Rn 39
Tarifverträge sind Vereinbarungen zwischen Gewerkschaften einerseits und Arbeitgebern oder Vereinigungen von Arbeitgebern andererseits (§ 2 I TVG) (ein Abschluss mit einer nicht tariffähigen Partei [zur CGZP BAG NZA 11, 289 [BAG 14.12.2010 - 1 ABR 19/10]] ist nichtig [BAG NZA 19, 188; 07, 448]). Daran gebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der ArbG, wenn er selbst Partei des Tarifvertrags ist (§ 3 I TVG), bei Allgemeinverbindlicherklärung auch nicht tarifgebundene ArbG und ArbN im Geltungsbereich des Tarifvertrags (§ 5 IV TVG). Für die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen gelten die Regeln der Gesetzesauslegung (BAG NZA 14, 483 [BAG 22.01.2014 - 7 AZR 243/12] mwN), für den schuldrechtlichen die der Vertragsauslegung. Ist der ArbG an mehrere Tarifverträge gebunden, so gilt gem. § 4a TVG der Tarifvertrag, der die Mehrheit der tarifgebundenen ArbN im Betrieb umfasst (zur Verfassungsmäßigkeit BVerfG NZA 17, 915 [BVerfG 11.07.2017 - 1 BvR 1571/15]; Scholz/Lingemann/Ruttloff, NZA-Beil 1/15, 3 mwN). Gelten mehrere Tarifverträge für ein Arbeitsverhältnis (Tarifkonkurrenz), so gilt der speziellere. Bei Kollision zwischen Tarifvertrag und Arbeitsvertrag gilt das Günstigkeitsprinzip (§ 4 III TVG; BAG NZA 10, 1068 [BAG 07.07.2010 - 4 AZR 549/08]).
Rn 40
Die Arbeitsvertragsparteien können im Arbeitsvertrag auf einen (auch unwirksamen, BAG NZA 18, 363) Tarifvertrag Bezug nehmen (Bezugnahmeklausel; iE Eylert/Rinck RdA 22, 146; Formulierungsvorschläge bei BLDH/Lingemann Kap 2 M 2.2 Ziff 5 mwN; Preis, Arbeitsvertrag, II V 40). Wird der Tarifvertrag insgesamt in Bezug genommen, unterliegt er keiner Inhaltskontrolle nach § 307 (BAG NZA 18, 1344 [BAG 27.06.2018 - 10 AZR 290/17]). Die Bezugnahme ist statisch, wenn sie nur eine bestimmte Fassung eines bestimmten Tarifvertrags in Bezug nimmt, oder dynamisch, wenn sie auf die jeweils gültige Fassung eines bestimmten Tarifvertrags verweist (›kleine dynamische Klausel‹). Auch ohne eine ausdrückliche ›Jeweiligkeitsklausel‹ wird idR die aktuellste Fassung eines Tarifvertrags erfasst (BAG NZA-RR 14, 76 [BAG 12.06.2013 - 4 AZR 970/11]). Ist der ArbG tarifgebunden, so dienen vor dem 1.1.02 vereinbarte kleine dynamische Bezugnahmeklauseln regelmäßig dazu, nicht organisierte mit organisierten ArbN gleichzustellen (BAG BeckRS 16, 68727): bei Beendigung der Tarifbindung des ArbG gilt der vereinbarte Tarifvertrag wegen der Gleichstellungsfunktion daher nur noch statisch weiter (BAG aaO). Ist der ArbG bei Vertragsschluss jedoch nicht an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag gebunden, gelten die Ansprüche aus dem in Bezug genommenen Tarifvertrag dynamisch weiter (iE Lingemann FS ARGE Arbeitsrecht im DAV, 71 ff). Ab dem 1.1.02 vereinbarte kleine dynamische Bezugnahmeklauseln führen demgegenüber unabhängig von der Tarifbindung des ArbG trotz Wegfalls oder Änderung der Tarifbindung zur dynamischen Fortgeltung der tariflichen Ansprüche (EuGH NJW 17, 2178; BAG NZA 19, 1592 [BAG 03.07.2019 - 4 AZR 312/18]; 18, 255 [BAG 30.08.2017 - 4 AZR 95/14]), bei Tarifbindung ist aber eine abweichende Formulierung möglich (BAG NZA 18, 47 [BAG 05.07.2017 - 4 AZR 867/16], Anm Winzer ArbRAktuell 18, 17). Nimmt die Klausel kein konkretes Tarifwerk in Bezug, sondern verweist nur auf die für den Betrieb des ArbG jeweils einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung (vgl BAG AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 150), so handelt es sich iZw um eine Tarifwechselklausel. Ändert sich der für den Betrieb geltende Tarifvertrag infolge Betriebsübergang, Änderung des Betriebszwecks, räumlicher Verlegung des Betriebs oder Abschluss eines Haustarifvertrags mit einer anderen Gewerkschaft, so nimmt sie den danach einschlägigen Tarifvertrag in Bezug (BAG NZA 2013, 512, m Anm Krieger ArbR 13, 267; Haußmann DB 13, 1359; anders für nachwirkende Tarifverträge BAG NZA 98, 42). Die Bezugnahmeklauseln wirken konstitutiv und damit ggü organisierten und nicht organisierten ArbN gleich (BAG AuR 08, 181, Anm Haußmann FD-ArbR 07, 240797). Ein kraft betrieblicher Übung anwendbarer Tarifvertrag wirkt idR nur statisch (Sutschet NZA 08, 679).