Rn 19
Von der Einholung eines Sachverständigengutachtens kann abgesehen werden, wenn das Gericht über Ortskenntnis verfügt und ein qualifizierter (Rn 20) oder einfacher Mietspiegel (Rn 21) vorliegt (BGH NJW-RR 21, 1017 [BGH 28.04.2021 - VIII ZR 22/20] Rz 21; NZM 21, 88 [BGH 18.11.2020 - VIII ZR 123/20] Rz 33; NJW 11, 2284 [BGH 04.05.2011 - VIII ZR 227/10] Rz 20). Gegen die Verwendung von Mietspiegeln im Prozess bestehen keine, auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG NJW 92, 1377 [BVerfG 03.04.1990 - 1 BvR 268/90]).
(1) Vermutung des § 558d III.
Rn 20
Nach § 558d III wird iSv § 292 ZPO vermutet, dass die in einem qualifizierten Mietspiegel – wenn ein Mietspiegel als solcher anzusehen ist (dazu § 558d Rn 5 ff) – bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben. Die Vermutungswirkung kann von dem Prozessgegner nur durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden (§ 292 1 ZPO). Die Vermutung ist durch jedes Beweismittel widerlegbar (LG Berlin GE 04, 180; aA LG Frankfurt/M WuM 10, 570), va durch ein vom Gericht eingeholtes Gutachten, das zB methodische Mängel bei der Aufstellung des Mietspiegels offenbart (LG Hamburg WuM 05, 726 [LG Hamburg 10.06.2005 - 311 S 8/05]). Wird dagegen die Qualifikation des Mietspiegels hinreichend bestritten, ist das Gericht allerdings nicht gehalten, zunächst Beweis darüber zu erheben, ob der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden ist (BGH NZM 21, 88 Rz 29). Es kann stattdessen auch ein Sachverständigengutachten einholen (BGH NZM 21, 88 Rz 29). Soweit sich der Vermieter auf § 558d III beruft, erfolgt die Überprüfung anhand eines Vergleichs der in dem Mietspiegel ausgewiesenen Mietspanne mit der begehrten erhöhten Miete (BGH ZMR 05, 771, 772; NJW 04, 1379). Das Gericht hat die in § 558 II definierte ortsübliche Vergleichsmiete für die betreffende Wohnung festzustellen und die Wohnung innerhalb der Spanne einzustufen. Die konkrete ortsübliche Vergleichsmiete innerhalb der Mietspiegelspanne kann durch Schätzung gem § 287 II ZPO ermittelt werden (BGH NZM 21, 88 Rz 31; ZMR 05, 771, 772). Zur Grundlage einer Schätzung kann das Gericht eine dem Mietspiegel beigefügte Orientierungshilfe nutzen (BGH ZMR 05, 771, 772; KG IMR 09, 373). Zur Beweislast bei Mietspiegeln s Börstinghaus NZM 02, 273.
(2) Einfache Mietspiegel.
Rn 21
Einfache Mietspiegel sind nach hM eine Hilfstatsache (Indiz) für die behauptete Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete (BGH NZM 19, 250 Rz 17; ZMR 17, 582 Rz 21 und Rz 26) – soweit diese die Tatbestandsmerkmale des § 558c I erfüllen (BGH NJW 13, 775 [BGH 21.11.2012 - VIII ZR 46/12] Rz 17). Ihre Werte können also im Wege freier Beweiswürdigung nach § 287 II ZPO zur Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete herangezogen werden (BGH NJW-RR 22, 1239 Rz 16 ff; NZM 19, 250 Rz 23; ZMR 17, 582 Rz 29). Ob der Mietspiegel für die Beurteilung ausreicht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (BGH NZM 20, 551 Rz 102; 19, 250 Rz 17). Maßgebend für die Reichweite der Indizwirkung sind insbes die Qualität des Mietspiegels und die Einwendungen der Parteien gegen den Erkenntniswert der darin enthaltenen Angaben (BGH NZM 20, 551 [BGH 27.05.2020 - VIII ZR 45/19] Rz 102; 19, 250 Rz 17).
Rn 22
Geeignet ist nach hM nicht nur der beim Zugang des Mieterhöhungsverlangens geltende Mietspiegel (dazu § 558a Rn 21). Auch ein danach erstellter soll eine Hilfstatsache sein können (BGH ZMR 17, 582 Rz 27). Er lasse grds einen Rückschluss auf die ›Mietsteigerungsrate‹ seit der vorangegangenen Erhebung zu (BGH ZMR 17, 582 Rz 27). Etwa eine lineare Interpolation (Zuschlag zu den Werten des älteren Mietspiegels bzw Abschlag von den Werten des jüngeren Mietspiegels) soll insoweit möglich sein (BGH ZMR 17, 582 Rz 30; LG Berlin ZMR 18, 755) – was kritisch zu sehen ist, da dem Tatgericht idR verlässliche Kriterien für eine eigenständige Vor- oder Rückrechnung auf den maßgeblichen Zeitpunkt fehlen (BVerfG NJW 92, 1377). Der Gesetzgeber hat dieses Problem im Übrigen gesehen – und eine Verzögerung bewusst hingenommen (BVerfG NJW 92, 1377 [BVerfG 03.04.1990 - 1 BvR 268/90]).
Rn 23
Weist ein Mietspiegel Spannen aus, soll auch das Gericht die Wohnung grds innerhalb der Spanne einordnen müssen (BGH NJW-RR 22, 1239 Rz 16 ff; NJW 11, 2284, 2285 [BGH 04.05.2011 - VIII ZR 227/10]). Sieht der Mietspiegel indes Zu- oder Abschläge vor, kann die Spanne über- oder unterschritten werden (BGH NJW 13, 2963 [BGH 03.07.2013 - VIII ZR 354/12] Rz 26). In Gemeinden, in denen eine Orientierungshilfe für die Einordnung zur Verfügung gestellt wird, kann diese iRv § 287 II ZPO genutzt werden (BGH NJW-RR 22, 1239 Rz 18). Zu den Bewertungskriterien zählen nicht nur die dort angegebenen Wohnwertmerkmale, sondern auch die Vorgaben zu ihrer Bewertung (BGH NJW-RR 22, 1239 Rz 18). Es ist nicht zu beanstanden, diesem Bewertungssystem uneingeschränkt zu folgen (BGH NJW-RR 22, 1239 Rz 18). Es ist aber auch möglich, zusätzliche Aspekte zu berücksichtigen und eine andere Gewichtung vorzunehmen, was allerdings regelmäßig sachverständige Beratung ...