Prof. Dr. Hans-Friedrich Müller
Gesetzestext
Der Schuldner kann eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist.
A. Bedeutung.
Rn 1
Die Vorschrift dient wie § 404 u §§ 407 ff dem Schutz des Schuldners. In dessen Interesse durchbricht die unnötig kompliziert geratene Regelung (zur Kritik Eidenmüller AcP 204, 457, 484 ff) das Prinzip der Gegenseitigkeit der Forderungen iSd § 387. § 406 betrifft allein die Aufrechnung des Schuldners ggü dem Zessionar, die nach der Abtretung erklärt wird. Hat der Schuldner schon vor der Abtretung wirksam ggü dem Zedenten aufgerechnet, so kann er dies dem Zessionar nach § 404 entgegenhalten (BGHZ 19, 153, 156; NJW 02, 2865). § 407 I ist einschlägig, wenn der Schuldner ggü dem Zedenten nach der Abtretung, aber ohne Kenntnis von ihr, aufrechnet (BGH NJW-RR 86, 536, 538 [BGH 05.12.1985 - IX ZR 165/84]). Hat der Schuldner eine Forderung gg den Zessionar, so handelt es sich um eine ganz normale Aufrechnung ohne jede Besonderheit. Auf einen Aufrechnungsvertrag findet § 406 ebenfalls keine Anwendung, hier gelten § 404 bzw § 407. Macht der Schuldner bei einem gegenseitigen Vertrag Schadensersatz statt der Leistung im Wege der Verrechnung geltend, so ist nicht § 406, sondern § 404 heranzuziehen (§ 404 Rn 3).
Rn 2
§ 406 ist dispositiv, sofern nicht wie in § 496 I etwas anderes bestimmt ist. Im Falle eines vertraglichen Ausschlusses der Aufrechnungsbefugnis des Schuldners kann dieser auch ggü dem Zessionar nicht aufrechnen (BGH WM 75, 852). Umgekehrt ist die Aufrechnung möglich, selbst wenn an sich der Ausschlusstatbestand des § 406 Hs 2 vorliegt, sofern der Gläubiger der Hauptforderung sich damit (uU auch konkludent) einverstanden erklärt hat (BFH BStBl 86, 506; FG Hannover EFG 03, 1433). Die Aufrechnung des Schuldners im Prozess ggü dem Zessionar hemmt nach § 204 I Nr 5 auch die Verjährung ggü dem Zedenten (BGHZ 176, 128 ff). § 406 gilt gem § 412 auch für den gesetzlichen Forderungsübergang (BGHZ 35, 317, 325). Bei Zwangsvollstreckung in Forderungen ist § 392 die maßgebliche Norm. Im Falle des § 354a HGB findet § 406 keine Anwendung (BGH WM 05, 429).
B. Regelungsinhalt.
I. Aufrechnungsbefugnis.
Rn 3
§ 406 erhält dem Schuldner die Aufrechnungsmöglichkeit, sofern die Aufrechnungslage schon bei der Abtretung bestand. Er kann sich darüber hinaus auch auf solche Umstände berufen, die später eingetreten sind u die ihm ohne die Abtretung das Recht zur Aufrechnung ggü dem früheren Gläubiger gegeben hätten (BGHZ 19, 153, 156 f; 58, 327, 329; NJW 03, 1182, 1183). § 406 Hs 2 schließt die Aufrechnung allerdings mit solchen Forderungen aus, die erst in Kenntnis des Schuldners von der Abtretung erworben worden sind (Alt 1) oder die nach Kenntnis u später als die abgetretene Forderung fällig geworden sind (Alt 2). Die entscheidende Zäsur für die Aufrechnung ist die Kenntnis des Schuldners von der Abtretung u nicht die Abtretung selbst.
II. Aufrechnungsausschluss wegen Kenntnis der Abtretung.
Rn 4
Der Kenntnis der Abtretung (§ 407 Rn 5 ff) steht die Kenntnis der Vorausabtretung gleich (BGHZ 66, 384, 386 f; NJW 02, 2865; aA Köln NJW-RR 01, 539). Der Erwerb der Gegenforderung ist bereits dann erfolgt, wenn der Rechtsgrund für sie gelegt ist, so dass etwa für Forderungen aus Vertrag auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzuheben ist (BGHZ 58, 327, 330; NJW 90, 2544). Mit einer Gegenforderung aus dem Vertragsverhältnis, auf welchem die abgetretene Hauptforderung beruht, kann der Schuldner ggü dem Zessionar aufrechnen, auch wenn er die Abtretung der Forderung aus dem Vertrag bei dessen Abschluss kannte (BGH NJW 96, 1056 [BGH 22.12.1995 - V ZR 52/95]). Bei Gegenforderungen aus abgeleitetem Recht kommt es auf den Zeitpunkt des Forderungserwerbs seitens des Schuldners an (Hamm NJW-RR 89, 51 [OLG Hamm 20.05.1988 - 26 U 129/87]). Die Aufrechnung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass Fälligkeit, Unbedingtheit u Gleichartigkeit der Forderung nicht schon bei Abtretung vorliegen (BGHZ 12, 136, 144 f; 19, 153, 158 f; 35, 317, 326).
III. Aufrechnungsausschluss wegen nachfolgender Fälligkeit der Gegenforderung.
Rn 5
§ 406 Hs 2 Alt 2 regelt den Fall, dass der Schuldner Kenntnis zwar erst nach Erwerb der Gegenforderung (sonst greift schon § 406 Hs 2 Alt 1), aber noch vor ihrer Fälligkeit erlangt. Die Aufrechnung ist dann nur möglich, wenn die Gegenforderung spätestens gleichzeitig mit der abgetretenen Hauptforderung fällig wird (BGHZ 19, 153, 160; BAG 67, 751, 752). Eine spätere Stundung der Forderung ist unerheblich (BFH BStBl II 05, 7 ff). Fälligkeit iSd § 406 ist zu verneinen, wenn der Forderung ein Zurückbehaltungsrecht entgegensteht (BGHZ 58, 327, 330 ff; NJW-RR 94, 880). Daher kann mit einer zur Zurückbehaltung berechtigenden Gegenforderung aufgerechnet werden, auch wenn diese erst später als die Hauptforderung fällig geworden ist (BGH NJW 96, 1056 [BGH 22.12.1995 - V ZR 52/95]). Der Kommanditist kann gg die abgetretene Einlageforderung mit seinem erst später fällig werdenden Erstattungsanspr...