Prof. Dr. Hans-Friedrich Müller
Gesetzestext
(1) 1Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. 2Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.
(2) 1Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. 2Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.
A. Bedeutung.
Rn 1
Die Norm betrifft das Innenverhältnis der Gesamtschuldner u soll gewährleisten, dass die Lasten gerecht verteilt werden. Sie stellt dem Gesamtschuldner, der über die auf ihn entfallende Quote hinaus Leistungen erbracht hat, zwei selbstständige Ansprüche zur Verfügung: Die Ausgleichsforderung nach I sowie die ursprüngliche Gläubigerforderung, die nach II im Wege der cessio legis auf den Leistenden übergeht. Zu dem gesetzlichen Ausgleichsverhältnis kommt häufig noch als weitere Anspruchsgrundlage ein zwischen den Gesamtschuldnern bestehendes vertragliches (zB Auftrag, Gesellschaft) oder vertragsähnliches Rechtsverhältnis (etwa GoA) hinzu. Eine zeitlich befristete Sonderregelung enthält Art 240 § 3 VII EGBGB, der die pandemiebedingte Stundung von Forderungen aus Verbraucherdarlehensverträgen auf Ausgleich u Rückgriff unter Gesamtschuldnern erstreckt.
Rn 2
§ 426 setzt ein echtes Gesamtschuldverhältnis voraus. Bei mehreren gleichstufigen Sicherungsgebern gewährt die Rspr Ausgleich nach § 242 entspr den Regeln über die Gesamtschuld, so insb im Verhältnis Bürge/Grundschuldbesteller (BGHZ 108, 179, 183 ff; NJW-RR 91, 170, 171; NJW 92, 3228; 01, 2327, 2330) u Bürge/Verpfänder (BGH NJW-RR 91, 499).
Rn 3
Anwendbar ist § 426 auch bei mehreren kraft Öffentlichen Rechts verpflichteten Gesamtschuldnern (BGHZ 9, 65, 66 ff: BGH NVwZ 21, 742: Amtspflichtverletzung; BVerwG NJW 93, 1667: Fehlbelegungsabgabe; BGHZ 203, 193: durch EU-Kommission festgesetzte Geldbuße; BGH NJW 65, 1595, 1596: Gewässerunterhaltspflicht; BGHZ 120, 50, 55 ff; BAG NJW 04, 3588: Steuerpflicht; BVerwG NVwZ-RR 15, 818: Versorgungslasten), nicht aber auf den Ausgleich zwischen mehreren polizeirechtlichen Störern (BGH NJW 81, 2457, 2458; Ddorf NVwZ 89, 993, 997; aA Staud/Looschelders § 426 Rz 275).
B. Bestimmung der Beteiligungsquote.
I. Grundregel: Verteilung nach Kopfteilen.
Rn 4
Nach I 1 sind Gesamtschuldner einander zu gleichen Teilen verpflichtet, sofern nicht etwas anderes bestimmt ist. In der Praxis überwiegen gesetzliche oder vertragliche Abweichungen von der Pro-Kopf-Regel, deren Voraussetzungen jedoch derjenige darlegen u beweisen muss, der sich auf sie beruft (RGZ 88, 122, 125; BGH NJW 88, 133 [BGH 30.09.1987 - IVb ZR 94/86]; 00, 1944, 1945 [BGH 13.04.2000 - IX ZR 372/98]).
Rn 5
Bsp für Verteilung nach Kopfteilen: Vorschusspflicht des Klägers u des Beklagten ggü dem Schiedsrichter (BGHZ 55, 344, 349), mehrere gemeinsam verklagte Gesamtschuldner hinsichtlich der Prozesskosten (BGH NJW 74, 693, 694), Schuldner von Leibrente u Reallast (BGHZ 58, 191, 193 ff), nach § 528 rückgewährpflichtige Beschenkte (BGHZ 137, 77, 87), BRep u Beschäftigungsstelle eines Zivildienstleistenden, wenn sie gemeinsam für dessen Fehlverhalten einzustehen haben (BGHZ 152, 380, 390f).
II. Abweichende vertragliche Bestimmung.
Rn 6
Eine anderweitige Bestimmung kann sich aus einer ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarung ergeben. Sie kann unterschiedlich hohe Anteile, aber auch eine völlige Freistellung einzelner Gesamtschuldner vorsehen.
Rn 7
Für ein Darlehen ist intern ausgleichspflichtig, wem der Betrag zufließt oder sonst zugutekommt. Der Umfang der Ausgleichspflicht bei mehreren Mitbürgen kann durch eine Rangvereinbarung mit dem Gläubiger (BGH NJW 86, 3131, 3133; NJW 12, 1946, 1947 f: Ausfallbürgschaft), der Stellung zum Hauptschuldner (BGHZ 88, 185, 190) oder im Fall der Höchstbetragsbürgschaft nach dem Verhältnis der verschiedenen Höchstbeträge zueinander (BGHZ 137, 292 ff) bestimmt werden. Im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber hat idR allein der Arbeitnehmer die Lohnsteuerschuld ggü dem Fiskus zu tragen, eine sog Nettolohnvereinbarung ist aber zulässig (BAG NJW 04, 3588). Bei Grundstückskaufverträgen ist davon auszugehen, dass die Parteien typischerweise den Erwerber mit der Grunderwerbsteuer belasten wollen (Karlsr NJW-RR 88, 1237, 1238). Ist der Unternehmer ggü dem Hauptvertreter weder aus Vertrag noch aus einem anderen Rechtsgrund zur Zahlung der vom Hauptvertreter geschuldeten Provisionen an den Untervertreter verpflichtet, haftet im Verhältnis der Gesamtschuldner untereinander der Hauptvertreter allein (BGH VersR 21, 42).
Rn 8
Unter Gesellschaftern bestimmt sich die Ausgleichsquote idR nach dem Beteiligungsverhältnis (RGZ 88, 122, 125; BGHZ 47, 157, 165; ZIP 13, 2151, 2153). Der Ausgleichsberechtigte muss sich zunächst an die Gesellschaft halten, erst wenn von dieser keine Befriedigung zu erlangen ist, kann er seine Mitgesellschafter pro rata in Anspruch nehmen (BGHZ 37, 299, 303; 103, 72, 76; WM 07, 2290, 2291). Rechts...