Prof. Dr. Michael Stürner
Gesetzestext
(1) Eine Schenkung kann widerrufen werden, wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Angehörigen des Schenkers groben Undanks schuldig macht.
(2) Dem Erben des Schenkers steht das Recht des Widerrufs nur zu, wenn der Beschenkte vorsätzlich und widerrechtlich den Schenker getötet oder am Widerruf gehindert hat.
A. Überblick.
Rn 1
Die Vorschrift regelt einen Sonderfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. § 313 ist daneben anwendbar, wenn der Sachverhalt außerhalb des Bereichs von § 530 liegt (BGH FamRZ 90, 600; BGHZ 184, 190, Rz 27; Götz ZEV 17, 371; Bergmann JZ 21, 16, 19).
Rn 2
Die Vorschrift greift bei nur versprochenen wie bei schon vollzogenen Schenkungen, auch gemischten (BGH NJW 99, 1623 [BGH 19.01.1999 - X ZR 60/97]), ein; zu Zuwendungen unter Ehegatten vgl § 516 Rn 22. Ausgenommen sind gem § 534 Pflicht- und Anstandsschenkungen.
Rn 3
Das Widerrufsrecht ist höchstpersönlich (BGH NJW 62, 955), deshalb weder abtretbar noch pfändbar und nur eingeschränkt nach Maßgabe des II vererblich. Hieraus folgt entgegen der hM (BGH NJW 62, 955 [BGH 07.03.1962 - V ZR 132/60]; Grüneberg/Weidenkaff Rz 1) nicht, dass es weder von noch ggü juristischen Personen ausgeübt werden könnte (MüKo/Koch Rz 14).
B. Voraussetzungen.
Rn 4
Der Beschenkte muss sich durch eine schwere Verfehlung gegen den Beschenkten oder einen nahen Angehörigen groben Undanks schuldig gemacht haben. Erforderlich ist objektiv ein bestimmtes Maß an Schwere und subjektiv ein erkennbarer Mangel an Dankbarkeit (BGH NJW 14, 3021 [BGH 25.03.2014 - X ZR 94/12]; BGH JZ 20, 419 [BGH 22.10.2019 - X ZR 48/17], Rz 30).
Rn 5
Das Verhalten des Beschenkten ist nicht isoliert zu werten. Grober Undank setzt eine Gesamtschau voraus (BGH FamRZ 06, 196; 13, 296); dazu gehören insb die Umstände der Schenkung (BGH NJW 99, 1623), das spätere Verhalten von Schenker und Beschenktem (BGH NJW 14, 3021, 3023 [BGH 25.03.2014 - X ZR 94/12]; BGH NJW 84, 2089 [BGH 23.05.1984 - IVa ZR 229/82]) und die wirtschaftliche Lage des Beschenkten (BGH NJW 00, 3201 [BGH 11.07.2000 - X ZR 89/98]). Ein enges Verwandtschaftsverhältnis zwischen beiden hat keine erhöhte Bedeutung (BGH NJW 78, 213 [BGH 25.03.1977 - V ZR 48/75]). Das Fehlverhalten muss der Schenkung nachfolgen; ein unmittelbarer zeitlicher und sachlicher Zusammenhang ist nicht erforderlich (BGH NJW 82, 390).
Rn 6
Ist die schwere Verfehlung gegen einen nahen Angehörigen des Schenkers gerichtet, muss daraus grober Undank gerade ggü dem Schenker zu entnehmen sein (BGH NJW 99, 1623). Der Begriff des nahen Angehörigen ist weit zu fassen. Er umfasst auch Pflegekinder und -eltern sowie Lebensgefährten; die Nähe bestimmt sich nach den persönlichen Beziehungen im Einzelfall (Grüneberg/Weidenkaff Rz 2). Zum groben Undank des Schwiegerkindes durch Fehlverhalten ggü dem Kind vgl BGH NJW 99, 1623 [BGH 19.01.1999 - X ZR 60/97].
Rn 7
Die Verfehlung muss vom Beschenkten begangen sein. Bei Verfehlungen von Dritten von erheblichem Gewicht kommt ein schweres Fehlverhalten des Beschenkten als Unterlassung in Betracht, wenn er zu gegenläufigem Handeln sittlich verpflichtet war (BGH NJW 84, 2089 [BGH 23.05.1984 - IVa ZR 229/82]; 92, 183).
C. Beispiele aus der Rspr.
Rn 8
Grundloser Antrag auf Anordnung der Betreuung (BGH NJW 93, 1577; Ddorf FamRZ 99, 438); Gebrauch einer Vorsorgevollmacht gegen den Willen des Vollmachtgebers (BGH NJW 14, 3021); Anzeige oder Verdächtigung ggü dem Arbeitgeber (BGH NJW 91, 830); Bezichtigung des sexuellen Missbrauchs (Kobl NJW-RR 02, 630); Bezeichnung des Schenkers als geisteskrank (Hamm FamRZ 01, 545); das Verlangen nach sofortiger Räumung eines gewerblich genutzten Gebäudes (BGH FamRZ 93, 1297); die hartnäckige Weigerung, den vom Schenker vorbehaltenen Anspruch auf Zahlung einer Rente zu erfüllen (BGH NJW 00, 3201) oder ihm ein Grundpfandrecht zu bestellen (BGH FamRZ 93, 785); der Antrag auf Teilungsversteigerung bei geschenktem Miteigentumsanteil (Oldbg NJW-RR 98, 1); die Gründung eines Konkurrenzunternehmens durch den beschenkten Kommanditisten in derselben Stadt und Branche (BGH NJW 02, 1046 [BGH 04.12.2001 - X ZR 167/99]); eheliche Verfehlungen (BGH NJW 82, 390; FamRZ 85, 351). Schwere Verfehlungen sind nicht: Die Lösung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft (BGH FamRZ 70, 19); das Bestreiten von Behauptungen iR einer prozessualen Auseinandersetzung (Karlsr NJW 88, 3023 [OLG Karlsruhe 13.01.1988 - 6 U 202/86]).