Rn 48
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet dem ArbG die sachfremde Schlechterstellung einzelner ArbN ggü anderen ArbN in vergleichbarer Lage (BAG NZA 17, 1388; 25.1.23 – 10 AZR 29/22, NZA 23, 584). Bildet der ArbG nach einem generalisierenden Prinzip Gruppen von begünstigten und benachteiligten ArbN (kein bloßer Normenvollzug oder Erfüllung vertraglicher Pflichten, BAG NZA 17, 1388), muss die Gruppenbildung nach dem Zweck der Leistung sachlichen Kriterien entsprechen (BAG DB 09, 2664). Der Grundsatz gilt nicht für individuell vereinbarte Vergütung (einschl Altersversorgung, BAG MDR 20, 1324 [BAG 03.06.2020 - 3 AZR 730/19], Anm Diller ARbRAktuell 20, 497), wenn der Arbeitgeber sie nicht nach allg Regeln gewährt (stRspr, BAG DB 12, 1877), ferner nicht für tarifvertraglich vereinbarte Zusatzleistungen des ArbG an Gewerkschaftsmitglieder (BAG NZA 15, 115 [BAG 21.05.2014 - 4 AZR 50/13]).
Rn 49
Kein Anspruch auf Gleichbehandlung besteht zwischen ArbN in unterschiedlichen Ordnungs- und Regelungsbereichen, zB Beamten und Angestellten (BAG NZA 03, 1286), oder bei Geltung unterschiedlicher Vergütungssysteme (BAG DB 08, 710). Alleine die Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten rechtfertigt keine unterschiedliche Behandlung, die Arbeitsmarktlage ggf schon (BAG NZA 05, 1418 [BAG 12.10.2005 - 10 AZR 640/04] mwN). Zulässig ist auch eine Differenzierung zwischen ›normalen‹ ArbN und solchen auf zuwendungsfinanzierten Stellen (BAG NZA 03, 1274 [BAG 21.05.2003 - 10 AZR 524/02]), solchen, die das Unternehmen verlassen und solchen, die bleiben (BAG NZA 09, 322 [BAG 10.12.2008 - 10 AZR 15/08]; NJW 07, 1548 [BAG 14.02.2007 - 10 AZR 181/06]), solchen mit flexiblem und mit festem Einsatz (BAG NZA 08, 56 [BAG 18.09.2007 - 3 AZR 639/06]), solchen die streiken oder nicht hinsichtlich der Streikbruchprämie (BAG NZA 19, 100 [BAG 14.08.2018 - 1 AZR 287/17]) oder zwischen alt eingesessenen und gem § 613a übernommenen ArbN (BAG NZA 07, 862 [BAG 14.03.2007 - 5 AZR 420/06]; 06, 265 [BAG 31.08.2005 - 5 AZR 517/04]). Kein Anspruch auf Gleichbehandlung bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages (BAG NZA 10, 273 [BAG 17.12.2009 - 6 AZR 242/09]). Tarifvertragsparteien steht hinsichtlich des Gleichheitssatzes eine Einschätzungsprärogative zu (Art 9 III GG; BAG NZA 10, 521 [BAG 22.12.2009 - 3 AZR 895/07]; 09, 210 [BAG 11.11.2008 - 1 AZR 475/07]), Bewertungsmaßstab für die Inhaltskontrolle des jeweils zugrunde liegenden Tarifvertrags ist das GG, namentlich Art 3 GG (BAG NZA 21, 1110 [BAG 09.12.2020 - 10 AZR 334/20]).
Rn 50
Hat der ArbG entgegen dem Gleichbehandlungsgrundsatz einzelnen ArbN höhere Leistungen gewährt, können übergangene Arbeitnehmer uU verlangen, entsprechend behandelt zu werden (BAG NZA 17, 339 [BAG 15.11.2016 - 9 AZR 534/15]; 17, 267 [BAG 18.10.2016 - 9 AZR 123/16]). Der Gleichbehandlungsgrundsatz allein rechtfertigt keine Änderungskündigung zur Reduzierung der Leistung (BAGE 38, 354f [BAG 28.04.1982 - 7 AZR 1139/79]). Die Bevorzugung einer relativ kleinen Gruppe begründet nicht schon Ansprüche aller übrigen ArbN; denn der Gleichbehandlungsgrundsatz verhindert nicht zwingend die Begünstigung einzelner ArbN (BAG BeckRS 12, 75178; NZA 07, 221 [BAG 14.06.2006 - 5 AZR 584/05]; 03, 215 [BAG 13.02.2002 - 5 AZR 713/00] [weniger als 5 %]). Zahlt der ArbG an einige ArbN irrtümlich ohne Verpflichtung, muss er andere nicht gleichbehandeln, sofern er die überzahlten Beträge zurückfordert (BAG NZA 99, 1108 [BAG 26.11.1998 - 6 AZR 335/97]).
Rn 51
Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt unternehmensweit (BAG NZA 11, 171 [BAG 18.05.2010 - 1 ABR 96/08]). Eine unterschiedliche Betriebszugehörigkeit kann bei erheblichem Gewicht jedoch eine betriebsbezogene Gruppenbildung rechtfertigen (BAG NZA 09, 367 [BAG 03.12.2008 - 5 AZR 74/08]). Auch kann ein ArbG den ArbN betriebsratsloser Betriebe die Zahlung von Umsatzprämien versprechen und in Betrieben mit Betriebsrat das Ergebnis entspr Vereinbarungen mit dem Betriebsrat abwarten (BAG NZA 95, 1063 [BAG 25.04.1995 - 9 AZR 690/93]). Prozessual muss der ArbG die Gründe für die Differenzierung substantiiert vortragen und der ArbN diese dann ggf substantiiert bestreiten (BAG 26.4.23 – 10 AZR 137/22, NZA 23, 1046).