Rn 1
§ 536 wurde durch das MRRG eingefügt, ist seit 1.9.01 in Kraft und regelt die Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln sowie fehlenden zugesicherten Eigenschaften. Die Vorschrift entspricht § 537 I, II 1, III, § 541 jeweils aF. § 537 II 2 aF wurde gestrichen. Sachmängel sind in I geregelt, für Rechtsmängel ordnet III die entspr Anwendung von I u II an. Nach dem Wortlaut in I 1 begründet § 536 keinen Anspruch, sondern die Mietminderung tritt kraft Gesetzes ein (vgl Rn 23). § 536 ist daher eine rechtsvernichtende Einwendung. Zu den Folgen einer unberechtigten Minderung s § 543 Rn 20. I a wurde durch das MietRÄndG eingefügt und ist seit 1.5.13 in Kraft. Zu den Folgen der COVID-19-Pandemie (›CORONA-Virus‹) s Rn 4, 12.
Rn 2
Neben den Rechten aus §§ 536 ff kann der Mieter während der Mietzeit seinen Primäranspruch auf Erfüllung der Gebrauchsüberlassungs- und Instandhaltungspflicht aus § 535 I 2 geltend machen (BGH NJW 03, 2158), der keiner Verjährung unterliegt (BGH NJW 10, 1292 [BGH 17.02.2010 - VIII ZR 104/09]). Deshalb wird auch die Einrede des nichterfüllten Vertrages gem § 320 nicht durch § 536 berührt (BGH NJW 15, 3087 Rz 48; NJW-RR 07, 1021). Die Höhe des Zurückbehaltungsrechts gem § 320 ist erst durch § 242 begrenzt (BGH NJW 15, 3087 Rz 55, 62: Einzelfallbetrachtung – keine Grenze iHv doppelten Mängelbeseitigungskosten durch Wertung in § 641 Abs 3; NJW-RR 07, 1021 [BGH 18.04.2007 - XII ZR 139/05]). Die Einrede aus § 320 setzt nach Treu und Glauben eine Mängelanzeige gem § 536c voraus (BGH NJW-RR 11, 447 [BGH 03.11.2010 - VIII ZR 330/09]) und erlischt nach Mangelbeseitigung (BGH NJW 19, 1745 [BGH 10.04.2019 - VIII ZR 39/18]; NJW 15, 3087 [BGH 17.06.2015 - VIII ZR 19/14] Rz 61), bei Verweigerung der Mängelbeseitigung durch den Mieter (BGH NJW 19, 2308 [BGH 10.04.2019 - VIII ZR 12/18]) oder bei Mietende (BGH WuM 06, 435 [BGH 19.06.2006 - VIII ZR 284/05]).
Rn 3
Das allgemeine Leistungsstörungsrecht (§§ 280 ff, 323 ff) wird für den Sachmangel nach dem Wortlaut in § 536 I 1 erst ab Überlassung der Mietsache von den §§ 536 ff verdrängt (BGH ZMR 97, 565). Vor Überlassung gelten die allgemeinen Vorschriften (Grüneberg/Weidenkaff § 536 Rz 7; Staud/Emmerich § 536 Rz 9). Bei Unmöglichkeit der Mängelbeseitigung war nach der Rspr zum alten Schuldrecht unklar, ob jedenfalls § 538 aF schon ab Vertragsschluss galt (so wohl BGH NJW 85, 1025 [BGH 07.12.1984 - V ZR 189/83]; dagegen BGH NJW 97, 2813 [BGH 18.06.1997 - XII ZR 192/95]). Die dies bejahende Entscheidung aus 1985 beruhte auf der Billigkeitserwägung, dass der Mieter bei Unmöglichkeit nicht auf das negative Interesse (§ 307 aF) beschränkt sein dürfe. Da das neue Schuldrecht bei anfänglicher Unmöglichkeit einen Ersatz des positiven Interesses vorsieht (§ 311a II), ist die Entscheidung überholt. Im Ergebnis ist das allgemeine Leistungsstörungsrecht bei unbehebbaren Mängeln sogar unbegrenzt einschlägig, weil bei Unmöglichkeit kein Sachmangel vorliegt (vgl Rn 7). Beim Rechtsmangel spricht der Wortlaut in III (›wird … entzogen‹) für eine Anwendung des § 536 erst ab Überlassung. Gleichwohl sollten die mietrechtlichen Gewährleistungsregeln nach der Rspr zu § 541 aF schon ab Vertragsschluss vorgehen (BGH NJW 96, 714 [BGH 29.11.1995 - XII ZR 230/94]). Da die Formulierung in III unverändert aus § 541 aF entnommen ist, dürfte diese Rspr für das aktuelle Recht fortgelten.
Rn 4
Die Störung der Geschäftsgrundlage ist, soweit sich diese auf einen Sachmangel bezieht, durch die §§ 536 ff abschließend geregelt; § 313 ist insoweit ab Überlassung der Mietsache und bei einem Rechtsmangel schon ab Vertragsschluss nicht anwendbar (BGH NJW 00, 1714 [BGH 16.02.2000 - XII ZR 279/97]). Bei nicht mangelbedingten Störungen ist ein Rückgriff auf § 313 möglich (BGH aaO; NJW 06, 899 [BGH 21.09.2005 - XII ZR 66/03] – für Verfehlung der Umsatzerwartungen bei Einkaufszentrum). Bei staatlichen Maßnahmen iRd COVID-19-Pandemie (›CORONA-Virus‹), die zu einer erheblichen Betriebseinschränkung in den Mieträumen führen, kann eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegen (kein Mietmangel s Rn 12). Das Vorliegen der TB-Merkmale des § 313 (insb Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag) muss vom Mieter bewiesen werden (BGH NJW 22, 1370: unter Berücksichtigung erhaltener staatlicher Hilfen, alternativer Online-Umsätze etc; vgl ferner BGH NZM 23, 77). Die zuvor in der OLG-Rspr vertretene feste Risikoverteilung zu je 50 % Mieter/Vermieter (Dresd NJW 21, 953 [OLG Dresden 15.02.2021 - 5 U 1782/20]) ist durch die BGH-Entscheidungen hinfällig (BGH NJW 22, 1370 [BGH 12.01.2022 - XII ZR 8/21]; BGH NZM 23, 77 [BGH 24.03.2022 - V ZB 60/21]). Eine Anfechtung durch den Mieter gem § 119 II ist gänzlich ausgeschlossen, wenn sich der Eigenschaftsirrtum auf einen Rechtsmangel bezieht – bei einem Sachmangel gilt der Ausschluss ab Überlassung (differenzierend Fischer ZMR 07, 157). Eine Anfechtung nach § 123 bleibt mangels Schutzwürdigkeit des Vermieters stets möglich. Umgekehrt gelten aufgrund fehlender Sonderregelungen in den ...