Prof. Dr. Hans-Friedrich Müller
I. Vertragliche Haftungsfreistellung.
Rn 23
Durch einen nach Entstehung der Gesamtschuld vereinbarten Haftungsausschluss zwischen einem Gesamtschuldner u dem Gläubiger wird das Ausgleichsverhältnis nicht tangiert, es sei denn, es ist ausnw Gesamtwirkung oder beschränkte Gesamtwirkung gewollt (BGHZ 58, 216, 218 f; NJW 00, 1942, 1943; § 423 Rn 2 ff).
Rn 24
Im Falle einer bereits vor Entstehung der Gesamtschuld vereinbarten Haftungsfreistellung wird die nach außen nicht bestehende Gesamtschuld für das Innenverhältnis fingiert, der interne Ausgleichsanspruch bleibt grds unberührt (BGHZ 12, 213, 217 ff; 58, 216, 219 ff; NJW 89, 2386, 2387). Auf die von der hL favorisierte Lösung, den Anspruch des Gläubigers gg den Zweitschädiger von vornherein um den Anteil des Begünstigten zu kürzen (Medicus/Petersen BürgR Rz 933 ff; MüKo/Heinemeyer § 426 Rz 61), kann nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte für einen derartigen Parteiwillen zurückgegriffen werden.
II. Gesetzliche Haftungsprivilegierung.
Rn 25
Bei gesetzlichen Haftungsprivilegierungen kommt es auf den Zweck der jeweiligen Regelung an. Ist ein Arbeitsunfall durch einen von §§ 104, 105, 106 SGB VII (früher §§ 636f RVO) begünstigten Arbeitgeber oder Arbeitskollegen u einen außenstehenden Zweitschädiger verursacht, so beschränkt sich der Anspruch des Geschädigten auf den Verantwortungsanteil des Zweitschädigers (BGHZ 61, 51, 53 ff; 157, 9, 14 ff; NJW 05, 2309; 05, 3144; Stuttg r+s 16, 590; ebenso für den Fall der Inanspruchnahme einer GbR, deren von der Haftung freigestellter Gesellschafter den Unfall verursacht hat BGHZ 155, 205, 212 ff). Die Beschränkung der Haftung des Zweitschädigers beruht dabei auf dem Gedanken, dass einerseits die haftungsrechtliche Privilegierung nicht durch eine Heranziehung im Gesamtschuldnerausgleich unterlaufen werden soll, es aber andererseits im Hinblick auf die Absicherung des Geschädigten durch eine gesetzliche Unfallversicherung nicht gerechtfertigt wäre, den Zweitschädiger den Schaden allein tragen zu lassen. Eine von dem privilegierten Schädiger zugunsten des Zweitschädigers eingegangene Freihaltungsverpflichtung beeinflusst nicht dessen Außenhaftung (BGHZ 110, 114, 117 ff).
Rn 26
Die Anspruchskürzung greift auch bei einem Schulunfall, wenn die Haftung eines Mitschädigers nach § 106 SGB VII ausgeschlossen ist (Kobl NJW-RR 06, 1174 [OLG Koblenz 29.05.2006 - 12 U 1459/04]), sowie bei einem durch einen nach § 46 BeamtVG begünstigten Beamten u einen nicht privilegierten Schädiger verursachten Dienstunfall (BGHZ 94, 173, 176 ff). Wenn ein Schaden durch einen nach § 86 III VVG oder § 116 VI SGB X von der Haftung freigestellten Angehörigen u eine außenstehende Person verursacht wurde, so beschränken sich die Regressansprüche des Versicherers bzw Sozialversicherungsträgers gg den Zweitschädiger auf dessen Verursachungsanteil (BGHZ 54, 256 ff; 73, 191, 195; NJW-RR 22, 539). Die Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers gg einen Dritten verringern sich aufgrund der Besonderheiten des innerbetrieblichen Schadensausgleichs (§ 611 Rn 91) bei Mitverursachung durch den eigenen Arbeitnehmer um dessen Haftungsquote (Karlsr OLGZ 69, 157), aber keine Kürzung zu Lasten eines Dritten, dem Arbeitnehmer u Arbeitgeber haften (BGHZ 108, 305, 307 ff; NJW 94, 852).
Rn 27
Bei bürgerlich-rechtlicher Haftungsbeschränkung verneint der BGH zu § 1664 I einen Ausgleichsanspruch des Zweitschädigers gg die Eltern, die ohne Verletzung der eigenüblichen Sorgfalt oder grobe Fahrlässigkeit an der Schädigung mitgewirkt hatten, u belastet ihn voll (BGHZ 103, 344, 346 ff; 159, 318, 323). Dies dürfte auch auf die Privilegierungen der §§ 708 aF, 1359 übertragbar sein. Entschärft wird die Problematik dadurch, dass die genannten Vorschriften auf Unfälle im Straßenverkehr nicht anwendbar sind (vgl zu § 708 aF BGHZ 46, 313 ff; zu § 1359 BGHZ 53, 352 ff; 61, 101, 104 f; 63, 51, 57 f; zu § 1664 I Hamm NJW 93, 542, 543).