Rn 21
Sind Betriebserwerber, Betriebsveräußerer und Arbeitnehmer kongruent an denselben Tarifvertrag gebunden, gilt der beim Veräußerer anwendbare Tarifvertrag beim Erwerber kollektivrechtlich weiter (›Weitergeltung‹, BAG DB 05, 2141; zu nachwirkendem TV BAG NZA 08, 552).
Rn 22
Für einen Firmentarifvertrag gilt das nur bei Gesamtrechtsnachfolge (zB § 20 I 1 UmwG), nicht aber aufgrund von § 613a (BAG NZA 10, 238 [BAG 26.08.2009 - 4 AZR 280/08]). Allgemeinverbindliche Tarifverträge gelten auch ohne Tarifbindung beim Erwerber fort (vgl § 5 IV TVG), sofern er dem Geltungsbereich unterfällt.
Rn 23
Ist der Erwerber nicht tarifgebunden, so gelten im Zeitpunkt des Betriebsübergangs beim Veräußerer kollektivrechtlich anwendbare (BAG NZA 12, 923; auch nachwirkende, § 4 V TVG) und in Kraft getretene (BAG NZA 12, 923 [BAG 16.05.2012 - 4 AZR 321/10]) Tarifverträge gem I 2 als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses beim Erwerber fort (›Transformation‹, BAG NZA 10, 173, 41 [BAG 26.08.2009 - 5 AZR 969/08]; vgl auch Rn 18; daher keine Kündigung durch oder ggü Erwerber, BAG BB 09, 1973). Soweit nicht I 4 greift (Rn 28), gilt auch hier die einjährige Veränderungssperre (Rn 20).
Rn 24
Spätere Änderungen der Tarifverträge beim Veräußerer wirken sich nicht mehr aus; die Transformation erfolgt statisch (BAG DB 13, 2335; NZA 00, 154, 436; vgl EuGH NZA 06, 376 – Werhof; anders häufig die Wirkung von Bezugnahmeklauseln, Rn 27, § 611 Rn 40).
Rn 25
Sind Erwerber und Arbeitnehmer kongruent an einen anderen Tarifvertrag gebunden als der Veräußerer, gilt der Tarifvertrag des Erwerbers (›Ablösung‹, BAG NZA 19, 922 [BAG 23.01.2019 - 4 AZR 445/17]), soweit Regelungsidentität (Rn 18) zwischen beiden Tarifverträgen besteht, gleich, ob der Tarifvertrag günstiger oder ungünstiger ist (BAG NZA 19, 922, 1203 [BAG 23.01.2019 - 4 AZR 445/17]; 10, 41 [BAG 22.04.2009 - 4 AZR 100/08] – einschr EuGH NZA 11, 1077 – Scattolon, dagegen BAG NZA 19, 1203 [BAG 12.06.2019 - 1 AZR 154/17]). Soweit keine Regelungsidentität besteht, erfolgt gem I 2 Transformation (vgl Rn 18).
Rn 26
Ist der Erwerber nicht tarifgebunden oder fehlt Regelungsidentität (Rn 25), so kommt eine ›(Über-Kreuz-)Ablösung‹ durch kongruente Betriebsvereinbarung außerhalb zwingender Mitbestimmung nicht in Betracht (BAG DB 13, 2335; 10, 1998). Zu beachten wäre ohnehin der Tarifvorrang gem §§ 77 III, 87 I BetrVG.
Rn 27
Häufig wird ein Tarifvertrag arbeitsvertraglich in Bezug genommen (Formulierungsvorschläge BLDH/Lingemann M 2.2 Ziff 5); dann gilt bei Klauseln, die nach dem 1.1.02 vereinbart oder geändert (BAG NZA 19, 1592 [BAG 03.07.2019 - 4 AZR 312/18]; NZA-RR 2016, 6; NZA 10, 170 [BAG 18.11.2009 - 4 AZR 514/08]; s aber NZA 12, 583 [BAG 19.10.2011 - 4 AZR 811/09]) wurden, Fortgeltung nach I 2 (EuGH NJW 17, 2178; BAG NZA 18, 255 [BAG 30.08.2017 - 4 AZR 95/14]) und das Günstigkeitsprinzip (BAG NZA 08, 649 [BAG 12.12.2007 - 4 AZR 998/06]; § 611 Rn 39), soweit nicht abweichend formuliert (BAG NZA 18, 47, Anm Winzer ArbR 18, 17 [BAG 05.07.2017 - 4 AZR 867/16]). Zu den Folgen verschiedener Bezugnahmeklauseln bei Betriebsübergang s iE § 611 Rn 40. Zur Klärung der kollektivrechtlichen Folgen (Rn 17 ff) kann eine mehrseitige Überleitungsvereinbarung sinnvoll sein (C Meyer DB 09, 1350; ders Unterrichtung 200 ff; Lingemann FS ARGE Arbeitsrecht 71 ff).