Gesetzestext
Eine Vereinbarung, durch die sich der Vermieter eine Vertragsstrafe vom Mieter versprechen lässt, ist unwirksam.
A. Grundsätzliches.
I. Entstehungsgeschichte.
Rn 1
Das seit 1964 geltende Verbot von Vertragsstrafen im Wohnraummietrecht hat § 555 aus § 550 aF unverändert übernommen.
II. Normzweck.
Rn 2
Der soziale Schutzzweck des § 555 soll den Wohnraummieter gegen eine Übervorteilung seitens des Vermieters schützen.
B. Regelungsgehalt.
I. Anwendungsbereich.
Rn 3
§ 555 gilt nur für Wohnraummietverhältnisse und nur gegen Vertragsstrafeversprechen des Mieters, die auch in einem Räumungsvergleich enthalten sein können (AG Hambg-Blankenese ZMR 08, 300 und in Abgrenzung dazu LG Berlin GE 16, 725, GE 14, 1202; vgl BGH NZM 10, 39 = WuM 09, 739 zur Verfallklausel; Blank NZM 10, 31 zum bedingten Räumungsvergleich; LG Freiburg Info M 13, 351 [LG Freiburg 07.03.2013 - 3 S 7/13]). Str ist bei Mischmietverhältnissen, ob § 555 eingreift, wenn der Vertrag seinen Schwerpunkt im Wohnraummietrecht hat oder ob es darauf ankommt, ob die mit der Vertragsstrafe versehene Pflicht des Mieters dem gewerblichen oder dem Wohnraummietrecht zuzuordnen ist (vgl Staud/Emmerich § 555 Rz 2). § 555 ist analog anwendbar, wenn sich für den Mieter ein Dritter zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet hat. Sonstige Vertragsstrafenversprechen in Formularklauseln sind an den §§ 309 Nr 5, 308 Nr 7 und § 307 bzw § 9 WoBindG zu messen.
II. Tatbestandsvoraussetzungen.
1. Vorliegen eines mieterseitigen Vertragsstrafeversprechens.
Rn 4
Vertragsstrafe ist iSd §§ 339 ff zu verstehen, wonach der Schuldner eine Leistung für den Fall verspricht, dass er seine Verbindlichkeit nicht oder nicht in gehöriger Weise erfüllt. Vertragsstrafeversprechen wurden angenommen für eine Vereinbarung, dass der Mieter sich bei vorzeitiger Vertragsauflösung zur Zahlung eines Pauschalbetrages verpflichtet (AG Berlin-Charlottenbg GE 96, 869), dass bei Vertragsende auf Wunsch des Mieters mit Einverständnis des Vermieters der Mieter einen Festbetrag schuldet, Verpflichtung des Mieters bei Unterlassung der Schönheitsreparaturen oder bei einem Verstoß gegen ein Konkurrenzverbot vier Monatsmieten an den Vermieter zu zahlen (AG Köln MDR 71, 929), die Bestimmung, dass der Mieter beim Verstoß gegen die Anzeigepflicht des § 536c sämtliche Reparaturkosten tragen muss (LG Stuttgart WuM 87, 254 ff), die Vereinbarungen überhöhter Pauschalen mit Strafcharakter bei Beschädigung der Mietsache (AG Frankfurt WuM 90, 195). Zum Verlust einer Sonderkondition/geringen Miethöhe vgl LG Köln ZMR 20, 128. Verwaltungspauschalen fallen nicht unter § 555, sind aber idR wie Vertragsausfertigungsgebühren (LG Hambg ZMR 09, 534) nichtig.
2. Ähnliche Vereinbarungen zu Lasten des Mieters.
Rn 5
Bei Verfallklauseln bezogen auf Mietkaution oder Mietvorauszahlungen wird eine analoge Anwendung des § 555 allgemein bejaht (BGH NJW 60, 1568; 68, 1625 [BGH 22.05.1968 - VIII ZR 69/66]). Dasselbe gilt für Verzichte des Mieters auf Rückzahlung eines dem Vermieter gewährten Darlehens oder eines nicht abgewohnten Baukostenzuschusses. § 555 ist nicht analog auf Vorschriften über pauschalierten Schadensersatz anwendbar (Hambg ZMR 90, 270 = WuM 90, 244 [OLG Hamburg 17.04.1990 - 4 U 222/89]). Lammel (§ 555 Rz 12) hält solche Regelungen in Formularmietverträgen für zulässig, die für den Fall des Zahlungsverzugs des Mieters oder einer durch den Mieter verschuldeten fristlosen Kündigung des Vermieters pauschale Regelungen hinsichtlich des Schadensumfangs treffen. § 309 Nr 5b ist insoweit zu beachten. Reugelder (§§ 336 II, 353) unterfallen § 555 ebenso wie selbstständige Strafversprechen, weil damit ähnliche Zwecke wie mit der Vertragsstrafe verfolgt werden. Es kann nicht wirksam geregelt werden, dass die Kündigung des Mieters in der Zeit eines vereinbarten Kündigungsausschlusses nur gegen Leistung einer Abstandszahlung zulässig sein soll (AG Dresden WuM 17, 201).
3. Abdingbarkeit.
Rn 6
§ 555 ist trotz fehlender ausdrücklicher Anordnung nicht abdingbar.
III. Rechtsfolgen.
Rn 7
Gegen § 555 verstoßende Vertragsklauseln oder Absprachen sind unwirksam, ohne über § 139 den sonstigen Teil des Mietvertrags zu tangieren. Geleistete Zahlungen kann der Mieter nach § 812, dh über Bereicherungsrecht zurückfordern (Ausn: § 814). Verpflichtet sich der Mieter im Rahmen eines Prozessvergleichs im Fall der Verletzung seiner Zahlungspflicht zur Räumung der Wohnung, so stellt die vereinbarte Räumungs- und Zahlungsverpflichtung ein nach § 555 unwirksames Vertragsstrafenversprechen dar. Es besteht in einem solchen Fall keine Möglichkeit des Vermieters, die Zwangsvollstreckung aus dem Räumungsvergleich zu betreiben (LG Berlin GE 14, 803).