Rn 21
Einfache Mietspiegel sind nach hM eine Hilfstatsache (Indiz) für die behauptete Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete (BGH NZM 19, 250 Rz 17; ZMR 17, 582 Rz 21 und Rz 26) – soweit diese die Tatbestandsmerkmale des § 558c I erfüllen (BGH NJW 13, 775 [BGH 21.11.2012 - VIII ZR 46/12] Rz 17). Ihre Werte können also im Wege freier Beweiswürdigung nach § 287 II ZPO zur Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete herangezogen werden (BGH NJW-RR 22, 1239 Rz 16 ff; NZM 19, 250 Rz 23; ZMR 17, 582 Rz 29). Ob der Mietspiegel für die Beurteilung ausreicht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (BGH NZM 20, 551 Rz 102; 19, 250 Rz 17). Maßgebend für die Reichweite der Indizwirkung sind insbes die Qualität des Mietspiegels und die Einwendungen der Parteien gegen den Erkenntniswert der darin enthaltenen Angaben (BGH NZM 20, 551 [BGH 27.05.2020 - VIII ZR 45/19] Rz 102; 19, 250 Rz 17).
Rn 22
Geeignet ist nach hM nicht nur der beim Zugang des Mieterhöhungsverlangens geltende Mietspiegel (dazu § 558a Rn 21). Auch ein danach erstellter soll eine Hilfstatsache sein können (BGH ZMR 17, 582 Rz 27). Er lasse grds einen Rückschluss auf die ›Mietsteigerungsrate‹ seit der vorangegangenen Erhebung zu (BGH ZMR 17, 582 Rz 27). Etwa eine lineare Interpolation (Zuschlag zu den Werten des älteren Mietspiegels bzw Abschlag von den Werten des jüngeren Mietspiegels) soll insoweit möglich sein (BGH ZMR 17, 582 Rz 30; LG Berlin ZMR 18, 755) – was kritisch zu sehen ist, da dem Tatgericht idR verlässliche Kriterien für eine eigenständige Vor- oder Rückrechnung auf den maßgeblichen Zeitpunkt fehlen (BVerfG NJW 92, 1377). Der Gesetzgeber hat dieses Problem im Übrigen gesehen – und eine Verzögerung bewusst hingenommen (BVerfG NJW 92, 1377 [BVerfG 03.04.1990 - 1 BvR 268/90]).
Rn 23
Weist ein Mietspiegel Spannen aus, soll auch das Gericht die Wohnung grds innerhalb der Spanne einordnen müssen (BGH NJW-RR 22, 1239 Rz 16 ff; NJW 11, 2284, 2285 [BGH 04.05.2011 - VIII ZR 227/10]). Sieht der Mietspiegel indes Zu- oder Abschläge vor, kann die Spanne über- oder unterschritten werden (BGH NJW 13, 2963 [BGH 03.07.2013 - VIII ZR 354/12] Rz 26). In Gemeinden, in denen eine Orientierungshilfe für die Einordnung zur Verfügung gestellt wird, kann diese iRv § 287 II ZPO genutzt werden (BGH NJW-RR 22, 1239 Rz 18). Zu den Bewertungskriterien zählen nicht nur die dort angegebenen Wohnwertmerkmale, sondern auch die Vorgaben zu ihrer Bewertung (BGH NJW-RR 22, 1239 Rz 18). Es ist nicht zu beanstanden, diesem Bewertungssystem uneingeschränkt zu folgen (BGH NJW-RR 22, 1239 Rz 18). Es ist aber auch möglich, zusätzliche Aspekte zu berücksichtigen und eine andere Gewichtung vorzunehmen, was allerdings regelmäßig sachverständige Beratung des Gerichts bedingen wird (BGH NJW-RR 22, 1239 [BGH 14.06.2022 - VIII ZR 24/21] Rz 18). Gibt es keine Orientierungshilfe, muss das Gericht selbständig zu einer Einordnung kommen. Dabei kommt dem Mittelwert des Mietspiegelfeldes eine besondere Bedeutung zu: Ohne weitere Angaben ist grds von ihm auszugehen (LG Dortmund WuM 10, 633 [LG Dortmund 20.08.2010 - 17 S 48/10]).
Rn 24
Ob ein einfacher Mietspiegel als Hilfstatsache ausreicht und die richterliche Überzeugung iSv § 286 I 1 ZPO trägt, hängt auch davon ab, welche Einwendungen der Mieter gegen den Erkenntniswert der Angaben des Mietspiegels erhebt. Dass er nicht von der Gemeinde, sondern gemeinsam von Interessenvertretern der Mieter und der Vermieter erstellt wurde, ist insoweit unschädlich (BGH NJW 10, 2946 Rz 12). Trägt der Mieter aber substanziiert vor, den Verfassern des Mietspiegels habe es an der erforderlichen Sachkunde gefehlt oder sie hätten sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen oder der Mietspiegel beruhe auf unrichtigem oder nicht repräsentativem Datenmaterial, ist dem nachzugehen (BGH NJW 10, 2946 [BGH 16.06.2010 - VIII ZR 99/09] Rz 13). Verbleiben danach Zweifel, reicht der einfache Mietspiegel nicht mehr für eine richterliche Überzeugungsbildung. In diesem Fall ist es Sache des Vermieters, anderweit Beweis anzutreten.