine Rolle gespielt hat, kommt in Extremfällen eine Unwirksamkeit des Widerrufs nach § 242 in Betracht (Einrede der Verwirkung, näher § 356 Rn 22). Zu den Gründen der unterschiedlichen Rechtslage bei Fernabsatz- sowie außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen über Finanzdienstleistungen und sonstigen Verträgen s § 356 Rn 11.
II. Culpa in contrahendo.
Rn 13
Das Unterbleiben einer gesetzlich geforderten Information kann auch eine Haftung nach cic (§ 311 II) auslösen (s auch BTDrs 17/12637, 54). Deren Rechtsfolgen gehen in doppelter Hinsicht über diejenigen eines Widerrufs hinaus (s.a. § 311 Rn 57):
1. Schadensersatzanspruch.
Rn 14
Der Schadensersatzanspruch aus cic umfasst mehr als bloß die Lösung vom Vertrag mit leicht modifizierten Rücktrittsfolgen (§§ 355 ff). Denn das zu ersetzende negative Interesse (vgl § 311 Rn 53) umfasst auch die Nachteile, die dem Verbraucher durch das enttäuschte Vertrauen auf den Fortbestand des später widerrufenen Geschäfts entstanden sind (zB durch das Versäumen eines anderen Vertragsschlusses).
2. Fristen.
Rn 15
Das Widerrufsrecht für Verträge, die im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurden, erlischt zwölf Monate und 14 Tage nach dem in den §§ 356 II, 355 II 2 genannten Zeitpunkt, § 356 II 2, wobei es nicht darauf ankommt, dass der Unternehmer den Verbraucher tatsächlich ordnungsgemäß belehrt hat (vgl BTDrs 17/13951, 101). Dagegen verjährt der Anspruch des Verbrauchers auf Vertragsaufhebung aus cic nach den §§ 195, 199, also jedenfalls wesentlich später. Auch insoweit könnte demnach ein Anspruch aus cic die Verbraucherrechte erheblich erweitern. Bei Verträgen über Finanzdienstleistungen gilt dies nicht, wenn keine Belehrung durch den Unternehmer erfolgt ist; das Widerrufsrecht besteht dann unbegrenzt, § 356 III 3.
3. Einschränkungen.
Rn 16
Ggü diesen Folgen der Bejahung von cic sind aber folgende Einschränkungen zu beachten: Für einen Schadensersatzanspruch aus cic bedarf es der haftungsbegründenden Kausalität. Diese fehlt, wenn die unterlassene Information für den Verbraucher so unwesentlich war, dass er den Vertrag auch bei vollständiger Information wie geschehen abgeschlossen hätte. In solchen Fällen bleibt nur der Wide...