Prof. Dr. Michael Stürner
Rn 2
Nach I gelten die §§ 327–327s nur für Verbraucherverträge über digitale Produkte. §§ 327t und 327u gelten dagegen nur für Verträge über digitale Produkte zwischen Unternehmern.
I. Begriff.
Rn 3
Für den Begriff des Verbrauchervertrags ist auf die Legaldefinition in § 310 III zurückzugreifen (BTDrs 19/27653, 38). Auch im Hinblick auf die Eigenschaft als Verbraucher und Unternehmer bleibt es bei der Geltung der allgemeinen Regeln aus §§ 13, 14. Auch Plattformbetreiber kommen als Unternehmer in Betracht (ErwGr 18 DIRL). Mit wem der Vertrag zustande kommt, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre (MüKo/Metzger Rz 4).
II. Digitale Produkte, I 1 und II.
Rn 4
Den Gegenstand des Verbrauchervertrags muss nach I 1 die Bereitstellung digitaler Produkte durch den Unternehmer bilden. Das DIUG hat die in Art 3 I, II DIRL vorgegebenen Begriffe ›digitale Inhalte‹ und ›digitale Dienstleistungen‹ zur Vereinfachung unter dem Oberbegriff ›digitale Produkte‹ zusammengefasst (BTDrs 19/27653, 37). Die in II enthaltenen Legaldefinitionen für digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen wurden aus Art 2 Nr 1 und 2 DIRL übernommen (zur Einordnung der digitalen Dienstleistungen Riehm RDi 22, 209). Die zuvor in § 312f III aF enthaltene Definition digitaler Inhalte wurde im Zuge der Reform entspr geändert (§ 312f Rn 14). Zur Anwendbarkeit auf den Plattformnutzungsvertrag Holznagel CR 23, 539.
Rn 5
Ob im Einzelfall digitale Inhalte oder Dienstleistungen Vertragsgegenstand sind, dürfte nicht immer leicht abzugrenzen sein. Bedeutung kommt dem im Hinblick darauf zu, dass der Vertrag jew (zusätzlich) unterschiedlichen Normen des Besonderen Schuldrechts unterliegen kann. Dabei ist die Einordnung jedenfalls bei einem einheitlichen Vertragsgegenstand wie einer App nicht etwa gespalten je nach Funktionalität vorzunehmen. Hierfür kann wie bei gemischten Verträgen auf den Schwerpunkt des digitalen Produkts abgestellt werden.
III. Preis.
Rn 6
Bei der zu erbringenden Gegenleistung des Verbrauchers muss es sich nach I 1 um die Zahlung eines Preises handeln. Das DIUG hat auf eine genaue Definition des Begriffs verzichtet und verweist auf die Begriffsbestimmung in Art 2 Nr 7 DIRL, womit insofern eine unionsrechtskonforme Auslegung angezeigt ist. Gemeint ist damit die Zahlung von Geld. Nicht-monetäre Gegenleistungen sind mithin dem Wortlaut nach nicht erfasst. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein digitales Produkt gegen Teilnahme an einer Marktumfrage bereitgestellt wird. Vorgeschlagen wird daher eine analoge Anwendung der §§ 327 ff auf solche Verträge über digitale Inhalte (Wendehorst NJW 21, 2913, 2915; BeckOGK/Fries Rz 26). Vorzugswürdig erscheint indessen eine teleologische Extension des Begriffs ›Preis‹ iS jedweder geldwerten Gegenleistung (Gansmeier/Kochendörfer ZfPW 22, 1, 16f). Die mit der DIRL verfolgte Vollharmonisierung (Vor § 327 Rn 3) steht insoweit nicht entgegen, da sich diese Auslegung außerhalb des sachlichen Geltungsbereichs der RL bewegt.
Rn 7
Nach I 2 erfasst der Begriff des Preises auch die digitale Darstellung eines Wertes, womit insb elektronische Gutscheine sowie ›E-Coupons‹ erfasst sind (ErwGr 23 DIRL; BTDrs 19/27653, 38).
IV. Bereitstellung personenbezogener Daten oder entspr Verpflichtung, III.
Rn 8
Nach III gelten §§ 327 ff auch für Verträge über die Bereitstellung digitaler Produkte, bei denen der Verbraucher personenbezogene Daten bereitstellt oder sich zu einer solchen Bereitstellung verpflichtet. Der Begriff der personenbezogenen Daten ergibt sich dabei aus Art 4 Nr 1 DSGVO (BTDrs 19/27653, 40). Danach sind ›personenbezogene Daten‹ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insb mittels Zuordnung zu einer Kennung, wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann. Zur Anwendung auf Pur-Modelle iRv journalistischen Angeboten Nikol/Rost NJW 22, 975; auf Reiseportale Gansmeier/Kochendörfer RRa 22, 170; zum Verhältnis zum Mietrecht Hubert/Hengstler MMR 22, 623; zum Einfluss auf die Vertragsgestaltung Matutis GRUR-Prax 22, 195; Schneider/Streitz CR 22, 141; hinsichtlich Software Schöttle MMR 21, 683; hinsichtlich der Cookie-Einwilligung Schreiber/van Nuus RDi 22, 246; hinsichtlich des Datenschutzes Schneider/Conrad K&R 22, 225.
Rn 9
Für III ist es dabei nach dem verbraucherschützenden Zweck der §§ 327 ff unerheblich, ob die Datenverarbeitung durch den Unternehmer rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt (BTDrs 19/27653, 40; Lejeune ITRB 21, 87; Rosenkranz ZUM 21, 195, 201; Wendehorst NJW 21, 2913, 2915; s.a. § 312 Rn 8a). Der Wortlaut der DIRL ist insofern allerdings nicht zwingend; der Gesetzgeber hätte statt der tatsächlichen Überlassung der Daten daher auch auf die Einwilligung des Verbrauchers oder das Vorliegen eines sonstigen E...