Prof. Dr. Martin Schöpflin
Gesetzestext
(1) 1Für Vereine, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist und die nicht durch Eintragung in das Vereinsregister Rechtspersönlichkeit erlangt haben, sind die Vorschriften der §§ 24 bis 53 entsprechend anzuwenden. 2Für Vereine, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist und die nicht durch staatliche Verleihung Rechtspersönlichkeit erlangt haben, sind die Vorschriften über die Gesellschaft entsprechend anzuwenden.
(2) Aus einem Rechtsgeschäft, das im Namen eines Vereins ohne Rechtspersönlichkeit einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet der Handelnde persönlich; handeln mehrere, haften sie als Gesamtschuldner.
A. Grundlagen und Reform.
Rn 1
Die Vorschrift wurde durch das MoPeG v 10.8.21 (BGBl I Nr 53, BGBl I 2021, 3436) neu gefasst. Entspr der schon bislang geltenden Rechtslage wollte der Gesetzgeber damit nun ausdrücklich für nicht eingetragene Vereine mit ideellem Zweck die §§ 24–53 für anwendbar erklären (RegE MoPeG, BTDrs 19/27635, 123f). Es wird durch die Bezeichnung ›Vereine ohne Rechtspersönlichkeit‹ klargestellt, dass dem Verein die juristische Persönlichkeit fehlt und die aufgrund der Annahme, der nichtrechtsfähige Verein sei rechtsfähig, unpassend gewordene Terminologie aufgegeben. Der VoRp unterscheidet sich vom eV durch die fehlende Eintragung in das Vereinsregister, in Betracht kommen alle Vereine, insbes auch Parteien und Gewerkschaften sowie selbstständige Untergliederungen von Großvereinen. Für wirtschaftliche VoRp bleibt es nach dem neuen I 2 bei der Verweisung auf das Gesellschaftsrecht, sodass je nach Umfang der wirtschaftlichen Tätigkeit die Vorschriften über die GbR (§§ 705 ff) oder die OHG (§§ 105 ff HGB) Anwendung finden (RegE MoPeG, BTDrs 19/27635, 124).Die Regelung zur Handelndenhaftung bleibt unverändert und ist nunmehr in Abs 2 enthalten.
B. Rechtsgeschichtliches und Rechtspolitisches.
Rn 2
Mit der Verweisung auf das Recht der Gesellschaft griff das BGB die bis dahin herrschende Rechtslage auf und sicherte das System der Normativbestimmungen ab, nach dem rechtsfähige Idealvereine durch Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen aufgrund Eintragung entstehen. Im Jahr 1900 hatte die Verwaltungsbehörde ein Einspruchsrecht gegen die Eintragung (sozial-)politischer oder religiöser Vereine. Das AG konnte von dem Vorstand des eV jederzeit ein Verzeichnis der Namen sämtlicher Vereinsmitglieder verlangen. Diese Kontrollbefugnisse gibt es nicht mehr und damit keinen Grund, die Eintragung zu meiden.
Rn 3
Die Gründung eines eV ist mit äußerst geringem Kostenaufwand möglich, das Vereinsregister dient legitimen Zwecken des Rechtsverkehrsschutzes. § 54 I 2 verstößt mit seiner Verweisung für wirtschaftliche VoRp in das scheinbar wenig passende Personengesellschaftsrecht auch nicht gegen das GG, weil genügend zumutbare Rechtsformalternativen vorhanden sind; das gilt auch für VoRp mit ideellem Zweck ist mit demr eV eine zumutbare Rechtsform vorhanden (Schöpflin 117–139 mwN auch zur Gegenmeinung). Daher war es nicht notwendig, durch § 54 I 1 Anreize zur Eintragung abzubauen.
C. Verweisung.
Rn 4
§ 54 I 1 ist eine dynamische Verweisung, die auf das Recht des Vereins in seiner jeweiligen Ausgestaltung Bezug nimmt. Für den wirtschaftlichen VoRp verweist § 54 I 2 auf das Recht der GbR bzw OHG.
D. Abgrenzung zu anderen Rechtsformen.
I. GbR.
Rn 5
Die Abgrenzung zur GbR ist angesichts § 54 II und wegen der Frage, ob das Innenrecht des Vereins oder der GbR Anwendung findet, unverzichtbar. Der VoRp setzt begrifflich einen gemeinsamen Zweck, Gesamtnamen sowie körperschaftliche Struktur durch Vorstand, Mitgliederversammlung und Unabhängigkeit vom Mitgliederwechsel voraus. Er muss mindestens drei (nach aA zwei) Mitglieder haben und insofern von Dauer sein als die angestrebte Länge seines Bestehens Raum lassen muss für praktizierte körperschaftliche Organisation. Diese zur Unterscheidung von der GbR dienenden Einzelkriterien bedürfen einer Gesamtbetrachtung (s.a. Rn 10).
Rn 6
Wegen der Schwierigkeit der Abgrenzung nimmt die Rspr Mischformen zwischen VoRp und GbR an (BGH NJW 79, 2304 [BGH 02.04.1979 - II ZR 141/78]). Jedoch muss jede Vereinigung eindeutig einer Rechtsform zugeordnet werden. Freilich kann ein Verein personalistischer sein als ein anderer, so dass im Innenrecht mit Vorsicht ergänzend Normen aus dem Recht der GbR Anwendung finden können. Das ändert aber nichts daran, dass der VoRp eine Körperschaft ist und nicht lediglich eine körperschaftlich verfasste Gesellschaft (aA Bergmann ZGR 05, 654).
II. Vorvereine und Vorgesellschaften.
Rn 7
Vorvereine, die die Rechtspersönlichkeit durch Eintragung oder Konzessionierung anstreben, sind VoRp. Da das Vereinsrecht die Grundform des Rechts privater Körperschaften darstellt, sind die Vorgesellschaften anderer Rechtsform (zB die Vor-GmbH) als VoRp anzusehen (aA die hM, etwa BGHZ 20, 281, 285; Grüneberg/Ellenberger Rz 3). Freilich haben sich die Gründer dafür entschieden, eine AG, GmbH oder eG zu schaffen, so dass das Organisationsrecht dieser Rechtsformen gilt. Die Verweisung des § 54 I 2 ermöglicht es aber, die persönliche Außenhaftung der Gesellschafter nach § 126 HGB zu b...