Prof. Dr. Michael Stürner
Rn 13
Rechtssicherheit im Zusammenhang mit seinen Informationspflichten aus Art 246a § 2 I 1 EGBGB und Art 246b § 2 I EGBGB bietet dem Unternehmer die Musterwiderrufsbelehrung der Anlage 1 zu Art 246a § 1 II 2 EGBGB bzw der Anlage 3 zu Art 246b § 2 III EGBGB (eingehend Schürnbrand JZ 15, 974 sowie allg Damler, Das gesetzlich privilegierte Muster im Privatrecht 15). Bedeutung hat die Musterwiderrufsbelehrung für den Unternehmer va bei den Pflichten aus Art 246b § 2 I EGBGB (Verträge über Finanzdienstleistungen), da sich diese als sehr vielfältig darstellen (dazu bereits Rn 9), so dass selbst ein Volljurist kaum wird sicher sein können, sie alle beachtet zu haben. Die genannten Pflichten des Unternehmers haben aufgrund ihrer Erwähnung in III 1 Gesetzesrang.
Rn 13a
Abänderungen durch den Unternehmer führen zum Verlust der Schutzwirkung der Musterwiderrufsbelehrung (BGH NJW 14, 2022 [BGH 18.03.2014 - II ZR 109/13] Rz 16 ff zur BGB-InfoV aF; BGHZ 211, 123 Rz 22 ff; BGH NJW-RR 17, 815 Rz 32; BGH WM 18, 19 Rz 31; BGHZ 227, 253 Rz 17 ff; Graf von Westphalen BB 23, 1091). Das gilt nicht, solange die inhaltlichen Anforderungen eingehalten sind; allerdings trägt der Unternehmer hierfür das Risko (BGH NJW 23, 1964 [BGH 01.12.2022 - I ZR 28/22]) Deshalb kann es sogar ein Anwaltsfehler sein, die Klage nicht auf den Darlehenswiderruf zu stützen (Hamm 26.7.22, I-28 U 132/21 – juris). Auch bloße Fußnotenhinweise können eine in diesem Sinne relevante Abänderung der Musterwiderrufsbelehrung darstellen (BGHZ 211, 123 Rz 19; für Nachw zum zuvor bestehenden Streit vgl 16. Aufl); Gleiches gilt für die Positionierung an einer Stelle, die geeignet ist, vom Widerspruch abzuhalten (Stuttg 23.5.23, 10 U 33/23 – juris Rz 11f). Unschädlich soll es dagegen sein, wenn die Belehrung anstatt des richtigen Wortes ›Widerrufsbelehrung‹ an einer Stelle ›Widerrufserklärung‹ enthält, sich aber das eigentlich Gemeinte unzweifelhaft aus dem Zusammenhang ergibt (so zum alten Recht Frankfurt 21.12.15, 19 U 160/15, juris Rz 44). Das Einfügen eines Zwischentextes zwischen der Überschrift ›Widerrufsbelehrung‹ und ›Widerrufsrecht‹ ist unschädlich (so zum alten Recht BGH NJW 20, 1062 [BGH 26.11.2019 - XI ZR 307/18]). Trotz Nichtangabe der Telefaxnummer in der Widerrufsbelehrung kann diese ordnungsgemäß erfolgt sein (Hamm 10.8.23, 18 U 34/22 – juris Rz 69 ff). Die Angabe der Telefonnummer stellt nur dann eine Beeinträchtigung dar, wenn der Eindruck erweckt wird, der Wideruf könne telefonisch erklärt werden (Hamm 9.2.23, I-18 U 125/22 – juris).
Rn 13b
Im Bereich der Versicherungsverträge sieht die Rspr in der Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 5a I 1 VVG aF allerdings einen Verstoß gegen § 242, wenn ein geringfügiger Belehrungsfehler vorliegt, durch den dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben (BGHZ 236, 163 Rz 16: Schriftform statt Textform; s.a. BGH ZIP 23, 969 Rz 14: keine Geringfügigkeit bei Fehlen eines Hinweises auf die erforderliche Form [hier Textform] des Widerspruchs; BGH NJW 23, 3086 [BGH 19.07.2023 - IV ZR 268/21] Rz 9: kein Verstoß gegen Unionsrecht). Wünschenswert wären einheitliche Maßstäbe für sämtliche Fälle des Abweichens der Belehrungen von den gesetzlichen Vorgaben (Graf von Westphalen BB 23, 1091).
Rn 13c
Eine einheitliche Belehrung (›Sammelbelehrung‹) für mehrere vom Verbraucher abgeschlossene Verträge genügt jedenfalls dann, wenn sie ihrer Gestaltung nach keine Fehlvorstellung darüber hervorrufen kann, dass seine Willenserklärungen nach den Maßgaben der Widerrufsbelehrung jeweils für sich und gesondert widerruflich sind (BGH NJW 17, 3239). Für zulässig erachtet wurde eine vorsorgliche, inhaltlich zutreffende Belehrung über Voraussetzungen und Folgen eines verbundenen Geschäfts, auch wenn im konkreten Falle kein verbundenes Geschäft vorliegt (München ZIP 15, 2410 Rz 38 ff).