Gesetzestext
(1) Ist die Miete, die der vorherige Mieter zuletzt schuldete (Vormiete), höher als die nach § 556d Absatz 1 zulässige Miete, so darf eine Miete bis zur Höhe der Vormiete vereinbart werden. Bei der Ermittlung der Vormiete unberücksichtigt bleiben Mietminderungen sowie solche Mieterhöhungen, die mit dem vorherigen Mieter innerhalb des letzten Jahres vor Beendigung des Mietverhältnisses vereinbart worden sind.
(2) Hat der Vermieter in den letzten drei Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b durchgeführt, so darf die nach § 556d Absatz 1 zulässige Miete um den Betrag überschritten werden, der sich bei einer Mieterhöhung nach § 559 Absatz 1 bis 3a und § 559a Absatz 1 bis 4 ergäbe. Bei der Berechnung nach Satz 1 ist von der ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 558 Absatz 2) auszugehen, die bei Beginn des Mietverhältnisses ohne Berücksichtigung der Modernisierung anzusetzen wäre.
A. Zweck und Allgemeines.
Rn 1
§ 556e I, der nach hM verfassungsgemäß ist (BGH ZMR 20, 629 Rz 79), ist Ausdruck des Bestandsschutzes (BGH WuM 23, 603 Rz 51) und Folge aus Art 14 GG, § 556e II privilegiert hingegen vorausgegangene Modernisierungsmaßnahmen. Sind § 556e I und II jew tatbestandlich erfüllt, kann eine Miete nach der günstigeren Vorschrift verlangt werden. Unzulässig ist nach Sinn und Zweck eine Kombination, also etwa die Berufung auf eine Vormiete, welche die zulässige Miete übersteigt, und zusätzlich die Geltendmachung eines Erhöhungsbetrags wegen Modernisierung. Ausgenommen sind Mietpreisvereinbarungen bei Abschluss des Mietvertrags oder Index- oder Staffelmietvereinbarungen. Zur Abdingbarkeit s § 556g I 1. Zur Gesetzesgeschichte vor §§ 556d–556g Rn 1 f.
B. Bestandsschutz (§ 556e I).
I. Überblick.
Rn 2
Um zu klären, ob der Vermieter nach § 556e I 1 Bestandsschutz genießt, sind die Vormiete (Rn 3) und die nach § 556d I zulässige Miete (§ 556d Rn 6 ff) zu vergleichen
II. Vormiete.
1. Begriff.
Rn 3
Vormiete ist: die Miete (§ 535 Rn 176 ff), die der vorherige Mieter, für die identische (BGH WuM 23, 603 [BGH 05.07.2023 - VIII ZR 94/21] Rz 50 und Rz 51) Mietsache (§ 535 Rn 103 ff) wirksam (auch die Vor-Vormiete kann mithin Vormiete sein: s.a. BGH WuM 24, 144 Rz 20; ZMR 23, 964 Rz 20 ff) geschuldet – nicht gezahlt – hat (dabei sind ggf auch §§ 556d ff zu beachten). Für die notwendige Identität ist va zu prüfen, ob weitere Räume, Flächen und Berechtigungen hinzugekommen oder weggefallen sind. Ist es so, fehlt es an einer Identität und § 556e ist nicht anwendbar. Ist die Mietsache identisch, gingen die vorherigen Mietvertragsparteien aber zB von einer anderen Wohnfläche aus, oder nahmen diese zu Unrecht aus, ändert dieses an der Identität hingegen nichts.
Rn 4
Bei dem Vormietverhältnis muss es sich um ein Wohnraummietverhältnis handeln (BGH NJW-RR 20, 1337 Rz 14). Dass die Mietsache zeitweilig leer stand und/oder vom Vermieter genutzt/gebraucht wurde, ist unerheblich (LG Berlin GE 18, 1460). Eine zwischenzeitliche Vermietung als Gewerberaum steht der Anwendung des § 556e I 1 hingegen entgegen (BGH NJW-RR 20, 1337 [BGH 19.08.2020 - VIII ZR 374/18] Rz 17).
2. Ermittlung der Vormiete.
Rn 5
Bei der Ermittlung der Vormiete unberücksichtigt bleiben zum einen Mietminderungen. Liegt der Mangel noch vor, mindert sich nämlich die neue Miete. Ob der Mangel behehbbar ist, ist dabei belanglos; dies gilt auch bei Flächenabweichungen (s.a. Rn 3).
Rn 6
Zum anderen bleiben Mieterhöhungen, die mit dem vorherigen Mieter innerhalb des letzten Jahres vor Beendigung des Mietvertrags – ggf nach § 894 ZPO oder als Vergleich – vereinbart worden sind, unberücksichtigt (§§ 187 I, 188 II). Ein kollusives Zusammenwirken zum Nachteil des Neumieters ist dabei keine Voraussetzung. Mieterhöhungen nach §§ 559, 560 sind unbeachtlich; sie werden nicht vereinbart. Keine vereinbarte Mieterhöhung liegt vor, wenn der Vermieter nach Abschluss einer Modernisierungsmaßnahme die Miete nach den §§ 559, 559b erhöht hatte. Will der Vermieter die Mietstruktur (§ 535 Rn 177) ändern, muss er die Miete entspr § 558 Rn 18–20 umrechnen. Zuschläge auf die Vormiete, zB nach § 553 II, sind abzuziehen, wenn es bei der Neuvermietung keine Entsprechung gibt (Flatow WuM 15, 191, 198).
III. Rechtsfolge (§ 556e I 1).
Rn 7
Ist die Vormiete höher als die nach § 556d I zulässige Miete, darf eine Miete bis zur Höhe der Vormiete vereinbart werden. § 556e I 1 ist auch dann anzuwenden, wenn in dem ebenfalls bereits den Regelungen der §§ 556d ff unterliegenden Vormietverhältnis eine hiernach unzulässig überhöhte Miete vereinbart wurde (BGH MDR 23, 1304 Rz 20). Als geschuldete Vormiete ist in diesem Fall die gem § 556g I 1, 2 auf die zulässige Höhe reduzierte Miete anzusehen (BGH MDR 23, 1304 Rz 20). Dies gilt auch dann, wenn die in dem Vormietverhältnis zulässige Miethöhe ihrerseits aufgrund einer Anwendung von § 556e I 1, also unter Heranziehung der Vor-Vormiete, bestimmt worden ist (BGH MDR 23, 1304 [BGH 19.07.2023 - VIII ZR 229/22] Rz 20).
C. Modernisierungsmaßnahmen (§ 556e II).
I. Überblick.
Rn 8
Hat der Vermieter Modernisierungsmaßnahmen iSd § 555b durchgeführt, darf nach § 556e II die nach § 556d I zulässige Miete überschritten werden. Handelt es sich um eine ›umfassend...