Prof. Dr. Thomas Pfeiffer
Rn 12
Die Tilgungsbestimmung ist ihrem eigenen Erklärungsgehalt nach auf die Herbeiführung bestimmter Rechtsfolgen, nämlich die Zuordnung der Erfüllungswirkung zu einer bestimmten von mehreren Forderungen gerichtet. Deshalb ist sie richtigerweise als Willenserklärung zu qualifizieren (Engelke/Luft ZJS 20, 114, str). Die Regeln über Willenserklärungen sind anwendbar (BGHZ 106, 163; BAG NJW 14, 649). So ist bspw die Anfechtung der Tilgungsbestimmung wegen Irrtums nach § 119 möglich. Zumindest ergibt sich dies aus einer Einordnung der Tilgungsbestimmung als geschäftsähnliche Erklärung (vgl BGHZ 106, 163). Will der Schuldner eine bestimmte Forderung tilgen, ergibt sich aber aus dem objektiven Gehalt seiner Tilgungsbestimmung die Anrechnung auf eine andere Forderung, so begründet dies regelmäßig einen Inhalts- und keinen bloßen Motivirrtum (vgl BGHZ 106, 163). Auch die rechtsgeschäftliche Stellvertretung bei der Bestimmung nach Maßgabe der §§ 164 ff ist möglich.
Rn 13
Die Tilgungsbestimmung ergibt sich regelmäßig aus dem Leistungszweck. Die Bestimmung kann auch konkludent erfolgen. Welche Tilgungsbestimmung vorliegt, ist nach dem durch den Gläubiger erkannten wirklichen Willen zu bestimmen. Verkennt dieser den subjektiv verfolgten Leistungszweck, so kommt es auf den objektiven Empfängerhorizont an (Hambg OLGR 00, 464; Köln NJW-RR 02, 394 [OLG Köln 17.05.2001 - 18 U 17/01]). Es reicht aus, wenn der Gläubiger bei mehreren offenen Forderungen aus den Umständen ersehen kann, welche getilgt werden soll. Diese Erkennbarkeit kann sich bspw aus der betragsmäßigen Übereinstimmung einer Zahlung mit einer der offenen Forderungen (BGH WM 82, 1032; NJW 01, 3781 [BGH 17.09.2001 - II ZR 275/99]) oder aus dem Kontext vorausgegangener Verhandlungen ergeben (BGH NJW-RR 91, 169). Jedenfalls ist § 366 II nicht anzuwenden, wenn dessen Anwendung der Interessenlage der Parteien ganz offensichtlich widerspricht (BGH BB 71, 1433; Ddorf ZMR 00, 605). Bei der Deutung des Schuldnerverhaltens ist die Interessenlage von besonders großer Bedeutung (BGH NJW-RR 87, 1350 [BGH 26.06.1987 - V ZR 11/86]; NJW-RR 95, 1257 [BGH 27.06.1995 - XI ZR 213/94]). Leistet bspw ein mit dem Schuldner identischer Eigentümer auf Grundschulden, die neben den persönlichen Verpflichtungen des Eigentümers auch noch eine Forderung gegen einen Dritten sichern, ist mit der Zahlung auf die Grundschulden regelmäßig konkludent der Wille erklärt, zunächst die eigenen Schulden und nicht vorrangig die Schuld des Dritten tilgen zu wollen (BGH NJW 99, 2043 [BGH 09.03.1999 - XI ZR 155/98]). Aus der Interessenlage kann sich auch ergeben, dass eine bestimmte Anrechnung einen Erfolg zugunsten des Schuldners herbeiführt, der sonst nicht erreicht wird (BGH NJW 78, 1524 [BGH 27.02.1978 - II ZR 3/76]: Anrechnung auf diejenige Versicherungsprämie, die durch die Zahlung gedeckt wird). Sofern sich eine Tilgung keiner bestimmten Forderung zuordnen lässt oder keine Bestimmung vorliegt, greift II ein. Nur wenn auch unter Berücksichtigung von §§ 366, 367 offenbliebe, welche Forderung getilgt wird oder wenn die Parteien dies vereinbart haben (BGHZ 51, 157), ist eine Tilgungsbestimmung erforderlich, um überhaupt eine Erfüllungswirkung auszulösen (Frankf OLGR 97, 293; Kobl OLGR 02, 464). Bei Leistung eines Dritten gem § 267 steht diesem ein Bestimmungsrecht zu (Brandbg AgrarR 96, 126); anders liegt es, wenn es sich bei der Zahlung des Dritten um eine Leistung des Schuldners handelt (BGH NJW 97, 2046 [BGH 08.04.1997 - XI ZR 196/96]).
Rn 14
Eine abweichende Verrechnung durch den Gläubiger oder ein Widerspruch des Gläubigers ist grds unbeachtlich (BGH NJW 83, 2773). Weigert sich der Gläubiger, die Leistung bestimmungsgemäß entgegenzunehmen, so begründet dies grds das Vorliegen von Annahmeverzug (§ 293).