Rn 29
Der Vermieter, der eine Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, sie alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen, setzt sich mit einer später hierauf gestützten Eigenbedarfskündigung zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch, wenn er den Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, bei Vertragsschluss nicht über die Aussicht einer begrenzten Mietdauer aufklärt (BGH ZMR 15, 368). Es liegt kein Rechtsmissbrauch vor, wenn der Vermieter einen unbefristeten Mietvertrag wegen eines nach Vertragsschluss entstandenen Eigenbedarfs kündigt. Der Vermieter handelt aber treuwidrig (vgl LG Frankfurt/M WuM 07, 635 [LG Frankfurt am Main 05.10.2007 - 2-11 S 317/06]), wenn er weit überhöhten Wohnbedarf geltend macht oder eine geeignete Wohnung besitzt, die leer steht oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (vgl MüKo/Häublein § 573 Rz 74) frei wird, und er dennoch sein Räumungsverlangen weiterverfolgt (BVerfG ZMR 91, 56). Anderes gilt, falls die leer stehende Alternativwohnung zum Bezug durch einen Miteigentümer vorgesehen ist und ein vernünftiger und nachvollziehbarer Grund für das Festhalten am Bezug gerade der gekündigten Wohnung gegeben ist (BVerfG NZM 01, 706 = WuM 01, 330). Hat vor der Eigenbedarfskündigung die Bedarfsperson eine Wohnung an den kündigenden Vermieter zurückgegeben, damit dieser die Wohnung leer stehend zu einem besseren Kaufpreis veräußern kann, und kündigt der Vermieter daraufhin eine andere vermietete Wohnung, um die Bedarfsperson nunmehr dort unterzubringen, so ist die Eigenbedarfskündigung wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam (LG Berlin WuM 23, 423). Hat der Mieter eine Erlaubnis zur Untervermietung vom Vermieter rechtzeitig erbeten, so ist eine auf die fehlende Erlaubnis gestützte Kündigung rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter seinerseits zur Erteilung der Erlaubnis verpflichtet war und ihm somit selbst eine Vertragsverletzung zur Last fällt (BGH ZMR 11, 453).
Rn 30
Anbietpflicht: Vertragswidrig ist es, wenn der Vermieter die spätestens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freiwerdende – auch objektiv ungeeignete (LG Berlin MM 09, 146) oder sanierungsbedürftige (LG Köln ZMR 13, 721, aA bei Gesamtsanierung LG Köln ZMR 16, 876) – Wohnung seines Bestandes im selben Haus (BGH NJW 09, 1141; ZMR 03, 664; WuM 10, 757) nicht dem Mieter längstens bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (BGH NZM 17, 763: Der Vermieter muss sich aber nicht auf einen ›fliegenden Wohnungswechsel‹ mit dem Mieter einlassen) zu angemessenen Bedingungen anbietet (LG Hamburg WuM 90, 302 und 92, 250; LG Wuppertal WuM 98, 599; LG Mannheim ZMR 96, 34: die höchstzulässige Miete darf verlangt werden; zur Unzumutbarkeit des Neuabschlusses vgl Karlsruhe ZMR 93, 159). Dies gilt selbst wenn der Mieter nach Ausspruch einer Eigenbedarfskündigung die Anmietung der nunmehr erst angebotenen Alternativwohnung ablehnt (LG Berlin ZMR 15, 616; hypothetische Anmietabsicht verlangt LG Berlin ZMR 17, 243). Die Treuwidrigkeit ist allenfalls dann zu verneinen, wenn der Mieter zu keinem Zeitpunkt Interesse daran hatte, die Alternativwohnung anzumieten. Will der Vermieter die freiwerdende Wohnung nicht vermieten, sondern selbst nutzen, muss er sie dem Mieter nicht anbieten (BVerfG ZMR 94, 61; LG Berlin ZMR 99, 826). Rechtsfolge: Ein Verstoß gegen die Anbietpflicht führt – nur bei fortbestehendem Eigenbedarf bis zum Ende der Kündigungsfrist und der damit endenden Hinweispflicht (Hinz JR 22, 173 [BGH 09.12.2020 - VIII ZR 238/18]) – nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, sondern ggf. zu Schadensersatzansprüchen aus den §§ 280 I, 241 II (BGH ZMR 17, 141 und 382; Hinz JR 18, 281).