1. Allgemeines.
Rn 116
Die nach § 535 I 2 Fall 1 geschuldete Gebrauchsüberlassung ist ein rein tatsächlicher Vorgang (BGH BB 21, 3087 Rz 40), der aber mehr als die Gestattung oder Duldung eines (Mit-)Gebrauchs oder die bloße Einräumung der Möglichkeit zum (Mit-)Gebrauch ist (BGH NJW-RR 16, 784 [BGH 27.04.2016 - VIII ZR 323/14] Rz 22; NZM 15, 592 [BGH 08.05.2015 - V ZR 62/14] Rz 18). Art und Umfang der Gebrauchsüberlassung richten sich nach den vertraglichen Vereinbarungen. Was der Vermieter im Einzelnen tun muss, richtet sich nach Art und Umfang des Gebrauchs, der dem Mieter gestattet ist (BGH ZMR 02, 905, 906). Nur wenn hiernach der Gebrauch der Mietsache notwendig deren Besitz (Rn 117) voraussetzt, gehört zur Gebrauchsgewährung auch die Verschaffung des Besitzes (BGH NZM 21, 132 [BGH 09.12.2020 - VIII ZR 238/18] Rz 30; NJW-RR 16, 784 [BGH 27.04.2016 - VIII ZR 323/14] Rz 22; Rn 117); dies gilt zB nicht bei einer Hauswand (Rn 117), bei der Zurverfügungstellung einer Werbefläche auf einem Fahrzeug (Rn 4; BGH ZMR 19, 332 Rz 10; 19, 335 Rz 10) oder im Einzelfall bei einer Anlage (so BGH BB 21, 3087 Rz 40 zu Photovoltaikmodulen). Bei nicht problemlosem Gebrauch muss der Mieter in die Benutzung eingewiesen werden. Ist der vertragsgemäße Gebrauch nur ein beschränkter, richtet er sich zB nur auf eine gelegentliche, dem jeweiligen Bedarf angepasste Nutzung, entfällt damit noch nicht das für die Miete erforderliche Element der Gebrauchsgewährung (BGH ZMR 02, 905, 906; ZMR 89, 212). Erfüllungsort der Gebrauchsüberlassung (§ 269) ist der Wohnsitz des Vermieters, bei Immobilien der Ort, wo die Sache liegt. Die Gebrauchsgewährungspflicht beginnt mit dem vereinbarten Start des Mietverhältnisses. Nutzt ein Mieter die Mietsache vorher, richten sich die Rechte und Pflichten nach den dafür getroffenen Vereinbarungen, hilfsweise analog nach dem ab Beginn geltendem System. Die Pflicht zur Gebrauchsüberlassung endet grds mit dem Ende des Mietvertrags (BGH NJW 09, 1947 [BGH 06.05.2009 - XII ZR 137/07] Rz 16).
2. Besitz und Besitzschutz.
a) Überblick.
Rn 117
Die Überlassung der Mietsache – die es nicht geben muss (Rn 116) – vermittelt dem Mieter nach hM ein Besitzrecht, das wie Eigentum iSv Art 14 I 1 GG behandelt wird (BVerfG NJW 00, 2658, 2659; 93, 2035; BGH ZMR 23, 776 Rz 15; NZM 21, 132 Rz 33; NJW 20, 835 Rz 27; 06, 220 Rz 20). Das Besitzrecht besteht an der eigentlichen Mietsache, aber ggf auch an den Räumen und Flächen, an denen der Mieter ein bloßes Mitgebrauchsrecht hat (BGH NJW 74, 1189; aA KG ZMR 13, 181 für Gartenflächen), grds aber nicht an der Fassade (LG Berlin MDR 13, 643, 644).
Rn 118
Das Besitzrecht endet mit dem (rechtlichen) Ende des Mietvertrags (BGH NJW 06, 220 [BGH 09.11.2005 - VIII ZR 339/04] Rz 20; Rn 116). Dem Mieter kann der Besitz allerdings nicht eigenmächtig entzogen werden (BVerfG NJW 93, 2035 [BVerfG 26.05.1993 - 1 BvR 208/93]; WuM 85, 75 [BVerfG 08.01.1985 - 1 BvR 792/83]). Dem Vermieter stehen gegen den Wohnraummieter, der die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurückgibt, keine Besitzschutzansprüche zu (BGH NJW 16, 863 [BGH 18.12.2015 - V ZR 160/14] Rz 13; 10, 3434 Rz 10). Verweigert der Mieter die Herausgabe, obwohl eine Kündigung wirksam ist und ein gesetzlicher Grund für die Fortsetzung des Mietvertrags nicht vorliegt, verletzt er allerdings seine Pflicht zur Rückgabe der Mietsache (§ 546 I) und verhält sich damit rechtswidrig (BGH NJW 06, 220 [BGH 09.11.2005 - VIII ZR 339/04] Rz 20).
b) Störungen und Schutz.
Rn 119
Das Besitzrecht vermittelt dem Mieter Rechte nach §§ 280, 858 ff, 1004, 1007, 823 ff oder entspr § 906 II 2 (s.a. BGH NZM 21, 132 [BGH 09.12.2020 - VIII ZR 238/18] Rz 30). Beim Besitz von Räumen liegt ein Eingriff bspw vor, wenn der Zugang zur Mietsache erschwert oder vereitelt wird oder wenn in anderer Form in einer den Mieter behindernden Weise auf die Mietsache eingewirkt wird (BGH NJW 09, 1947 [BGH 06.05.2009 - XII ZR 137/07] Rz 26). Erlaubt es eine Anwendung (Software) dem Vermieter, seine Rechte gegen den Besitzer ohne dessen Zutun durchzusetzen, lässt sich zB ein Fahrzeug oder eine Tür nicht mehr öffnen oder eine Batterie nicht mehr aufladen, liegt eine Besitzstörung vor (Linder NZM 21, 665, 668/670; aA Fries NJW 19, 905). Anders liegt es, wenn der Besitzer mit der Anwendung einverstanden war (Paulus/Matzke CR 17, 269, 775). Allerdings können nur wesentliche Beeinträchtigungen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche auslösen (BGH NJW 15, 2023 [BGH 16.01.2015 - V ZR 110/14] Rz 10; 15, 2177 Rz 35). Wird die Mietsache durch Dritte, zB Mitmieter, gestört (zB durch Rauch, Rn 171), kann der Mieter va nach §§ 823, 862, 865 vorgehen (Frankf NJW 19, 1463; LG Berlin GE 14, 1589) oder ein Handeln des Vermieters verlangen (BGH ZMR 04, 335, 336; München ZMR 92, 246, 247). Aus einem Mietvertrag und einer darin in Bezug genommenen Hausordnung soll sich ergeben können, dass der Mieter Störungen durch Mitmieter in einem bestimmten Umfang (etwa durch das Musizieren oder durch die Haustierhaltung in einer anderen Wohnung) dulden muss (BGH NJW 15, 2023 Rz 5). F...