Gesetzestext
1Es wird vermutet, dass der Vermieter seine Pflichten aus dem Schuldverhältnis verletzt hat, wenn
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mit der baulichen Veränderung nicht innerhalb von zwölf Monaten nach deren angekündigtem Beginn, oder, wenn Angaben hierzu nicht erfolgt sind, nach Zugang der Ankündigung der baulichen Veränderung begonnen wird, |
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in der Ankündigung nach § 555c Absatz 1 ein Betrag für die zu erwartende Mieterhöhung angegeben wird, durch den die monatliche Miete mindestens verdoppelt würde, |
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die bauliche Veränderung in einer Weise durchgeführt wird, die geeignet ist, zu erheblichen, objektiv nicht notwendigen Belastungen des Mieters zu führen, oder |
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die Arbeiten nach Beginn der baulichen Veränderung mehr als zwölf Monate ruhen. |
2Diese Vermutung gilt nicht, wenn der Vermieter darlegt, dass für das Verhalten im Einzelfall ein nachvollziehbarer objektiver Grund vorliegt.
A. Überblick.
I. Gesetzesgeschichte, Zweck und Allgemeines.
Rn 1
§ 559d ist durch das MietAnpG v 18.12.18 (BGBl I 2648) mWv 1.1.19 in das Gesetz eingefügt worden. Er stellt für die genannten 4 Fälle, solche nach §§ 241 II, 280 I, 823, 826, als Beweislastregelung die Vermutung (§ 292 S 1 ZPO) auf, dass der Vermieter seine vertraglichen Pflichten verletzt hat (§§ 241 II, 535). Er soll einem ›Herausmodernisieren‹ entgegenwirken (BTDrs 19/4672, 33). Dies soll durch eine Vermutung für pflichtwidriges Verhalten bei Verhaltensweisen in Zusammenhang mit der Ankündigung oder Durchführung baulicher Veränderungen erreicht werden.
Rn 2
§ 559d wird durch § 6 I WiStG flankiert. Danach handelt ordnungswidrig, wer in der Absicht, einen Mieter von Wohnraum hierdurch zur Kündigung oder zur Mitwirkung an der Aufhebung des Mietverhältnisses zu veranlassen, eine bauliche Veränderung (§ 555b Rn 2) in einer Weise durchführt oder durchführen lässt, die geeignet ist, zu erheblichen, objektiv nicht notwendigen Belastungen des Mieters zu führen.
II. Anwendungsbereich.
Rn 3
Gem Art 229 § 49 I 3 EGBGB ist § 559d nur anzuwenden auf ein Verhalten nach dem 31.12.18.
B. Die Fälle.
Rn 4
Das Gesetz vermutet in vier Fällen, dass der Vermieter (wenigstens) seine Pflichten aus dem Schuldverhältnis verletzt hat:
- § 559d S 1 Nr 1: Verzögerter oder fehlender Baubeginn. §§ 187 ff sind anwendbar.
- § 559d S 1 Nr 2: Verdopplung der monatlichen Miete. Es gilt die jew vereinbarte Mietstruktur. Maßgeblich ist die Ankündigung, nicht die Erhöhung.
- § 559d S 1 Nr 3: Objektiv nicht notwendige Belastungen des Mieters (s.a. § 555d Rn 14a). Beispiele nach BTDrs 19/4672, 34: mehrmonatiges Verhängen der Fenster mit einer blickdichten Plane, ohne dass im zeitlichen Anschluss Maßnahmen durchgeführt werden, für die eine solche Plane notwendig wären. Besonders lärmintensive Maßnahmen, die ohne erkennbaren Grund überwiegend zur Unzeit (sehr früh morgens, spät abends) ausgeführt werden. Längerfristiges Abstellen von Wasser. Die Beeinträchtigung grundlegendster Sicherheitsstandards, zB das nicht bloß kurzfristige Aushängen der Haustür.
- § 559d S 1 Nr 4: Ruhen der Arbeiten länger als 12 Monate. §§ 187 ff sind anwendbar. Geringfügige Arbeiten müssen nach Sinn und Zweck außer Betracht bleiben. Ob Arbeiten ›ruhen‹, ist stets eine Frage des Einzelfalls.
C. Widerlegung der Vermutung.
Rn 5
Die Vermutungen sind widerlegt, wenn der Vermieter den Beweis des Gegenteils führen kann.
Rn 6
Überblick:
- Die Vermutung des § 559d 1 Nr 1 kann zB durch den Beweis widerlegt werden, dass die deutliche Verzögerung des Baubeginns nicht auf den Vermieter zurückzuführen bzw von ihm nicht zu verantworten ist (BTDrs 19/4672, 35). Dies ist etwa der Fall, wenn der Vermieter aus nachvollziehbaren Gründen von einer ernsthaft geplanten Maßnahme Abstand genommen hat, zB aufgrund der Veränderung seiner eigenen finanziellen Situation, wegen der Vorrangigkeit anderer Maßnahmen oder wenn die Maßnahme sich zB wegen Verzögerungen in Genehmigungsverfahren oder wegen der schlechten Verfügbarkeit von Handwerkern zeitlich verschoben hat (BTDrs 19/4672, 33).
- Die Vermutung nach § 559d 1 Nr 2 kann durch den Beweis widerlegt werden, dass die angekündigte Maßnahme Kosten erfordert, die zu einer solchen Mieterhöhung führen können (BTDrs 19/4672, 33).
- Die Vermutung nach § 559d 1 Nr 3 kann durch den Beweis widerlegt werden, dass die jeweilige Belastung objektiv notwendig war.
- Die Vermutung nach § 559d 1 Nr 4 kann durch den Beweis widerlegt werden, dass die deutliche zeitliche Unterbrechung der Baudurchführung nicht auf den Vermieter zurückzuführen bzw von ihm nicht zu verantworten ist (BTDrs 19/4672, 33).