Rn 7
Ein Sachmangel ist nach dem Wortsinn jede für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache von dem vertraglichen Soll-Zustand (BGH NJW 20, 2884), welcher sich bei Fehlen ausdrücklicher Vereinbarungen im Mietvertrag anhand des vertraglichen Nutzungszwecks unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nach der Verkehrsanschauung bemisst (BGH NJW 13, 680; NJW 20, 2884). Einseitige Erwartungen des Mieters genügen idR nicht, auch wenn diese dem Vermieter bekannt sind (BGH NJW 20, 2884 [BGH 29.04.2020 - VIII ZR 31/18]). Zu den Anforderungen an weitergehende Beschaffenheitsvereinbarungen s BGH NJW 13, 680 [BGH 19.12.2012 - VIII ZR 152/12]. Unbeachtlich ist ein aus der Sphäre des Mieters entstammender Mangel (BGH NJW-RR 11, 515). Der Mangel muss nach dem Wortlaut in § 536 I 1 die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache aufheben oder mindern. Maßgeblich ist allein der vertragliche Mietzweck: Auf eine tatsächliche Gebrauchsbeeinträchtigung kommt es nicht an. Ob der Mieter die Mietsache bei Mangelfreiheit entspr genutzt hätte, ist deshalb unbeachtlich (BGH NJW-RR 18, 1285 [BGH 22.08.2018 - VIII ZR 99/17]). Wirkt ein Mangel sich nur periodisch auf die Gebrauchstauglichkeit aus, ist dieser nur für den betroffenen Zeitraum minderungsrelevant (BGH NJW-RR 18, 1483 [BGH 04.09.2018 - VIII ZR 100/18]). Eine Duldungspflicht aus § 554 bei Instandhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen beeinträchtigt das Minderungsrecht nicht, da nach dem Wortlaut ein Verschulden des Vermieters nicht erforderlich ist. Nach der ›Versicherungs-Rspr‹ des BGH kann bei bestehender Wohngebäudeversicherung sogar ein vom Mieter verschuldeter Wohnungsbrand einen Mangel begründen (BGH NJW 15, 699 [BGH 19.11.2014 - VIII ZR 191/13]). Der Mangel muss in Erscheinung getreten sein, nur ausnahmsweise genügt eine begründete Gefahrbesorgnis (Hamm NZM 03, 395 für Asbestbelastung). Resultiert der Mangel aus einem nicht bzw übervertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache durch den Mieter (§ 538), kann das Minderungsrecht außerhalb der ›Versicherungs-Rspr‹ nach der Wertung in § 326 II ausgeschlossen sein (vgl Rn 22). Ist die Mängelbeseitigung unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar (Übersteigen der ›Opfergrenze‹), so liegt kein Mangel, sondern Unmöglichkeit gem § 275 vor (BGH NJW 14, 1881 [BGH 22.01.2014 - VIII ZR 135/13]; NJW 10, 2050 [BGH 21.04.2010 - VIII ZR 131/09]). Ein Mangel liegt ebenfalls nicht vor bei wirksam übernommenen Schönheitsreparaturen, da diese dann nicht (mehr) zum Pflichtenkreis des Vermieters gem § 535 I 2 gehören (Bub/Treier III B Rz 3144).
Rn 8
Maßgeblicher Standard für die Gebrauchstauglichkeit ist grds derjenige zum Zeitpunkt der Gebäudeerrichtung (BGH NJW 19, 507 [BGH 05.12.2018 - VIII ZR 271/17]; BGH NJW 17, 1877 [BGH 21.02.2017 - VIII ZR 1/16]). Denn die Instandhaltungspflicht aus § 535 I 2 begründet nach ihrem Wortsinn keine Modernisierungspflicht. Der Vermieter hat die Mietsache daher nur iRd bei Gebäudeerrichtung geltenden Standards zu erhalten (anders ggf bei nachträglicher Änderung öffentlich-rechtlicher Vorschriften (vgl Rn 12) und nachträglichen Rechten Dritter, vgl Rz 19). Geänderte Wohnstandards bzw technischer Fortschritt sind grds unerheblich (LG Karlsruhe IMR 06, 111 Altbaufenster); allerdings kann der Mieter einen üblichen Mindeststandard erwarten (BGH NJW 04, 3174: Möglichkeit des gleichzeitigen Betriebs mehrerer elektronischer Geräte; vgl. BGH NJW-RR 19, 270 [BGH 05.12.2018 - VIII ZR 17/18]: funktionierende Telefonleitung). Nimmt der Vermieter grundlegende bauliche Veränderungen vor, müssen diese den zum Zeitpunkt des Umbaus geltenden Standards genügen (BGH NJW 13, 2417 [BGH 05.06.2013 - VIII ZR 287/12] (nicht bei kleineren Umbauten); NJW 05, 218 [BGH 06.10.2004 - VIII ZR 355/03] Trittschallschutz). Dies gilt nicht, wenn Änderungen durch andere Mieter vorgenommen werden (BGH NJW 09, 2441). Auch bei Gesundheitsgefahren kommt es wegen § 242 auf die neuesten Standards an (BVerfG ZMR 99, 687; BayObLG NJW-RR 99, 1533 zu Schadstoffbelastung). Die Einhaltung von DIN-Normen schließt einen Mangel nicht aus (Celle ZMR 85, 10), begründet aber, wenn keine über die allgemeinen Standards hinausgehende Vereinbarung getroffen wurde, einen Anscheinsbeweis für die Mangelfreiheit (vgl Frankf IMR 06, 84).
1. Substanzmangel.
Rn 9
Mietflächenunterschreitung um mehr als 10 % (BGH NJW 10, 292 [BGH 28.10.2009 - VIII ZR 164/08] und NJW 11, 1282 für Wohnraummiete; BGH NJW 05, 2152 [BGH 04.05.2005 - XII ZR 254/01] für Gewerberaummiete; darüber hinausgehend Dresd NZM 19, 784 [OLG Dresden 10.07.2019 - 5 U 151/19] bei ›echter Quadratmetermiete‹; zur Mietflächenunterschreitung um weniger als 10 %: BGH NJW-RR 21, 264 [BGH 25.11.2020 - XII ZR 40/19]) – allerdings muss die Fläche auch vereinbart sein (Flächenangabe im Mietvertrag BGH NJW 10, 293, ›ca.‹-Angabe genügt BGH NJW 10, 1745 [BGH 10.03.2010 - VIII ZR 144/09]; keine Vereinbarung bei Klarstellung, dass die vertragliche Mietfläche nicht zur Festlegung des Mietgegenstands dient: BGH NJW 11, 220 [BGH ...