Gesetzestext
(1) Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.
(2) Ist der Verpflichtete in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen, so hat der Dienstberechtigte in Ansehung des Wohn- und Schlafraums, der Verpflegung sowie der Arbeits- und Erholungszeit diejenigen Einrichtungen und Anordnungen zu treffen, welche mit Rücksicht auf die Gesundheit, die Sittlichkeit und die Religion des Verpflichteten erforderlich sind.
(3) Erfüllt der Dienstberechtigte die ihm in Ansehung des Lebens und der Gesundheit des Verpflichteten obliegenden Verpflichtungen nicht, so finden auf seine Verpflichtung zum Schadensersatz die für unerlaubte Handlungen geltenden Vorschriften der §§ 842 bis 846 entsprechende Anwendung.
A. Zweck und Anwendungsbereich.
Rn 1
§ 618 enthält die allg Pflicht zum Arbeitsschutz als Teil der Fürsorgepflicht des Dienstberechtigten (§ 611 Rn 99) und gilt für alle Dienstverträge, für Arbeitsverhältnisse konkretisiert durch Sonderregelungen (zB §§ 62 HGB, 12 HAG, 80 SeemannsG, Arbeitsschutzgesetz, Arbeitsstättenverordnung oder Arbeitsstättengesetz, SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards; BAG NZA 04, 927). Ggf analoge Anwendung auf andere Vertragstypen wie Auftrag, Werkvertrag (BGHZ 16, 270 f; vgl BGHZ 56, 269; Stuttg NJW 84, 1904). § 618 ist nicht abdingbar (§ 619); anders ggf bei analoger Anwendung (BGHZ 56, 269).
B. Schutzpflicht des Dienstberechtigten, Abs 1.
Rn 2
Die Schutzpflicht gilt ua für die Gestaltung des Arbeitsplatzes, das Zurverfügungstellen zwingender Schutzkleidung (BAG NZA-RR 16, 565 [BAG 14.06.2016 - 9 AZR 181/15]); die Einhaltung von Unfallverhütungsvorschriften (BAG NJW 15, 940 [BGH 18.11.2014 - VI ZR 47/13]), der gesetzlichen Höchstarbeitszeit (BAG ZTR 14, 657 [LAG Düsseldorf 05.08.2014 - 16 Sa 99/14]; NZA 04, 927 [BAG 16.03.2004 - 9 AZR 93/03]) und Ruhepausen (BAG NZA-RR 10, 623 [BAG 13.10.2009 - 9 AZR 139/08]) oder die Durchführung von Corona-Tests (BAG NZA 22, 1387 [BAG 01.06.2022 - 5 AZR 28/22]). Räumlich erfasst sie den eigentlichen Arbeitsplatz oder Arbeitsraum und alle Räume, die der Dienstverpflichtete zur Erbringung seiner Dienstleistung zu betreten hat (Flure, Zuwege, Aufenthaltsräume, Kantinen oder Toiletten), auch Arbeitsplätze im Freien, zB Baustellen (BGHZ 26, 371). Der Dienstberechtigte hat eine der Gesundheit zuträgliche Raumtemperatur, Belüftung und Beleuchtung zu gewährleisten (BGH VersR 74, 565) und dafür Sorge zu tragen, dass die Schadstoffbelastung das sonst in der Umwelt übliche Maß nicht übersteigt (BAG NZA 97, 86 [BAG 08.05.1996 - 5 AZR 315/95]). Der Dienstverpflichtete hat Anspruch auf Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG (BAG DB 08, 2030). ArbN haben Anspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz, nach Maßgabe von § 5 I ArbStättVO (BAG NZA 09, 775 [BAG 19.05.2009 - 9 AZR 241/08]); dieser Anspruch kann nach § 5 II ArbStättVO in Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr eingeschränkt werden (BAG NZA 16, 1134 [BAG 10.05.2016 - 9 AZR 347/15]).
C. Häusliche Gemeinschaft, Abs 2.
Rn 3
II erfasst wie § 617 nur die häusliche Gemeinschaft, gilt jedoch entspr für vom Dienstberechtigten unterhaltene Gemeinschaftsunterkünfte (BAG AP Nr 1 zu § 618).
D. Ansprüche des Dienstverpflichteten.
Rn 4
Der Dienstverpflichtete kann Erfüllung der Pflichten aus I und II verlangen (BAG NZA 04, 927 [BAG 16.03.2004 - 9 AZR 93/03]). Ihm steht nach § 273 (nicht § 320; BAG NZA 99, 34 [BAG 17.02.1998 - 9 AZR 130/97]; 97, 822 [BAG 19.02.1996 - 5 AZR 982/94]) sowie speziellen Vorschriften (vgl § 9 III ArbSchG) ein Zurückbehaltungsrecht zu, dessen Ausübung gem §§ 615 iVm 298 bzw 295 den Vergütungsanspruch unberührt lässt. Auch kann er gem § 670 (analog) Erstattung seiner Aufwendungen für Arbeitsschutz (zB Schutzbekleidung) verlangen (BAG NZA 86, 324 f; BB 98, 2527 [BAG 19.05.1998 - 9 AZR 307/96]).
Rn 5
Der Dienstverpflichtete hat bei schuldhafter Verletzung einen Schadensersatzanspruch aus § 280 I oder den §§ 823 ff im Umfang des III (Rechtsfolgenverweisung). Die Bedeutung von III ist indes gering, da im Arbeitsrecht für Personenschäden die Haftungsprivilegierung von § 104 SGB VII zugunsten des ArbG eingreift (§ 611 Rn 99). Für III relevante Schadensersatzansprüche bestehen danach nur, wenn der Dienstberechtigte einem ArbN vorsätzlich oder auf einem der in § 8 II Nr 1–4 SGB VII genannten Wege (§ 104 I SGB VII) oder einem freien Dienstnehmer Schaden an Gesundheit oder Leben zugefügt hat (Staud/Oetker § 618 Rz 324). Entgegen allg Beweislastregeln genügt es, wenn der Dienstverpflichtete einen objektiv ordnungswidrigen Zustand der Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, der generell zur Herbeiführung des eingetretenen Schadens geeignet ist, nachweist. Der Dienstberechtigte muss dann den Gegenbeweis mangelnder Ursächlichkeit und mangelnden Verschuldens führen (BAG NZA 97, 91 [BAG 08.05.1996 - 5 AZR 315/95]). Für Mobbingfälle gelten...