Prof. Dr. Thomas Pfeiffer
Gesetzestext
1Der Gläubiger hat gegen Empfang der Leistung auf Verlangen ein schriftliches Empfangsbekenntnis (Quittung) zu erteilen. 2Hat der Schuldner ein rechtliches Interesse, dass die Quittung in anderer Form erteilt wird, so kann er die Erteilung in dieser Form verlangen.
A. Überblick und Zweck.
Rn 1
Der Schuldner benötigt ein Beweismittel, um das Erlöschen der Schuld durch Erfüllung nachweisen zu können. § 368 gibt dem Schuldner einen echten Anspruch auf Erteilung einer Quittung oder eines Empfangsbekenntnisses. Allerdings handelt es sich um einen unselbstständigen Anspruch, der nur dem Leistenden gegen den Gläubiger zusteht und der kein selbstständiger Gegenstand des Rechtsverkehrs ist.
Rn 2
Der Anspruch auf Quittung ist ein verhaltener Anspruch, was bedeutet, dass er nur auf Verlangen des Schuldners zu erfüllen ist. Seine Befriedigung kann Zug um Zug gegen die Erbringung der Leistung verlangt werden. Dem Schuldner kann, auch wenn seine eigene Leistungspflicht nicht von einer Gegenleistung des Gläubigers abhängt, ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 zustehen, wenn sich der Gläubiger weigert, eine Quittung auszustellen (RGZ 82, 25, 27). Demgegenüber besteht kein Zurückbehaltungsrecht des Gläubigers an der Quittung, selbst wenn noch andere, zusammenhängende Forderungen offen sind.
Rn 3
Eine selbstständige Klage auf Erteilung der Quittung ist möglich. Das Vorliegen einer Erfüllung ist hierfür (nur) materiell-rechtlich vorgreiflich; seine Feststellung erwächst also nicht in Rechtskraft. Ggf muss der Schuldner negative Feststellungsklage erheben (vgl etwa Grüneberg/Grüneberg Rz 7).
B. Quittung.
I. Rechtsnatur und Wirkung.
Rn 4
Die Ausstellung einer Quittung ist keine Willenserklärung und keine geschäftsähnliche Erklärung, sondern ein Realakt (Frankf WM 90, 2036 [OLG Frankfurt am Main 20.09.1990 - 6 U 117/88]; Karlsr MDR 78, 667 [OLG Karlsruhe 28.10.1977 - 15 U 70/76]; LG Frankfurt WM 88, 1664).
Rn 5
Durch die Unterzeichnung einer Quittung schafft der Gläubiger ein Beweismittel gegen sich selbst. Eine Quittung enthält eine außergerichtliche Tatsachenbestätigung (›Geständnis‹) hinsichtlich des Leistungsempfangs. Sie erbringt den vollen Beweis dafür, dass die in ihr enthaltene Erklärung tatsächlich abgegeben wurde, nicht hingegen für die quittierte Tatsache. Insofern wirkt sie aber als ein Indiz für die Wahrheit der zugestandenen Tatsache (BGH WM 79, 1157; NJW-RR 88, 881). Die Beweiskraft einer Quittung hängt jedoch von den Umständen des Einzelfalles ab. So bezieht sich der Beweiswert einer Empfangsquittung einer verschlossenen Sendung typischerweise nicht auf ihren Inhalt (BGH VersR 15, 341 Tz 21). Je verlässlicher der Unterzeichner ist (zB eine Bank), desto verlässlicher ist die Quittung (Frankf WM 91, 725). Das gilt besonders, wenn Dritten ggü ein Beweis erbracht werden soll (Dresd ZInsO 00, 673). In jedem Fall unterliegt die Quittung der freien richterlichen Beweiswürdigung und kann durch jeden Gegenbeweis entkräftet werden (BGH WM 79, 1157; NJW-RR 88, 881 [BGH 28.09.1987 - II ZR 35/87]). Das gilt auch für eine Quittung, die ein Geschäftsunfähiger ausgestellt hat (Karlsr MDR 78, 667 [OLG Karlsruhe 28.10.1977 - 15 U 70/76]). Macht der Gläubiger geltend, die Quittung sei nur zum Schein erteilt worden, so trägt er hierfür ebenso die Beweislast (Ddorf OLGR 01, 466). Die der Quittung typischerweise vorausgehende Nachprüfung des Erhaltenen nach Art und Menge (›Nachzählen‹) dient auch der Entlastung des Überbringers; quittiert der Empfänger ›blind‹, kann er mit der Berufung auf die Unrichtigkeit der Quittung ausgeschlossen sein (BGH VersR 15, 341).
Rn 6
Eine in Erwartung der künftigen Leistung erteilte Quittung bezeichnet man als Vorausquittung. Keine Vorausquittung liegt vor, wenn eine im Vorgriff auf einen späteren Vertrag erbrachte Leistung quittiert wird (München NJW-RR 93, 123). Das Vorliegen einer Vorausquittung muss der Gläubiger beweisen (Ddorf OLGR 01, 466). Gelingt der Beweis, so entfaltet die Quittung grds nicht den Beweis für die Erbringung der Leistung (RGZ 108, 50, 56). Allerdings kann es ein Indiz für die nachträgliche Leistungserbringung sein, wenn der Gläubiger die Vorausquittung längere Zeit in den Händen des Schuldners lässt (RGZ 108, 50, 56f).
II. Inhalt.
Rn 7
Eine Quittung oder ein Empfangsbekenntnis ist, unabhängig von der Form, jedes Dokument, welches den Empfang der Leistung bestätigt. Deshalb besteht kein Anspruch über den tatsächlichen Leistungsempfang hinaus (BGH NJW-RR 10, 1135 [BGH 29.10.2009 - I ZR 168/06]). Der Begriff der Quittung entspricht weitgehend dem des Empfangsbekenntnisses in § 309 Nr 12b (Kobl NJW 95, 3392). Empfangsbekenntnisse (Quittungen) können sowohl über den Empfang von Geldzahlungen als auch über denjenigen von Sachleistungen ausgestellt werden, nicht aber für eine Aufrechnung (BGH NJW-RR 08, 1512 [BGH 14.07.2008 - II ZR 132/07]). Eine Empfangsbescheinigung kann aber auch derjenige ausstellen, der gar keine Leistung erhält (BGH 22.5.14 I ZR 109/13: Übernahmequittung des Frachtführers). Auf die Bezeichnung des Dokuments kommt es nicht an. Eine ordnungsgemäße...